17,63 Millionen Zuschauer sahen das Duell der Kanzlerkandidaten. Steinbrück hielt Merkel für nervös. Als Gewinner fühlen darf sich Moderator Stefan Raab. Parteien ringen um Deutungshoheit.
Berlin/Hamburg. Das einzige TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Peer Steinbrück vor der Wahl ist ohne klaren Sieger geblieben. Die ersten Umfragen ergaben kein eindeutiges Bild: Die ARD ermittelte Vorteile für Steinbrück, das ZDF und RTL sahen dagegen Merkel vorn.
Insgesamt war die 90-minütige Debatte, die im Fernsehen und im Internet von einem Millionenpublikum verfolgt wurde, sehr sachlich verlaufen. Angesichts des klaren Rückstands in allen Umfragen ging Steinbrück von Beginn an in die Offensive. Der SPD-Kandidat machte Merkel für „Stillstand“ verantwortlich. Als Kanzler werde er für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen. „Mein Plan von Deutschland ist: Gerechter und deshalb stärker.“ Merkel hingegen verteidigte ihre schwarz-gelbe Koalition. „Wir haben gezeigt, dass wir es können - und das in einer schwierigen Zeit.“ Deshalb wolle sie das Bündnis mit der FDP auch fortsetzen.
Das Duell galt für den SPD-Herausforderer als möglicherweise letzte Chance, vor dem 22. September doch noch einen Stimmungswechsel zu schaffen. Immer wieder versuchte Steinbrück, Merkel aus der Reserve zu locken. Die CDU-Vorsitzende ging darauf jedoch nicht ein. Beide sprachen sich direkt an. Bislang hatte Merkel im Wahlkampf ihren Herausforderer ignoriert.
+++ Lesen Sie hier die wichtigsten Passagen des TV-Duells +++
Nach dem Fernsehduell ringen die politischen Lager an diesem Montag um die Interpretationshoheit. In Pressekonferenzen wollen alle fünf Bundestagsparteien ihre Sicht auf den Schlagabtausch unter die Medien bringen.
Abendblatt.de sammelt Reaktionen auf das Rededuell zwischen den gebürtigen Hamburgern Merkel und Steinbrück und hält Sie mit einem Newsticker auf dem Laufenden:
+++ Nächstes Duell Merkel vs. Steinbrück schon morgen +++
12.59 Uhr: Nach dem Fernsehduell ohne klaren Sieger geht der Wahlkampf jetzt in die entscheidende Phase: Im Bundestag treffen Kanzlerin Merkel und Herausforderer Steinbrück an diesem Dienstag schon wieder aufeinander. Beide werden in der vermutlich letzten Sitzung dieser Legislaturperiode das Wort ergreifen. Als vorentscheidender Termin gilt dann die Landtagswahl in Bayern am 15. September, von der eine wichtige Signalwirkung erwartet wird. Eine Woche später ist dann schließlich die Bundestagswahl.
+++ Internationales Medienecho zum Fernsehduell +++
12.45 Uhr: Hier eine Auswahl an internationalen Pressestimmen zum deutschen TV-Duell am Montag auch internationale Zeitungen:
„Die Presse“: „Steinbrück verspielt seine Chance.“
„Kronen Zeitung“ (beide Österreich): „Merkel – sehr staatstragend – und Steinbrück – sehr angriffslustig – hielten Kurs und spulten ihre Argumente ab. Eine Wende durch das Duell im bisher eher farblos verlaufenden Wahlkampf scheint so gut wie ausgeschlossen.“
„Gazeta Wyborza“ (Polen): „Die Debatte Merkel – Steinbrück endete unentschieden, aber der SPD-Kandidat ging der Kanzlerin unter die Haut.“
„Le Monde“ (Frankreich): Das Fernsehduell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem sozialdemokratischen Herausforderer Peer Steinbrück wird die Lage wohl nicht ändern. Aber anders als die Deutschen erwartet haben ... war Angela Merkel ihrem Gegenspieler nicht eklatant überlegen.“
„Dagens Nyheter“ (Schweden): „Wenn der Wahlkampf morgen weitergeht, werden beide Parteien den Ausgang des Duells zu ihrem Vorteil interpretieren, aber der Wendepunkt, auf den die Sozialdemokraten gehofft hatten, war das wahrscheinlich nicht.“
