Büchen. Nur jeder siebte Patient mit einem Herzanfall überlebt dauerhaft, weil bis zur Reanimation zu viel Zeit vergeht. Tolles Projekt hilft.

Wie wichtig frühzeitige Wiederbelebungsmaßnahmen nach einer Herzattacke sind, hat vor wenigen Tagen ein viel beachteter TV-Beitrag des Süddeutschen Rundfunks dokumentiert, der bundesweit für Furore sorgte. Ein entscheidender Faktor für die Überlebenswahrscheinlichkeit ist tatsächlich der Wohnort, der Rettungsdienst vor Ort, genauer die Rettungsfrist. Wichtig ist vor allem aber der Zeitraum, bis Erste Hilfe durch Herzdruckmassage oder Einsatz eines Defibrillators geleistet wird. Die Gemeinschaftsschule Büchen wird jetzt zu einem Vorreiter. Ein Defi an der Schule sowie eine größere Zahl in Erster Hilfe trainierte Schülerinnen und Schüler werden die Überlebenschancen Betroffener künftig erhöhen.

Herzanfall: Rettungsdienst zu langsam? Schüler aus Büchen sollen es richten

Die Zahlen sind erschreckend: Im Schnitt überlebt nur jeder siebte Mensch in Deutschland längerfristig eine Herzattacke. Viele werden zwar noch wiederbelebt. Sie erreichen das Krankenhaus lebend, versterben aber dort trotz intensivmedizinischer Behandlung, bestätigten Notärzte und weitere Experten im SR-Beitrag.

Viel zu häufig ist die Zeit zwischen einem Herzinfarkt oder Kammerflimmern und Wiederbelebungsmaßnahmen zu lang, als dass Erkrankte dauerhaft überleben könnten. Untersuchungen belegen, dass mit jeder Minute, die ohne Wiederbelebungsmaßnahmen verstreicht, die Überlebenswahrscheinlichkeit um zehn Prozent sinkt.

Herzanfall: Mit jeder Minute sinkt Überlebenschance um zehn Prozent

In wenigen Ballungsräumen gelten acht Minuten als akzeptable Rettungsfrist, in der Fläche sind zehn Minuten die positive Ausnahme, häufig sind es zwölf, in Ost- und Süddeutschland teils 15 Minuten. Experten mahnen seit Langem, dass es für viele Menschen mit Herzstillstand dann längst zu spät ist, weil etwa das über diesen Zeitraum nicht mehr mit Sauerstoff versorgte Hirn längst irreparabel geschädigt ist.  

In immer mehr Regionen Deutschlands verstärken Verantwortliche und Organisationen Anstrengungen, die lebensbedrohliche Lücke zu schließen. Zu den häufig durch Spenden finanzierten, öffentlich erreichbaren Defibrillatoren kommen qualifizierte Ersthelfer. Diese Retter aus der Nachbarschaft sollen und können die Überlebenschance von Menschen steigern, können die zeitliche Lücke ein großes Stück weit schließen, bis Rettungswagenbesatzungen oder Notärzte übernehmen können.

Herzanfall: Retter aus der Nachbarschaft helfen zu überleben

Ihren Beitrag wollen auch Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler der Büchener Gemeinschaftsschule leisten.  Ihr Engagement wurde jüngst von der in dem Bereich engagierten Björn-Steiger-Stiftung gewürdigt. Die Aktion „Retten macht Schule“ unterstützt Anstrengungen vor Ort. Michael Hinrichs, der die bislang 20 Schulsanitäter an der Friedegart-Belusa-Gemeinschaftsschule trainiert, konnte einen „Automatischen Externen Defibrillator“ (AED) in Empfang nehmen, dazu einen Übungsdefi sowie ein Dutzend Puppen für das Training der Herz-Lungen-Wiederbelebung.


