Berlin. „Entführen für Anfänger“ ist bereits ihr dritter „Anfänger“-Film. Das Paar über gemeinsame Dreharbeiten und die Krux an ihrem Beruf.

Sie sind ein Paar seit über einem Vierteljahrhundert. Und die Schauspieler Andrea Sawatzki und Christian Berkel haben auch schon zusammen vor der Kamera gestanden, in „Das Experiment“ etwa oder „Der andere Junge“. Aber seit 2020 haben sie eine eigene Fernsehreihe, die wohl einmalig ist: Sie spielen immer wieder andere Charaktere unter wechselnden Regisseuren. „Entführen für Anfänger“ , der am 27. Dezember in der ARD ausgestrahlt wird, ist nun schon der dritte Film, nach „Scheidung für Anfänger“ (2019) und „Sportabzeichen für Anfänger“ (2021). Im neuen Film entführt ein Angestellter (Berkel) erst die Frau (Sawatzki) seines Chefs, als dieser aber nicht zahlen will, machen sie gemeinsame Sache. Wir haben das promintente Paar dazu befragt. Das ging nur über Zoom - weil sie gerade schon den vierten Film „Berühmt sein für Anfänger“ drehen.

Jetzt kommt Ihr dritter „Anfänger“-Film ins Fernsehen, der nächste wird schon gedreht. Als Anfänger sind Sie damit schon im Fortgeschrittenen-Stadium?

Andrea Sawatzki: Das kann man so sagen, ja.

Christian Berkel: Wir sind im Thema.

Die Filmreihe ist ziemlich beispiellos. Ich kenne keine, bei der dieselben Schauspieler immer wieder in anderen Rollen zu sehen sind.

Sawatzki: Ja, das ist ziemlich außergewöhnlich. Nach dem ersten Film haben wir überlegt, ob man weitermachen könnte. Wir hatten aber alle nicht richtig Lust auf eine herkömmliche Serie. Und dann kam unser Degeto-Redakteur mit der Idee: Lasst uns doch was machen, wo ihr in jedem Film andere Figuren spielt.

Berkel: Und da hat er bei uns natürlich offene Türen eingerannt. Darüber freut sich doch jeder Schauspieler, so viele verschiedene Figuren wie möglich spielen zu dürfen.

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Entführen für Anfänger
In „Entführen für Anfänger“ machen der Entführer (Christian Berkel) und die Entführte (Andrea Sawatzki) bald gemeinsame Sache. © ARD | Degeto Film/Silviu Guiman

Es sind nicht nur immer neue Figuren, sondern immer auch andere Drehbuchautoren und Regisseure. So bleibt das immer frisch?

Berkel: Genau. Und nicht nur das. Die drei ersten Filme waren alle Komödien. Und der, den wir jetzt drehen, ist es auch. Das muss aber nicht zwanghaft so sein. „Entführen für Anfänger“ ist ja auch eigentlich eine Mischung. Eine Komödie, aber mit Krimielementen. Das finden wir am tollsten: Eine ernste Ausgangssituation, die aber durch die Perspektive der Komödie anders erzählt wird.

Werden Ihnen diese Drehbücher auf den Leib geschrieben oder haben Sie selbst Anteil daran? Sie sind beide längst auch unter die Autoren gegangen.

Sawatzki: Nein. Wir sind nur in der Anfangsphase dabei, was schon ein großer Luxus ist. Wir sprechen immer verschiedene Ideen durch. Vor diesem Film gab es etwa zehn Vorschläge von uns allen, die dann bedacht und überarbeitet wurden. Auch für den nächsten Film haben wir schon eine Auswahl getroffen. Am Ende kommt man zu zwei, drei Ideen, die alle gut finden.

Berkel: Die letzte Entscheidung liegt aber beim Autor, was wir auch richtig und wichtig finden. Gerade weil wir selbst schreiben, wissen wir: Es ist niemandem geholfen, wenn man jemanden ein Thema aufzwingt, das für die- oder denjenigen nicht richtig ist. Die Autoren müssen ja einen emotionalen Zugang, müssen Lust auf die Geschichte haben.

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Das Schauspielerehepaar 2019 in ihrem ersten „Anfänger“-Film „Scheidung für Anfänger.“
Das Schauspielerehepaar 2019 in ihrem ersten „Anfänger“-Film „Scheidung für Anfänger.“ © © ARD Degeto | Christoph Assmann

In Ihren Anfänger-Filmen lassen Sie sich scheiden, triezen sich beim Sport, jetzt entführen Sie sich auch noch. Lauter Sachen, die einen eher entzweien. Schweißt das gerade zusammen, wenn man so was dreht?

Berkel: Das ist das Prinzip der Buddy-Komödie: das sogenannte Odd Couple. Zwei Menschen, die anfangs überhaupt nicht zueinander passen - das ist immer eine wunderbare Ausgangssituation. Wenn zwei sich von Anfang an verstehen, ist es recht schwer, daraus eine Komödie zu machen.

