Hamburg. Deutschland steckt in der Krise – aber manche hysterischen Töne sind übertrieben und gefährlich.
Zahlen lügen nicht. Das bedeutet aber nicht, dass man mit Zahlen Wahrheiten aussprechen darf. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verwies darauf, dass es einen klaren statistischen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kinderarmut gebe.
So belegen alle Daten, dass die Zahl der armen deutschen Kinder kräftig gesunken ist, während die der armen ausländischen Kinder stieg. Im Dezember 2010 bekamen rund 305.064 Minderjährige ohne deutschen Pass Hartz IV beziehungsweise Bürgergeld, zwölf Jahre später rund 883.990. Das muss nicht verwundern und ist kein Skandal, sondern das erwartbare Ergebnis der Flüchtlingswellen. 270.000 Kinder stammen aus der Ukraine, 180.000 aus Syrien, fast 70.000 aus Afghanistan. So weit die Fakten.
Aus statistischen Fakten wird eine wütende Debatten
Aber Fakten reichen manchem für einen Skandal: Der Linken-Politiker Niema Movassat nannte die Äußerungen des FDP-Politikers „abgrundtief bösartig“ und „ekelhaft“. Katrin Göring-Eckardt, Koalitionspartnerin und bemüht, Lindner misszuverstehen, kritisierte, dass „einige“ in der FDP die Bekämpfung von Kinderarmut an die Herkunft der Eltern knüpfen wollten.
Und der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, donnerte: „Ich halte es für unsäglich, wenn der Finanzminister nun anfängt, arme Kinder aus Deutschland auszuspielen gegen die Kinder, die mit ihren Familien aus der Ukraine zu uns flüchten mussten.“ Viele Medien reagieren auf Lindner wie der Pawlowsche Hund und zitieren Verbandsvertreter, die vor Abscheu schäumen.
Die guten Nachrichten werden stets überlesen
Was in der medialen Empörung übersehen wird, ist eine gute Nachricht: Über Jahre ging die Zahl der von Sozialtransfers abhängigen deutschen Kinder zurück – und das in einer Zeit, in der wir aufgeregt über Kinderarmut und Kindergrundsicherung diskutierten. Wenn das Land nun ungerechter geworden ist oder ärmer, dann deshalb, weil es ein freundliches Gesicht gezeigt hat und viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Wie hätten es die Kritiker lieber: Wäre das Land gerechter, reicher, besser, hätte Deutschland die Grenzen geschlossen?
Das Beispiel zeigt, dass wir als Gesellschaft stets auf das Negative fokussiert sind. Oftmals steckt dahinter Kalkül: Wenn die Wirtschaftsverbände über Bürokratismus, Energiepreise oder Standortschwächen wehklagen, weiß ein jeder: Da geht es eben auch um knallharte Eigeninteressen.
Meckern ist oftmals auch Kalkül
Wenn aber Sozialverbände Kritik äußern, gilt ihre Klage stets als berechtigt: Alles wird schlechter, schlimmer, ungerechter – und wehe, auch nur einer wagt, das Schreckensgemälde aufzuhübschen. Es kann nicht sein, jede schrille Sirene gleich für die Melodie der Wahrheit zu halten. Natürlich muss sich eine demokratische Gesellschaft gegen Diskriminierung und Benachteiligung stellen. Wir dürfen die Probleme nicht schönreden – aber bitte auch nicht dramatisieren.
Nur bleibt den wachsenden Heerscharen von Anti-X-ismus-Beauftragten kaum etwas anderes übrig. Wer sich heute hauptamtlich etwa um Antirassismus, Antifaschismus, Antiziganismus, Antifeminismus, Antisexismus, Antimuslimismus, Antikolonialismus kümmert, steckt in einem Dilemma: Wer in der nächsten Förderrunde dabei sein möchte, muss die Wichtigkeit seines Tuns beweisen. Warnung und Zuspitzung werden so Teil des Geschäftsmodells.
Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten
Um in unserer Aufmerksamkeitsökonomie durchzudringen, muss die Botschaft fast zwangsläufig eine verheerende sein. Only bad news are good news – nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Die Menschen schauen lieber Armageddon als Alltag, klicken lieber die Zuspitzung als die Differenzierung.
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Von links wie rechts stimmen Parteien und Interessenverbände Weltuntergangsgesänge an. Um gegen die Klimakrise anzukommen, werden alle Lieder etwas garstiger, lauter, düsterer. Die Wirtschaftskrise wird zur Deindustrialisierung hochgejazzt, die Wärmewende zum zerstörerischen Heizhammer, jede neue Corona-Mutation zum Killervirus, die Inflation führt uns schnurstracks in die Massenarmut, und überall ertönt ein Wehklagen, wie schlimm, unsozial, rassistisch unser Land ist – oder eben schlimm, kriminell, überfremdet. Ob Linke oder AfD, sie eint die Botschaft: Der Niedergang ist nah!
Da darf man sich schon wundern, warum ausgerechnet dieses hässliche Deutschland für viele Menschen auf der Welt ein Hoffnungsland ist.