Neuengamme. Die Physiotherapeutinnen Katrin Reimers und Levke Müller betreuen auch ehrenamtlich hilfebedürftige Vierbeiner. Wie sie Tieren helfen.
Katrin Reimers hat ein großes Herz für Tiere. Vor allem Hunde haben es der 49-Jährigen angetan. Deshalb machte sie ihre Leidenschaft zum Beruf und betreibt seit zehn Jahren das Unternehmen „Hunde wieder fit“ an der Straße Achter de Wisch 34 im Neuengammer Stegelviertel. Doch der gelernten Hunde-Physiotherapeutin geht es auch nach Feierabend um das Tierwohl.
Mindestens 120 tierische Termine meistern Katrin Reimers und ihre Mitarbeiterin Levke Müller (42) pro Woche. Die Praxis in Neuengamme sei auch deshalb sehr begeht, weil sie eine der wenigen mit Schwimmbad ist, „in Hamburg sogar die einzige“, weiß Katrin Reimers. Das Schwimmbecken ist 5,5 mal drei Meter groß und fasst 15.000 Liter Wasser.
Physiotherapeutinnen helfen in Neuengamme kranken Hunden
Die Nachfrage nach therapeutischer Hilfe bei Hunden sei seit der Eröffnung der Praxis „konstant hoch“, berichtet die Chefin. Vor zwei Jahren habe sie dann Levke Müller eingestellt, um nicht weiter „jede Woche 50 bis 60 Stunden“ arbeiten zu müssen. Ihre Mitarbeiterin ist ebenfalls Hunde-Physiotherapeutin, zudem Tierheilpraktikerin.
Hunde aller Rassen und jeden Alters kommen in die Praxis, aber auch andere Kleintiere wie Katzen, Hamster oder Kaninchen werden dort behandelt. Welpen würden oft für einen Gesundheits-Check vorbeigebracht. Dann gehe es etwa um eventuelle Auffälligkeiten im Gangbild, die per Inaugenscheinnahme und Abtasten des Tieres festgestellt werden können.
Bemerken die Physiotherapeutinnen Defizite, etwa nicht genug Beugung in der Wirbelsäule, machen sie entsprechende Übungen mit dem Hund. In der Regel kämen die Herrchen oder Frauchen mit ihrem Hund zwei, drei weitere Male in die Praxis, um die Therapeutinnen den Stand der Verbesserungen einschätzen zu lassen. „Denn schon nach dem ersten Besuch sagen wir, was beachtet werden sollte und welche Übungen mit dem Hund zu Hause gemacht werden können“, sagt Katrin Reimers. Sie wolle „die Hunde auf den Weg bringen“.
Das große Bewegungsbad für Hunde ist einzigartig in Hamburg
Hunde-Senioren mit Arthrose in den Gelenken schwimmen im Bewegungsbad, wo sie sich – anders als an Land – schmerzfrei bewegen, dehnen und strecken können. Bei anderen Hunden wird die Muskulatur vor oder nach Operationen gestärkt. Natürlich würden all diese Maßnahmen Geld kosten, sie seien im Vergleich mit Tierarztbehandlungen aber noch günstig, betont Katrin Reimers. Ihre Kollegin rät Hundehaltern zu Kranken- und Operations-Versicherungen für deren Lieblinge: „Die Krankenversicherung zahlt dann die Tierarztbesuche. Einige OP-Versicherungen übernehmen auch die Physiotherapie nach einer Operation.“
Levke Müller arbeitet als „Hunde wieder fit“-Spezialistin 13 Stunden in der Woche für einen Hamburger Tierschutzverein, behandelt dort Hunde und Katzen. Tierheim-Mitarbeiter kommen mit ihren Schützlingen auch nach Neuengamme, um sie dort schwimmen zu lassen. Die Leistungen der beiden Physiotherapeutinnen muss auch der Verein bezahlen, es zahlt an die Tierfreundinnen allerdings einen Freundschaftspreis.
Labrador „Daster“ war sieben Monate in einer Transportbox eingesperrt
Immer wieder kümmern sich die beiden Frauen auch ehrenamtlich um Hunde aus einem Tierheim oder der Obhut von Tierschutzvereinen, die besonders viel Betreuung benötigen. „Die haben ja nur ein begrenztes Budget und eine überschaubare Zahl an Mitarbeitern“, sagt Levke Müller. Seit August 2022 lebt bei ihrer Chefin „Daster“, ein 17 Monate alter Labrador mit schweren Schäden an den Gelenken. Der Hund sei von seinen früheren Besitzern sieben Monate lang „fast durchgängig“ in Duisburg in einer Transportbox gehalten worden. Eine Familienbetreuerin habe die Tierquälerei mitbekommen und den Tierschutzverein alarmiert. Eine Tierfreundin, die von „Dasters“ Schicksal erfahren hatte und die die Neuengammer Praxis kennt, hatte Katrin Reimers eingeschaltet.