Sawatzki: Diese Figuren sind sich erst mal überhaupt nicht grün. Wie sie dann doch zusammenkommen, das ist das Geheimnis dieser Geschichten. Und der Reiz, auch für uns, zum Spielen.

Sehr hübsch ist, wenn sich Ihre Filmfiguren im Hotel unter anonymen Namen anmelden und sich Sawatzki und Berkel nennen. Ist das dann auch das Spiel mit der der eigenen Persona?

Berkel: Nein, die Idee kam von dem Autor. Wir haben uns erst so angeguckt…

Sawatzki: … Wir dachten, das ist vielleicht ein bisschen dicke. Aber wir haben uns überreden lassen.

Berkel: Und im Nachhinein ist die Szene auch okay. So ein bisschen Selbstironie tut gut.

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Andrea Sawatzki und Christian Berkel
Bei diesem Film lernten sie sich kennen: Andrea Sawatzki und Christian Berkel 1988 im ZDF-Film „Tod auf Amrum“. © picture-alliance / dpa | Fotoreport

Wie ist das überhaupt, als Ehepaar zusammen vor der Kamera zu stehen? Begegnet man sich da noch mal neu? Muss man sich da vorher erst einen Freiraum schaffen? Oder diskutiert man schon alles am Frühstückstisch?

Berkel: Nein, da sitzen wir ja dann gerade nicht.

Sawatzki: Wenn wir außerhalb von Berlin drehen, nehmen wir immer getrennte Zimmer. Um einen Freiraum zu haben. Und uns beim Drehen überraschen zu können. Wie wir spielen, das machen wir mit dem Regisseur aus, auf keinen Fall untereinander. Das würde sonst auch den Teamgeist sprengen. Man kann da nicht als Paar hingehen, wir kommen an wie andere Schauspieler. Das ist ganz wichtig für mich. Ich muss schon Privatsphäre haben. So mache ich das immer. Und Christian sieht es genauso.

Berkel: Letztlich ist das genauso, wie wenn man mit einem Kollegen oder einer Kollegin schon öfter gedreht hat und sich ein bisschen kennt. Das hat viele Vorteile. Weil man sich da schnell findet und verständigt. Wenn man das erste Mal miteinander arbeitet, muss eine gemeinsame Sprache erst gefunden werden.

Mit anderen müssen Sie erst eine Nähe erzeugen. Bei Ihnen ist es eher andersrum?

Sawatzki: Genau, wir müssen Distanz erzeugen.

Berkel: Aber man muss halt immer etwas erzeugen. Entweder das eine oder das andere- Ich könnte auch gar nicht sagen, was einfacher ist.

Sawatzki: Es ist auf keinen Fall einfacher.

Andrea Sawatzki und Christian Berkel mit ihren Kindern
Sawatzki und Berkel 2003 mit ihren Kindern Moritz (l.) und Bruno. © picture-alliance/ dpa | XAMAX

Muss man bei Dreharbeiten eigentlich darauf achten, dass man sich nicht zu sehr als Paar abkapselt, damit der Teamgeist stimmt?

Berkel: Also so symbiotisch sind wir nicht. (beide schmunzeln).

Sawatzki: Wir sind ja auch nicht erst seit einer Woche zusammen.

Berkel: Die Frage ist natürlich berechtigt. Das wäre schon ein Problem, wenn‘s so wäre.

Sawatzki: Das ist vielleicht auch eine Angst, die ein Team erst mal vor uns hat. Aber so geben wir uns auf keinen Fall.

Berkel: So halten wir das auch privat. Bei unseren Kindern etwa haben wir auch immer sehr darauf geachtet, dass jeder seine Position hat. Die kann mal ähnlich, mal unterschiedlich sein. Aber es wäre ja furchtbar für alle Beteiligte, wenn zwei Leute da als Block auftreten. Das wäre ein Betonklotz für jeden Dreh.

Vor Ihren Anfänger-Filmen gab es nicht viele Filme, die Sie gemeinsam gedreht haben. Hat man Sie nicht gefragt, oder wollten Sie das früher gar nicht?

Sawatzki: Na, ein paar haben wir ja schon gemacht. Man hat uns auch ab und zu gefragt. Aber oftmals waren das eher eintönige Geschichten, auf die wir einfach keine Lust haben. Wo den Leuten nicht sowas eingefallen ist wie jetzt bei „Entführen für Anfänger“. Es gibt auch Filme, in denen wir beide mitwirken, aber uns nicht unbedingt begegnen. Das finde ich auch immer reizvoll. Aber sooo viele Anfragen gibt es auch gar nicht.

Berkel: Und oft sind die auch spekulativ, wo man das auch ganz anders besetzen könnte und das Paar nur gewisse Promotion-Vorteile bringen soll. Wenn das der einzige Grund ist, reicht uns das definitiv nicht. Das wäre auch den Zuschauern gegenüber blöd. Das würden die ja merken. Die Rechnung ginge nicht auf.

