Berlin. Der Erfolgsregisseur über seinen Film „Der Spitzname“ - und über seinen eigenen Namen und welche Erwartungen daran geknüpft sind.
„Der Vorname“ war 2018 noch das Remake eines französischen Kinohits, der ganz auf deutsche Verhältnisse umgemünzt wurde. Und ebenfalls zum Hit wurde. So erfolgreich, dass es 2022 eine Fortsetzung gab, „Der Nachname“. Aus dem Nachgemachten wurde etwas genuin Eigenes. Und jetzt kommt mit „Der Spitzname“ bereits ein dritter Teil ins Kino, der wieder dasselbe Spitzenensemble zusammenführt. Regie führte bei allen Teilen Sönke Wortmann, der mit Filmen wie „Der bewegte Mann“, „Das Wunder von Bern“ oder „Die Päpstin“ von jeher für Erfolgsproduktionen steht, sich in letzter Zeit aber eher mit kleineren Kammerspielen hervorgetan hat - die nicht weniger erfolgreich waren. Wir haben mit dem 65-Jährigen gesprochen.
Erst „Der Vor-“, dann „Der Nach-“, jetzt „Der Spitzname“. Es ist beeindruckend, wie sich das zu einer Reihe entwickelt hat. Der erste Teil war ja noch eine Adaption eines französischen Films, der selbst auf einem Theaterstück basierte. Die beiden Folgefilme hingegen sind ganz eigene Werke. Das ist eine interessante Entwicklung.
Das war tatsächlich eine spannende Reise. Aber ich betone immer, dass Film ein Gemeinschaftsprojekt ist. Ohne unser fantastisches Team wäre das nicht möglich gewesen. Natürlich freut es mich, dass wir nach „Der Vorname“ etwas Eigenes schaffen konnten. Aber letztlich ist es immer eine Teamleistung, von den Drehbuchautoren bis hin zu den Schauspielern.
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Das deutsche Kino wird oft kritisiert, dass es nur Remakes oder Adaptionen macht. „Der Vorname“ war zwar eine Adaption, aber Sie haben gezeigt, dass daraus auch etwas Eigenständiges entstehen kann. Sehen Sie das auch als eine Art Statement?
Das trifft es sehr gut. „Der Vorname“ war in der Tat ein großer Erfolg, und das hat natürlich die Idee beflügelt, die Geschichte weiterzuerzählen. Es war der Produzent, der die Idee für eine Fortsetzung ins Spiel brachte. Dann kam unser Drehbuchautor Claudius Pläging dazu, und es wurde eine Geschichte entwickelt. Ich muss ehrlich sagen, ich bin bei solchen Ideen anfangs immer skeptisch. Aber als ich das Drehbuch gelesen habe, war ich überzeugt, dass die Geschichte funktioniert. Beim dritten Teil, „Der Spitzname“, war es ähnlich: Der Erfolg von „Der Nachname“ hat uns ermutigt, noch einmal anzusetzen. Wieder hatte ich meine Zweifel, ob das klappen könnte. Aber das Drehbuch war erneut stark. Was ich besonders schön finde, ist, dass wir mit „Der Nachname“ und „Der Spitzname“ eigenständige Geschichten geschaffen haben, die nicht mehr auf einer Vorlage basieren. Und dass die Franzosen, die das Original ja entwickelt hatten, sehr zufrieden mit unserer Weiterentwicklung waren.
Das könnte sich theoretisch ja auch umkehren: Dass die Franzosen eines Tages „Der Nachname“ oder „Der Spitzname“ adaptieren?
Das wäre in der Tat eine lustige Wendung! Vielen Dank, Sie bringen mich da auf eine Idee. Vielleicht sollten wir ihnen das einfach mal vorschlagen. Es wäre auf jeden Fall eine Anerkennung unserer Arbeit, wenn so etwas passieren würde.
Nach drei Filmen mit dieser dysfunktionalen Familie stellt sich natürlich die Frage: Ist die Geschichte jetzt abgeschlossen, oder könnte es noch einen vierten Teil geben? Vielleicht „Der Codename“?
Ehrlich gesagt, glaube ich, dass mit dem dritten Teil der Abschluss gefunden ist. Aber nach „Der Nachname“ konnte ich mir auch keinen weiteren Teil vorstellen. Ich will es nicht komplett ausschließen, aber aktuell sehe ich keinen vierten Teil.
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Ihre letzten Filme wie „Frau Müller muss weg“ und „Eine geschlossene Gesellschaft“ drehten sich rund um die Schule, mal aus Eltern-, mal aus Lehrerperspektive. Sie hatten mal die Idee, auch da einen dritten Teil zu machen – diesmal aus Sicht der Schüler. Wie steht es um dieses Projekt?
Das Projekt existiert noch, aber momentan tritt es ein wenig auf der Stelle. Das ist in der Entwicklungsphase aber ganz normal. Ich habe oft mehrere Projekte gleichzeitig in der Pipeline, und manchmal merkt man im Laufe der Arbeit, dass eine Geschichte vielleicht doch nicht trägt. Aber die Idee eines Abiturfilms ist noch nicht vom Tisch. Es könnte aber auch sein, dass ein ganz anderes Projekt früher so weit ist.