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„Der Hund ist aufgrund seiner traurigen Geschichte verhaltensauffällig und aufgedreht, aber nicht aggressiv“, sagt die 49-Jährige. Zweimal mussten „Dasters“ multiple Gelenkerkrankungen bereits operiert werden, zuletzt im Dezember. Würde sich der Hund aggressiv verhalten, könnte sie ihn nicht bei sich gesund pflegen, denn Katrin Reimers hat zwei eigene Hunde – einen Cockerspaniel und einen Labrador. „Die Pflege-Hunde müssen sozial kompatibel sein und sich mit meinen Hunden verstehen. Das hat bisher auch immer gut geklappt, hat mein Bauchgefühl immer gestimmt“, sagt sie.
Denn die Tierfreundin hatte schon viele Hunde in Pflege, meist für lange Zeit, auch über Jahre und bis zum Lebensende der gebeutelten Tiere. „Meist sind es zwei Pflege-Hunde gleichzeitig, derzeit aber nur der Labrador, weil er uns alles abverlangt“, sagt Katrin Reimers. Ostern 2022 starb „Luca“, auch ein Labrador, im Alter von zwölf Jahren. Nach einer misslungenen Bandscheiben-Operation waren seine beiden Hinterbeine gelähmt. „Luca“ konnte nicht weitervermittelt werden, deshalb blieb er bis zu seinem Tod bei Katrin Reimers, 14 Monate lang. Eine ausgemusterte Blindenführhündin lebte sogar fünf Jahre bei Katrin Reimers.
Kunden der Praxis für Hunde-Physiotherapie spenden oft Futter und Geld
Levke Müller hat ebenfalls einen Hund, einen Elo, so der Name der Rasse. Neben ihrem (gekauften) Hund kümmert auch sie sich zu Hause in Poppenbüttel um hilfebedürftige Hunde. Zehn Pflege-Hunde betreuten sie und ihre Chefin allein in den vergangenen zwei Jahren.
Die Kosten für „Dasters“ Klinikaufenthalte haben Kunden der Physiotherapeutinnen übernommen: „Bei solchen Projekten zeigen sich unsere Kunden stets großzügig, wenn wir eine Spendendose aufstellen. Sie erfahren genau, worum es geht, und vertrauen uns“, sagt Katrin Reimers. Würden etwa orthopädische Hilfsmittel für einen kranken Hund benötigt, „haben wir hier innerhalb einer Woche 800 Euro zusammen“.
Auch Futter werde immer wieder von Praxis-Kunden, die in ganz Norddeutschland leben, gespendet. Katrin Reimers leitet es weiter, sodass am Ende Hunde von Obdachlosen davon profitieren. Die Futter-Sammlung laufe „durchgehend“. Auch für Hunde in der Ukraine oder in der Obhut eines Tierschutzvereins auf Mallorca wurde schon Futter gesammelt.
Immer mal wieder gibt es ein Wiedersehen mit früheren Pflege-Hunden
Für „Daster“ wird ein neues Herrchen oder Frauchen gesucht. Immer mal wieder würden die neuen Besitzer früherer Pflege-Hunde mit den Tieren zur Physiotherapie in die Praxis kommen – zur großen Wiedersehens-Freude von Katrin Reimers und Levke Müller. Die Frauen übernehmen auf Wunsch auch die Urlaubsbetreuung der Vierbeiner. „Das sagen wir von vornherein, wenn jemand darüber nachdenkt, einen unserer Pflege-Hunde zu übernehmen.“
Katrin Reimers ist Single, braucht sich in Sachen Hunde mit niemandem absprechen. Levke Müllers Ehemann sei durch sie schnell zu einem Hundefreund geworden, berichtet die 42-Jährige. „Aber es ist meine Aufgabe, mich um die Tiere zu kümmern.“
Hundefutter-Spenden können jederzeit in der Praxis abgegeben werden. Wer anderweitig helfen möchte, findet Kontaktmöglichkeiten und Infos zu der Praxis im Internet unter www.hunde-wieder-fit.de.