Hamburg. Nach Deutschland kommen immer mehr Flüchtlinge. Warum ist das in Dänemark anders?

Dänemark gilt den Deutschen als besonders sympathisches Land: Die Lebensqualität ist hoch, der Sozialstaat sehr großzügig, und die Menschen sind besonders glücklich. Oft gelten die Dänen als Vorbild für die deutsche Politik. Nur in der Flüchtlingspolitik verfolgt der Nachbar das glatte Gegenteil der deutschen Politik. Während hierzulande die Flüchtlingszuwanderung fast gottgegeben hingenommen wird und weiter steigt, haben die Dänen radikal umgesteuert.

Das zeigen die Zahlen: In den ersten fünf Monaten haben unsere nördlichen Nachbarn 1050 Asylbewerber gezählt, allein in Schleswig-Holstein waren es im ersten Halbjahr schon 4175 Menschen, in Hamburg 4034. Dabei hat das nördlichste Bundesland nur die Hälfte der Einwohner Dänemarks. Zugleich ist die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine mit 34.160 nur unwesentlich niedriger als im Norden. Mit rund 42.000 ukrainischen Zufluchtsuchenden liegen Hamburg und ganz Dänemark gleichauf.

In Österreich und Dänemark sinken die Flüchtlingszahlen

Das zeigt zweierlei: Die Flüchtlingsverteilung in Europa ist extrem ungerecht. Und das gern bemühte Argument, Zuwanderung ließe sich nicht steuern und Grenzschutz sei unmöglich, verliert jede Kraft. Wenn man es denn will, lassen sich die Asylbewerberzahlen sehr wohl senken. Auch Österreich beweist gerade, dass eine Asylwende möglich ist: Während hierzulande im ersten Halbjahr 162.271 Asylanträge gestellt wurden, ein Plus von 78 Prozent, sind die Zahlen in Österreich um 30 Prozent rückläufig.

Zur Wahrheit gehört: Mit einem freundlichen Gesicht sinken die Zahlen nicht, sondern nur mit einer restriktiven Politik. Österreich hat sein Ziel erreicht mit verschärften Grenzkontrollen, Blitzasylverfahren und verstärkten Abschiebungen. In Dänemark müssen sich abgelehnte Asylbewerber in sogenannten Rückkehrzentren aufhalten. Unsere Nachbarn schieben sogar nach Syrien ab. Wertsachen von Asylbewerbern werden bei der Einreise beschlagnahmt, um die Kosten ihrer Unterbringung zu decken.

Die dänischen Sozialdemokraten haben 2015 umgesteuert

Das alles sind Maßnahmen, die schmerzen und die einem weltoffenen Land eigentlich widersprechen. Aber es ist eine Politik, die die Dänen nicht aus Böswilligkeit, sondern aus der Erkenntnis ableiten, die der frühere Bundespräsident Joachim Gauck 2015 auf die Formel brachte: „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“ Jeder Arbeits-, jeder Wohnungsmarkt, jedes Bildungssystem, jede Infrastruktur kennt Grenzen des Wachstums.

In Dänemark ist es eine sozialdemokratische Regierung, die den harten Kurs verfolgt. Sie hat die Asylwende eingeleitet, als die rechtspopulistische Dänische Volkspartei 2015 plötzlich 21,1 Prozent der Stimmen errang – heute sind die Rechtspopulisten mit rund zwei Prozent statistisch kaum noch messbar. Die Dänen wissen, was der Ökonom Milton Friedman einst postulierte – man kann einen Sozialstaat haben oder offene Grenzen, beides aber sei auf die Dauer nicht möglich.

Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagt: „Wir müssen sicherstellen, dass nicht zu viele Menschen in unser Land kommen, sonst kann unser Zusammengehörigkeitsgefühl nicht existieren.“ Interessant dabei: Dänemark war bis in die Achtzigerjahre für Flüchtlinge deutlich aufnahmebereiter als Deutschland.

Heute ist die Bundesrepublik das letzte Land in Europa, dass eine sehr offene Einwanderungspolitik verfolgt – und damit automatisch mehr Menschen anzieht. Auf die Dauer kann diese Großzügigkeit nicht gut gehen. Wer das offen sagt, ist kein böser Mensch oder gleich ein Nazi – er könnte auch Sozialdemokrat aus Dänemark sein.