Hamburg. Die Zahlen der Statistiker belegen es: Immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund leben in Hamburg.
Die Migrationsdebatte in Deutschland leidet seit Jahrzehnten darunter, dass sie stets ein Spielfeld für Radikale war. Bis zur Jahrtausendwende regierte hier die wirklichkeitsverzerrende Wahrnehmung, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Spätestens seit der Flüchtlingskrise 2015, als Aktivisten ankommende Syrer mit Kuscheltieren empfingen, halten relevante Teile der Öffentlichkeit Migration für ein großes Glück und sehen in ihr die Lösung aller Probleme – ob in der Demografie, auf dem Arbeitsmarkt oder für die Finanzierung der Rente.
Migration: Hilfe und Begrenzung sind zwei Seiten einer Medaille
Dazwischen ist dem Land Maß und Mitte verloren gegangen. Integration verlangt das Fördern wie das Fordern, eine moderne Politik muss Hilfe und Begrenzung in Einklang bringen. Denn Migration ist komplexer, als die wohlfeilen Botschaften von links und rechts klingen.
Da sind zunächst einmal Fakten, die man den Zuwanderungsgegnern einbläuen muss. Die Mitte Europas ist seit Jahrhunderten ein Ziel für Zuwanderer und oftmals Schmelztiegel der Völker gewesen. Dabei wurden Erfolgsgeschichten geschrieben, die das Land groß gemacht haben – etwa die Einwanderung der Hugenotten im 17. und 18. Jahrhundert.
Deutschland hat von der Zuwanderung profitiert
Wer weiß heute noch, dass Theodor Fontane, Adelbert von Chamisso, Alexander und Wilhelm von Humboldt Deutsche mit hugenottischem Hintergrund waren? Vor dem Ersten Weltkrieg wanderten rund 300.000 bis 400.000 polnischsprachige Menschen ins Ruhrgebiet – sie halfen nicht nur der deutschen Wirtschaft, sondern prägten über Jahrzehnte den deutschen Fußball.
Wissenschaftler mit türkischem Migrationshintergrund gründeten Biontech und entwickelten den ersten Corona-Impfstoff, Einwanderer aus dem Iran prägen heute die deutsche Politik mit Köpfen wie Sahra Wagenknecht, Omid Nouripour oder Bijan Djir-Sarai.
Es gibt Erfolgsgeschichten – aber eben auch Probleme
Es gibt viele Erfolgsgeschichten – es gibt aber eben auch die Misserfolgsdramen, die man nicht übersehen darf: „Ehrenmorde“, Clankriminalität oder eben auch Zuwanderer, die schwer im deutschen Arbeitsmarkt ankommen. Inzwischen liegt der Anteil der Ausländer beim Bürgergeld bei 47 Prozent, 2010 lag diese Zahl bei 25 Prozent. Es kommen nicht nur Ärzte aus Syrien und Pflegekräfte aus der Ukraine, sondern auch Menschen, die in der deutschen Gesellschaft und dem Arbeitsmarkt nur schwer Fuß fassen.
Die Vielzahl der Lebensgeschichten und Schicksale zeigt: Migration erstreckt sich über Welten. Der sogenannte Migrationshintergrund ist als Kennzahl arg grob gestrickt. Er verbindet bestens Integrierte mit schwer Integrierbaren, er reduziert völlig unterschiedliche Biografien auf eine Gemeinsamkeit: Eine Person hat dann einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.
Migrationshintergrund bleibt eine vage Kennziffer
Er vermengt also gebürtige Österreicher wie Otto von Habsburg mit afghanischen Flüchtlingskindern, Fußballmillionäre mit Habenichtsen, Wissenschaftler mit Analphabeten.
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Deshalb ist der Migrationshintergrund als Kennziffer oft nur eine Krücke. Weder muss er Anlass zur Sorge geben, noch ist er ein Quell der Freude. Entscheidender sind Daten zur Integration, wie etwa die Frage, ob in den Familien deutsch gesprochen wird oder welchen Stellenwert die Bildung einnimmt.
Spätestens an den Schulen nämlich kann Vielfalt schnell zum Problem werden. Eines lehren die jüngsten Zahlen: Wenn weit über die Hälfte der Kinder einen Migrationsanteil mitbringt, stellt sich bald die Frage, wer eigentlich wen wohin integrieren soll.