Hamburg. Auch wenn jetzt in der Relegation alles gegen den HSV spricht: Das Wochenende hat gezeigt, was im Fußball möglich ist.
Am Sonntag bekam ich um 17.32 Uhr eine Whatsapp-Nachricht von meiner Mutter. „Das war‘s also wieder?“, fragte sie mich, nachdem Heidenheim gerade in der neunten Minute der Nachspielzeit das 3:2 geschossen hatte und dem HSV auf die schmerzhafteste Art und Weise noch den Aufstieg entrissen hatte. Meine Antwort: „Jetzt Relegation. Aber nach diesem Drama hat der HSV keine Chance. Die Spieler sind mental zerstört.“ Ihr Konter: „Aber die mussten doch damit rechnen. Und gute Sportler kämpfen jetzt erst recht.“ Meine Mutter versteht zwar nicht viel von Fußball und guckt auch keine HSV-Spiele. Aber in einem Punkt hat sie recht: Es ist noch nicht vorbei.
Wenn dieses verrückte Fußballwochenende mit all seinen Last-minute-Dramen von Dortmund, Bayern, Osnabrück, dem HSV und Heidenheim wieder eines gezeigt hat, dann das: Im Fußball jubelt am Ende fast immer der, der bis zum Ende daran glaubt. Deswegen hat Heidenheim den Aufstieg auch mehr verdient als alle anderen. Seit Jahren zeigt dieser kleine Club immer wieder eindrucksvoll, was der Glaube im Fußball bewirken kann.
HSV-Spieler hörten von Heidenheims 3:2 in der Kabine im Radio
Nun fällt es tatsächlich schwer, daran zu glauben, dass der HSV nach diesem traumatischen Erlebnis von Sandhausen in der Relegation gegen den wiedererstarkten VfB Stuttgart eine Chance hat. Wie will Trainer Tim Walter in so kurzer seine Spieler wieder aufrichten, die sich nach dem Schlusspfiff wie ein Aufsteiger fühlten und dann in der Kabine im Radio hörten, wie Heidenheim noch das 3:2 schoss?
Doch genau das ist jetzt die Aufgabe. Walter verdient Respekt, wie er sich nur wenige Minuten danach vor die Kameras stellte und davon sprach, noch immer an die Chance in der Relegation zu glauben. Genau wie Kapitän Sebastian Schonlau. Es wäre nachvollziehbar gewesen, wenn sie in diesem Moment voller Frust und Wut andere Worte gewählt hätten. Doch sie sprachen so wie die Sportler, die meine Mutter mit ihrer Nachricht gemeint hat.
HSV hätte den Aufstieg mit 66 Punkten verdient
Wenn Walter in seinen zwei Jahren beim HSV eines geschafft hat, dann ist es den Glauben zu vermitteln, Rückschläge wegzustecken und wieder aufzustehen. Mit 66 Punkten hätte es seine Mannschaft in dieser Saison verdient gehabt, direkt aufzusteigen. Es ist eine Bilanz, die in den vergangenen fünf Jahren immer zu Platz eins oder zwei gereicht hätte. In dieser Saison gab es aber eben zwei Mannschaften, die mehr Punkte geholt haben.
Zur Wahrheit gehört auch, dass der HSV ein paar vermeidbare Punktverluste zu viel dabei hatte. Man erinnert sich zudem an die mitunter großkotzigen Sprüche von Walter, unter anderem nach der 0:3-Niederlage beim FC St. Pauli, als Walter zum damaligen Trainer Timo Schultz sagte: „Einmal sehen wir uns noch. Nur noch einmal.“ Aber man sieht sich im Leben eben immer zweimal. Und am Ende kriegt man fast immer das – Verzeihung für diese Phrasen –, was man verdient.
Natürlich kann man darüber streiten, ob der FC Bayern nach dieser unrühmlichen Chaossaison verdient auf Platz eins steht. Aber wenn Borussia Dortmund gegen Mainz 05 nicht schafft, die Meisterschaft mit einem Heimsieg zu sichern, hat der Club die Schale auch nicht verdient.
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Ganz sicher verdient hätten den Aufstieg die HSV-Fans des HSV, die am Sonntag so bittere Momente erlebten und trotz der hohen Ticketpreise im Volksparkstadion auch am Montag wieder dabei sind, wenn der HSV im Rückspiel der Relegation um die letzte Chance spielt, doch noch aufzusteigen. Und auch meine Mutter weiß: Die Hoffnung des HSV ist es, dass kaum noch einer an den Aufstieg glaubt. Nur der Trainer und die Mannschaft, die sollten das bis zum Ende tun.