„Politiken“ (Dänemark): „Insgesamt war es eine Debatte, in der Steinbrück angriffslustig und Angela Merkel etwas mehr in der Defensive war, lautet die Einschätzung von Beobachtern.“
Times: „Aller Augen liegen auf Merkels Hals, nachdem sie in der TV-Debatte verloren hat.“ ... „Ihr Rivale, Peer Steinbrück, hat noch einen Berg zu besteigen, um sie aus dem Sitz zu heben.“
BBC (beide Großbritannien): „Klar ist, dass keiner der Kandidaten einen K.o.-Schlag lieferte, der den Wahlkampf grundlegend verändern würde. Merkel ist mit überwältigender Zustimmung in die Debatte gegangen, und daran dürfte sich nicht viel geändert haben.“
„El País“: „Steinbrück attackiert Merkel hart. Der SPD-Kandidat hielt der Kanzlerin Unentschlossenheit in der Europapolitik vor. Merkel verwies dagegen auf ihre wirtschaftlichen Erfolge.“
„El Mundo“: „Merkel erringt einen hauchdünnen Sieg über Steinbrück.“
„ABC“: „Merkel setzt sich gegen den SPD-Kandidaten Steinbrück durch. Die Kanzlerin wirkte in der TV-Debatte ruhig und selbstsicher.“
„El Perioódico de Catalunya“ (alle Spanien): „Die TV-Debatte endet mit einem technischen Remis. Der SPD-Kandidat Steinbrück machte Merkel für die Leiden der Euro-Krisenländer mitverantwortlich. Merkel kündigte an, diesen Staaten auch weiterhin Reformen abzuverlangen.“
„Ta Nea“ (Griechenland): „Am Ende siegte Merkels Halsband in den deutschen Farben.“
Fernsehsender bTV (Bulgarien): „Die Debatte galt als Steinbrücks größte Chance, Merkels Vorsprung in den Meinungsumfragen zu verringern. (.) Angela Merkel nutzte die Gelegenheit, ihre erfolgreiche Amtszeit an der Spitze der größten Volkswirtschaft Europas zu Zeiten einer Krise in der Eurozone zu unterstreichen.“
Staatlicher Radiosender CRI (China): „Auch wenn Umfragen Steinbrück bei der Debatte leicht vorne gesehen haben, ist der Einfluss der TV-Debatte auf die Wähler sehr begrenzt. Deshalb wird Merkel dank ihrer vielen Unterstützer mit großer Wahrscheinlichkeit wiedergewählt werden.“
„New York Times“ (USA): „Die Auseinandersetzung war eine Sache von größtenteils anständigen 90 Minuten, die als Herr Steinbrücks letzte Chance gegolten hatten, seinen Mut zu zeigen und seine früheren Fehler vergessen zu machen.“
+++ DGB Nord für weiteres TV-Duell +++
11.17 Uhr: Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB Nord hat sich für ein weiteres TV-Duell zwischen Merkel und Steinbrück ausgesprochen. „Bevor der Halsschmuck der Kanzlerin, Koalitionsrechnerei oder die Performance von Privatfunkmoderatoren vollends die Nachberichterstattung bestimmen, sollte lieber ein zweiter Austausch von Argumenten dazu beitragen, dass die Bürgerinnen und Bürger gut informiert an die Wahlurne treten können“, erklärte der für Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zuständige Vorsitzende des DGB Nord, Uwe Polkaehn, am Montag. Das Gespräch sei aufschlussreich gewesen. Aber 90 Minuten seien zu kurz, um letzte Klarheit über die Pläne der Politiker zu bekommen. „Zwei Duelle sollten sein: Was Schröder und Stoiber konnten, das können auch Frau Merkel und Herr Steinbrück.“
+++ Brüderle unterstützt Maut-Absage Merkels +++
11.03 Uhr: Zur Maut-Aussage von Merkel gibt es ein erstes Feedback aus der FDP. Der Koalitionspartner der CDU unterstützt demnach die Absage der Kanzlerin an eine Pkw-Gebühr auf deutschen Autobahnen. „Der deutsche Autofahrer ist schon die Melkkuh der Nation. Da noch draufzusatteln, das ist nicht realistisch“, sagte FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle im ZDF-„Morgenmagazin“. Eine Pkw-Maut nur für Ausländer sein ohnehin europarechtlich höchst bedenklich. Die Differenz Merkels mit CSU-Chef Horst Seehofer, der auf eine solche Maut pocht und ohne sie keinen Koalitionsvertrag unterschreiben will, bezeichnete Brüderle als „Petitessen“. Das sehe er „ganz entspannt“, sagte er.