Dias Paar 2021 in „Sportabzeichen für Anfänger“.
Dias Paar 2021 in „Sportabzeichen für Anfänger“. © ARD Degeto/Stephan Rabold | ARD

Sie haben sich 1998 bei Dreharbeiten kennengelernt, zu „Tod auf Amrum“. Wie war das damals, wenn ich fragen darf? Haben Sie das geheim gehalten? Geht das überhaupt?

Berkel: Daher kommt ja unsere Regel, woanders getrennte Hotels zu nehmen. Die Idee ist dort entstanden, da hatten wir das so. Wenn man frisch zusammenkommt, passiert es schnell, dass man nur noch zusammengluckt. Das war ein paar Tage vielleicht auch so, aber wir haben beide schnell gemerkt, dass das schlecht ist.

Sawatzki: Wir haben das eher geheim gehalten. Und dachten, dass es keiner mitkriegt. Natürlich haben die es trotzdem mitgekriegt.

Berkel: Es war auf einer Insel. Auf einer Insel bleibt nichts geheim.

Sawatzki: Es gab auch nur eine Disco. Da waren immer irgendwelche Spitzel, die mehr wussten und das gleich weitergetragen haben.

Berkel: Da haben wir schnell gemerkt, dass man Distanz braucht. Wenn man frisch verliebt ist, ist das sicher noch schwieriger. Aber das haben wir damals auch hingekriegt. Man braucht Distanz für die Arbeit.

Die Ziege oder Wer Ist Sylvia?
Auch auf der Bühne standen sie gemeinsam: 2004 in Edward Albees „Die Ziege oder Wer Ist Sylvia?“ im Berliner Renaissance-Theater. © picture-alliance / | Pa

Ihr nächster Film heißt“ Berühmt sein für Anfänger“. Geschieden oder entführt sind Sie nicht, berühmt schon. Was würden Sie Schauspieler-Anfängern zum Beginn ihrer Karriere raten?

Sawatzki: Immer weitermachen, sich nicht zurückwerfen lassen durch Enttäuschungen oder Absagen. Aber das gilt gar nicht nur für den Anfang, sondern bis ins Alter. Es gibt immer wieder Phasen, wo man keine Anfragen bekommt und das Gefühl hat, die haben einen vergessen. Wenn man das nicht durchsteht, wird‘s bitter. Und ich sehe so viele junge Talente, die von großartigen Schauspielschulen kommen und viel Talent haben, aber keine Engagements finden. Das ist härter als bei uns früher. Wenn man damals diesen Beruf ausüben wollte, bekam man immer einen Anfängervertrag. Nicht gleich bei den Kammerspielen, aber man konnte nach Celle, Trier oder wie ich nach Wilhelmshaven. Heute ist das wirklich schwer, weil die Situation an Theatern momentan so bizarr ist. Da muss man einfach durchhalten, sich wieder und wieder bewerben und über seinen Schatten springen, auch wenn‘s noch so schmerzhaft ist.

Berkel: Außer im künstlerischen Bereich gibt es wohl nicht viele Berufe, wo man plötzlich eine solche Durststrecke haben kann. Das muss gar nicht nur an den anderen liegen, dass kann auch mit einem selbst zu tun haben. Aber dann kann auch plötzlich das Telefon klingeln und es kommt ein ganz verlockendes Angebot. Das ist die Krux und der Reiz des Berufs. Immer beides. Aber da Sie von Berühmtsein sprachen: Das hat mich nie umgetrieben. Ich wollte große Rollen spielen, das ja, am Theater und im Film. Diesen Willen braucht man auch, um dahin zu kommen. Aber ich wollte das nicht, um berühmt zu sein, sondern weil ich so arbeiten und mich ausdrücken wollte. Egal ob man spielt oder schreibt: Das sind Ausdrucksberufe. Dafür braucht man Leidenschaft. Aber auch, wie Andrea gesagt hat, Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, Enttäuschungen auszuhalten. Das ist ein großer Teil dieses Berufs. Talent allein reicht nicht.

Berlinale 2024 - Eröffnung
Als Paar stehen sie auch immer in der Öffentlichkeit: Hier als Gäste bei der Eröffnung derBerlinale 2024. © picture alliance/dpa | Gerald Matzka

Wenn man so bekannt ist wie Sie, hat das auch Nachteile? Werden Sie oft erkannt und auf der Straße angesprochen?

Sawatzki: Man wird schon erkannt und angesprochen, muss auch Fotos machen. Wenn das morgens um sieben am Flughafen ist, wenn man nach einem Nachtdreh fertig und ungeschminkt oder nicht gerade vorteilhaft aussieht, ist das nicht so mein Ding. Aber ansonsten gehört das dazu.

Berkel: Es gibt ja Kollegen, die tun immer so, als sei es ganz furchtbar, wenn man immer erkannt wird. Ach Leute! Es hat euch ja keiner gezwungen, in den Beruf zu gehen. Und man wird auch nicht Schauspieler mit dem Ziel, bloß nicht erkannt zu werden. Insofern finde ich es schon ein bisschen befremdlich, wenn da gejammert wird.

„Entführen für Anfänger“: ARD, 27.12., 20.15 Uhr. Bereits ab 25.12. in der Mediathek.