Der DRK-Kreisverband unterstützt die Ausbildung von Erstrettern und schult Lehrkräfte, damit diese künftig möglichst viele Jugendliche im Biologie-Unterricht entsprechend unterrichten und trainieren können. 
Der DRK-Kreisverband unterstützt die Ausbildung von Erstrettern und schult Lehrkräfte, damit diese künftig möglichst viele Jugendliche im Biologie-Unterricht entsprechend unterrichten und trainieren können.  © bgz | Friedegart-Belusa-Gemeinschaftsschule

Gemeinschaftsschule Büchen: Zwei Defibrillatoren und ein Dutzend Übungspuppen

„Diese großzügige Spende wird es der Schule ermöglichen, lebensrettende Maßnahmen direkt in den Unterricht zu integrieren“, bedankte sich Schulleiter Harry Stossun. Die Pläne dafür sind tatsächlich in Büchen schon weit vorangetrieben.

Reanimation soll vom kommenden Schuljahr an nach und nach Thema im Biologieunterricht werden. Ziel: Alle Teilnehmer sollen lernen, wie sie Menschen durch eine gezielte Wiederbelebung retten können. Dazu gehört auch praktisches Training mit einem Übungsdefibrillator.

Herzstillstand: Defi leitet Retter durch das Programm

Das Gerät gibt je nach Situation Anweisungen, was als Nächstes zu tun ist. Es misst etwa, ob ein Herzstillstand oder ein ebenfalls lebensbedrohliches Kammerflimmern vorliegt. Es gibt dann Elektroschocks ab, die den Herzschlag wieder in Takt bringen sollen.  

„Diese Initiative soll sicherstellen, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur theoretisches Wissen erwerben“ sagt Verena Baars. „Sie sollen auch praktisch auf Notfälle vorbereitet werden“, ergänzt Sandra Nieland. Die beiden Biologielehrerinnen zählen zu den Lehrkräften an der Büchener Gemeinschaftsschule, die bereits durch das Deutsche Rote Kreuz entsprechend geschult wurden, um künftig noch mehr jungen Teilnehmern eine fachlich fundierte Ausbildung bieten zu können.

Herzanfall: DRK macht Lehrkräfte fit in Sachen Retter-Ausbildung

Schulleiter Harry Stossun bedankt sich bei der Björn-Steiger-Stiftung wie auch dem DRK Kreisverband Herzogtum Lauenburg für die Unterstützung. „Unsere Schülerinnen und Schüler werden von diesem Wissen enorm profitieren und möglicherweise in Zukunft Leben retten können.“ Peter Timmermanns, Vorstand des DRK-Kreisverbandes, setzt auf den Erfolg der gemeinsamen Anstrengungen: „Auf jeden Fall werden sie selbstsicher und vorbereitet helfen können, wenn sie eine hilflose Person finden!“

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23 Freiwillige Feuerwehren im Kreis stellen Erstretter

Im Kreis Herzogtum Lauenburg sind nach Auskünften der Rettungsleitstelle inzwischen 23 Freiwillige Feuerwehren in das First-Responder-System integriert, dazu Organisationen wie Deutsches Rotes Kreuz, DLRG und auch der Arbeiter Samariter Bund. Ersthelfer dieser Organisationen werden von der Rettungsleitstelle in Bad Oldesloe alarmiert, wenn zu befürchten ist, dass im Falle eines akuten Notfalls Rettungswagen oder Notarzt zu viel Zeit benötigen, um Einsatzort oder Unfallstelle innerhalb der vorgegebenen Hilfeleistungsfrist zu erreichen.

Der ASB ist zugleich landesweit Mitinitiator einer Handy-App, die automatisiert Ersthelfer in der Nähe alarmiert. Viele Ärzte und weitere Profis machen hier ebenso mit wie entsprechend in Erster Hilfe geschulte Laien. Das System erkennt im Alarmfall, welcher Ersthelfer sich in der Nähe eines schweren Unfalles oder einer möglicherweise lebensbedrohlichen Erkrankung befindet und alarmiert die jeweilige Person dann per App. Erreicht eine Rettungswagenbesatzung oder ein Notarzt den Erkrankten oder Verletzten, übernehmen später RTW-Besatzung oder Notfallmediziner.