+++ 17,63 Millionen sehen das TV-Duell +++
9.31 Uhr: Jetzt sind auch die Quoten der Übertragungen auf ProSieben und Phoenix bekannt: Im Heimatsender des Duell-Moderators Stefan Raab verfolgten 1,51 Millionen Zuschauer (4,3 Prozent Marktanteil) das Streitgespräch zwischen Merkel und Steinbrück. Phoenix schalteten 0,08 Millionen Zuschauer (0,2 Prozent) ein. Damit kommt das diesjährige TV-Duell auf eine Gesamtquote von 17,63 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 50,7 Prozent. 2009 hatten das TV-Duell rund 14 Millionen Zuschauer eingeschaltet, vor acht Jahren waren es rund 21 Millionen.
+++ Rhetorik-Experte: „Merkel braucht Chili-Pulver“ +++
9.14 Uhr: Eine weitere Analyse: Rhetorik-Experte Günter Zienterra hält weder Merkel noch Steinbrück für große Charismatiker. „Merkel kommt durch ihre abwartende und ruhige Art sympathisch rüber, reißt jedoch niemanden vom Stuhl“, sagt Zienterra. „Steinbrück verkörpert mit seinem technokratischen Sprechstil nicht den modernen Visionär, der er doch so gerne sein möchte. Außerdem ist er stolz auf seine Ecken und Kanten.“ Der merkelschen Rhetorik könne „etwas Chili-Pulver“ gut tun, findet der Experte. Steinbrücks direkte Rhetorik wirke dagegen angriffslustig, wenn der andere reagiert. „Das war heute nicht der Fall“, sagt Zienterra.
+++ Mehr als 16 Millionen TV-Zuschauer +++
8.57 Uhr: Die ersten TV-Quoten sind da: Zusammen genommen schalteten sich am Sonntagabend ab 20.30 Uhr mehr als 16 Millionen Zuschauer dem Rededuell der Kanzlerkandidaten zu. Das größte Publikum hatte die ARD (10,11 Millionen/29,1 Prozent Marktanteil). Im ZDF verfolgten den Schlagabtausch 3,71 Millionen Zuschauer (10,7 Prozent), RTL kam mit seiner Übertragung noch auf 2,22 Millionen Zuschauer (6,4 Prozent). Die Auswertung für ProSieben, dem vierten übertragenden Sender, steht noch aus. Das TV-Duell vor der letzten Bundestagswahl zwischen Merkel und Herausforderer Frank-Walter Steinmeier hatten 2009 rund 14 Millionen Zuschauer eingeschaltet.
+++ „Neue Zürcher Zeitung“: Merkel und Steinbrück blieben fair +++
8.37 Uhr: Ein Blick in die Schweiz - so sah die „Neue Zürcher Zeitung“ das Duell Merkel gegen Steinbrück: „Beide Politiker blieben fair und sachlich und verzichteten auf persönliche oder gar herabsetzende Angriffe. Aufschlussreich war die Fragestunde dennoch, denn zur Verblüffung vieler zeigte sie eine kristallklar argumentierende, sehr durchsetzungsfähige Regierungschefin und einen Herausforderer, dem offenbar ans Herz gelegt worden war, sich nicht durch allzu heftige oder gar giftige Attacken auf Merkel die Gunst der Wähler zu verscherzen. Die Kanzlerin, von ihren Gegnern oft als ausweichend und abwiegelnd beschrieben, verblüffte durch ihren festen Willen, sich weder von den Moderatoren noch von Steinbrück aus dem Konzept bringen zu lassen. Der SPD-Kanzlerkandidat dagegen argumentierte schnell, präzise und elegant und suchte sein Heil in leiser, eher ironisch daherkommender Kritik, die nicht als belehrend oder uncharmant wahrgenommen werden sollte.“
+++ Steinbrück: „Merkel kam ins Haspeln“ +++
7.26 Uhr: Auch Peer Steinbrück hat sich des Mediums Twitter bedient und dabei eine Attacke gegen Merkel geritten. Nach dem TV-Duell postete der SPD-Kandidat einen Link zu einem Video, in der er eine erste Einschätzung seines Auftritts gibt. „Ich hatte den Eindruck, sie war nervöser als ich“, sagte Steinbrück im Bezug auf sein Gegenüber Merkel. Die Kanzlerin sei außerdem „auch ein bisschen ins Haspeln“ gekommen. „Ich habe versucht, meine Botschaften zu setzen“, sagte der Herausforderer, der nach dem Schlagabtausch das Rennen um die Kanzlerschaft als offen betrachtet. „Wenn ich es heute geschafft habe, die Unentschiedenen zu erreichen, dann bin ich sehr zufriedeb“, fügte Steinbrück an.