Für „Der Spitzname“ haben Sie erneut den gesamten prominenten Spitzencast zusammengebracht. Das stelle ich mir logistisch unglaublich schwierig vor, gerade bei diesen Stars, die so viel drehen. Wie haben Sie das geschafft?
Das war tatsächlich eine Herausforderung. Etwa ein Jahr im Voraus haben wir uns zusammengesetzt und die Terminpläne aller Hauptdarsteller übereinandergelegt. So haben wir einen Zeitraum gefunden, in dem alle gleichzeitig verfügbar waren. Das war von Mitte Februar bis Ende März – perfekt für einen Winterfilm. Und ich muss sagen, der Winter und die Schneekulisse haben dem Film dann auch eine ganz eigene Atmosphäre verliehen. Wir haben in Osttirol gedreht, in einem wunderschönen Hotel. Diese Umgebung hat uns auch kreativ inspiriert.
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Gab es zu dem Zeitpunkt eigentlich schon ein fertiges Drehbuch, oder war das Vertrauen in Sie als Regisseur der ausschlaggebende Punkt?
Es war eine Mischung aus beidem. Einerseits war das Vertrauen in mich sicherlich ein Faktor. Andererseits gibt es auch unter den Schauspielern eine starke gegenseitige Wertschätzung. Christoph Maria Herbst etwa freut sich immer darauf, wieder mit Caroline Peters zu drehen, und umgekehrt. Das Gesamtpaket stimmt einfach. Und natürlich spielen auch finanzielle Aspekte eine Rolle – am Ende des Tages werden ja alle für ihre Arbeit auch bezahlt.
Im Film geht es nicht nur um Spitznamen, sondern auch um gesellschaftliche Reizthemen wie Gendern, Wokeness und Political Correctness. Das spaltet gerade die Gesellschaft. Ist es gerade deshalb wichtig, diese Themen auch einmal humorvoll anzugehen?
Ja, absolut. Während der Dreharbeiten habe ich den Begriff „Whataboutism“ gelernt – das beschreibt, wie ein Problem oft gegen ein anderes aufgerechnet wird. Ein typischer Satz wäre: „Haben wir keine größeren Probleme als Gendern?“ Natürlich gibt es größere Probleme. Aber das Thema Gendern ist trotzdem relevant und polarisiert. Es wird Zeit, dass wir auch darüber lachen können. Humor kann helfen, den Druck aus der Diskussion zu nehmen und die Absurdität mancher Streitigkeiten aufzuzeigen.
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Ihre letzten Filme haben oft auf engem Raum gespielt – sei es in einem Lehrerzimmer, einer Wohnung oder, wie jetzt, in einem Hotel. Reizt es Sie besonders, Geschichten in solchen Settings zu erzählen?
Ja, das ist tatsächlich etwas, das mich sehr fasziniert. Ich liebe es, mit Schauspielern zu arbeiten, und finde, Sprache und Dialoge sind unglaublich wichtig. Wenn ein Film auf engem Raum spielt, rückt der Dialog noch stärker in den Fokus. Das macht die Schauspielerarbeit umso intensiver - und ist genau das, was mir an meinem Beruf am meisten Spaß macht.
Gibt es bei solchen intensiven Drehs auf engem Raum nicht auch die Gefahr von Spannungen im Team? Die berüchtigten gruppendynamischen Prozesse?
Die Gefahr besteht immer, aber bei uns war das nicht der Fall. Das Team kennt sich gut, viele arbeiten seit Jahren miteinander. Das sorgt für eine angenehme und produktive Atmosphäre. Und ich denke, die Arbeit des Regisseurs ist es auch, schon im Voraus darauf zu achten, dass das Ensemble harmoniert. Dass eben nicht einer denkt, er sei wichtiger als der andere. Das fängt beim Casting an, und dafür habe ich immer ein gutes Händchen gehabt. So entstehen keine unnötigen Konflikte.
Sind Sie jetzt auf Kammerspiele abonniert oder wird es auch mal wieder einen ganz großen Film geben
Gute Frage! Ich habe tatsächlich große Lust, mich mal wieder an einem größeren Projekt zu versuchen. Es muss nicht gleich ein riesiger Historienfilm wie „Das Wunder von Bern“ oder „Die Päpstin“ sein, aber ein Film mit etwas mehr Schauwerten wäre schön.
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Bei „Vor-“, „Nach-“ und „Spitzname“ geht es auch noch um einen anderen, nämlich um Ihren Namen. Seit „Der bewegte Mann“ und „Das Wunder von Bern“ gelten Sie als Erfolgsregisseur. Wie groß ist da eigentlich der Erwartungsdruck? Oder ist man da im Lauf der Jahre etwas entspannter?
Ich bin jedenfalls viel entspannter geworden. Den definitiv größten Druck habe ich zu Beginn meiner Karriere empfunden. Als junger Regisseur hat man oft nur wenige Chancen. Wenn die ersten zwei Filme keiner gesehen hat, ist die Chance, dass man noch einen dritten machen darf, sehr gering, zumindest im Kinobereich. Da hatte ich schon Riesenglück, dass „Der bewegte Mann“ so durch die Decke ging. Da kann ich befreit aufspielen, wie man im Fußball sagt. Und schon mal Fehler machen und einen Film drehen, der nicht funktioniert. Das ist mir auch schon zwei Mal passiert, aber zum Glück waren .die Erfolge dann doch deutlich in der Mehrzahl.