+++ Raab erhält meiste Moderatoren-Tweets +++
6.59 Uhr: Natürlich ging es bei Twitter nicht nur um die diskutierten Fachthemen. Erwartungsgemäß erzielte Stefan Raab als Newcomer auf der Politbühne mit Abstand die meisten Tweets unter den Moderatoren (70 Prozent). Die meisten davon waren positiv. Twitter-Zitat:. „Angela Merkel erahnt langsam, dass ihr wahrer Gegner in diesem #tvduell womöglich nicht Steinbrück, sondern Raab sein könnte.“ (RT @niggi)
Dem Medium ist es geschuldet, dass Versprecher, Missgeschicke oder Kurioses sofort aufgegriffen wurden. So gab es innerhalb kürzester Zeit den Hashtag „Schlandkette“ zum Schmuck der Kanzlerin sowie „KingofKotelett“, diesen Begriff warf Raab in die Runde.
So provokant sind seine Kollegen nicht aufgetreten, über Peter Kloeppel (15 Prozent), Anne Will (13 Prozent) und Maybrit Illner (2 Prozent) hat sich die Twittergemeinde kaum ausgetauscht.
Das Moderatorenteam Will/Raab kam im sozialen Netz insgesamt gut an: Weit mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Tweets über Raab fielen positiv aus, bei Anne Will sind es immer noch drei von zehn Kommentaren. Illner und Kloeppel dagegen fallen in der Bewertung kaum ins Gewicht: Während der RTL-Anchorman immerhin noch 14 Prozent an positiven Tweets bekommen hat, gab es kaum Kommentare über die Moderatorin vom ZDF.
Und auch bei den negativen Kommentaren schneidet Raab gut ab: nur rund ein Viertel (27 Prozent) der Tweets über ihn sind negativ, bei Anne Will ist es gut die Hälfte (54 Prozent), bei Maybrit Illner sind es zwei Drittel und bei Peter Kloeppel sogar 83 Prozent.
+++ Steinbrück punktet bei Twitter +++
6.53 Uhr: Bislang haben die Social-Media-Forscher von Ipsos über 132.000 Tweets mit dem Hashtag „TVDuell“ oder ähnlichem gezählt. Dahinter verbargen sich allerdings nicht immer politisch motivierte Äußerungen. So konnte Angela Merkel 58 Prozent der allgemeinen Äußerungen aus sich vereinen, Peer Steinbrück 42 Prozent. Der Kanzlerkandidat konnte dabei besser punkten als die amtierende Bundeskanzlerin. Lediglich elf Prozent der allgemeinen Tweets zu Angela Merkel waren positiv, bei Peer Steinbrück war es dagegen ein Viertel. „Bisher Steinbrück deutlich präziser, inhaltlicher, offensiver - Merkel in der Defensive.“ (RT @SteffiLemke) oder „Je länger es dauert, umso souveräner wirkt Steinbrück. Merkel wie so häufig unkonkret.“ (RT @RAStadler) war zum Beispiel bei den sekündlich auflaufenden Tweets zu lesen.
Interessante Entwicklungen zeigten sich während und nach der Debatte auch auf den Facebook-Seiten der Kandidaten. Merkels Seite verzeichnete nach dem Duell 1.699 Freunde mehr, bei Steinbrück legte um 1.837 Likes zu.
+++ Seehofer kontert in Sachen Pkw-Maut +++
6.48 Uhr: Im Rahmen des TV-Duells hat die CDU-Vorsitzende Merkel deutlich wie noch nie die Einführung einer Pkw-Maut auf Deutschlands Autobahnen ausgeschlossen: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut im Inland geben.“ Das Thema war überhaupt erst durch ihren Koalitionspartner CSU aufs Tableau gebracht worden: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hatte eine Maut für Ausländer zur Bedingung für einen neuen Koalitionsvertrag gemacht.
Seehofer erklärte dazu, für deutsche Autofahrer solle die Maut mit dem Kfz-Steuer-Bescheid abgegolten sein. „Ausländer hingegen müssen bezahlen. Das werden wir in Berlin vereinbaren und umsetzen“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Montag). „Und falls sich jemand aus Europa zu Wort meldet, dann werden wir verhandeln.“
+++ Steinbrück bei ARD-Umfrage klar vorne +++
6.37 Uhr: Laut Umfragen konnte der bisher abgeschlagene Herausforderer Steinbrück Boden gutmachen. Während Kanzlerin Merkel nach einer ZDF-Befragung klar und bei RTL hauchdünn vorne lag, hat Steinbrück nach der ARD-Erhebung deutlich gewonnen. In der ARD war von einem „Etappensieg“ für Steinbrück die Rede. Auch im ZDF hieß es, der SPD-Mann habe trotz Niederlage im Duell insgesamt aufgeholt.