Hamburg. „Kampf der Künste“ lud Comedians in die Elbphilharmonie ein. Ein Abend mit Penisbildern, Furzwitzen und linksradikalem Schlager.

„Viele Leute denken ja, das sei eine Klassik-Location“, sagt Moderator Sebastian 23, „aber ich habe die Elbphilharmonie von Anfang an als Comedy-Location wahrgenommen.“ Immerhin habe nur wenige Wochen nach Eröffnung des millionenschweren Konzerthauses die Band Einstürzende Neubauten dort gespielt.

Der Große Saal ist ausverkauft. Das Publikum – deutlich jünger als bei übrigen Veranstaltungen in der Elbphilharmonie – ist am Mittwoch in den Konzertsaal geströmt. Ausgerichtet wird der Stand-up-Abend von „Kampf der Künste“, sonst vor allem für Poetry-Slams bekannt.

Stand-up in der Elbphilharmonie: „Weißt du, was ein Dickpic ist?“

Den Anfang macht Quichotte, der mit Postboten-Anekdoten und der besonderen Form seines Stuhlgangs („schlafender Hund“ – oder doch Katze?) dem Publikum einige Lacher entlockt. Politischer wird es, als er von seinen Söhnen erzählt, die gern Kleider mit Einhorn-Print tragen oder im Kindergarten lautstark den Song „Linksradikaler Schlager“ der Hamburger Band Swiss und die Andern trällern. Quichotte stimmt selbst ein, schließlich ist die Elbphilharmonie immer noch ein Konzerthaus: „Das ist links-, linksradikaler Schlager, schmeißen Steine auf die Bull‘n für gutes Karma.“

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Comedienne Ana Lucía zeigt vollen Körpereinsatz bei ihrem Auftritt in der Elbphilharmonie. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Postboten sind (leider oder zum Glück?) nicht im Saal, wie Sebastian 23 in Erfahrung bringt, nur ein Polizist entlarvt sich selbst im Publikum. Steine fliegen keine. Stattdessen hüpft Ana Lucía über die Bühne. Die 26-Jährige kokettiert mit ihrer Depression, Minderwertigkeitskomplexen bei gleichzeitigem Perfektionismus und ihrer Migrationsgeschichte („Das Gute daran, dass man seine Familie nur alle drei Jahre sieht? Dass man seine Familie nur alle drei Jahre sieht!“). Gelingt eine Punchline, krönt sie das mit einem hinreißenden Knicks.

Quichotte, Ana Lucía und Osan Yaran in der Elbphilharmonie

Für die obligatorischen Pups- und Pimmelwitze sorgt daraufhin Osan Yaran. Das Publikum genießt diese mit lautem Applaus. Überraschung des Abends ist Wildcard Freddy Ekué – bürgerlich Ekué Frederic Ekouezoun –, der als Nachwuchs aus Hunderten von Einsendungen ausgewählt wurde. Ekué, eigentlich Model von Beruf, macht seit einem Jahr Stand-up. Er erzählt pointiert, wie ihm am Hamburger Hauptbahnhof sein Fahrrad geklaut wurde (und erntet zunächst wenig Mitleid).

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Stand-up-Nachwuchs Freddy Ekué begeistert in der Elbphilharmonie mit seiner Authentizität. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Nur sechs Minuten bekommt der Newcomer, und es wäre ob seines Talents fürs „Gehen“, wie er es nennt, sowohl für die Laufstege der Welt als auch die Stand-up-Bühnen Deutschlands ein Verlust, müsste er sich für nur einen der beiden Karrierewege entscheiden. Vom Blatt liest an diesem Abend nur Poetry-Slammer Noah Klaus. Er prangert erst witzig, dann gesellschaftskritisch den Lehrkräftemangel an. Ein solider Text, wenn man Poetry-Slam mag.

Maria Clara Groppler erklärt das weibliche Pendant zum Dickpic

Routiniert bringt dann Maria Clara Groppler, Nina-Chuba-Double der ersten Stunde, Auszüge aus ihrem Solo-Debüt „Jungfrau“ auf die Bühne. Das neue Programm „Mehrjungfrau“ ist längst fertig, verraten wird davon nichts. Kurz überkommt einen die Fremdscham, als eine Zuschauerin ihrer Begleitung, dem eigenen Vater, auf Gropplers Geheiß erklären soll, was ein „Dickpic“ sei. Alles für den Gag. Denn, was ist das weibliche Pendant dazu, ein Dickpic zu verschicken? „Eine 17-minütige Sprachnachricht“, so Groppler.

Weiter geht es mit Jan van Weyde. Der Comedian überzeugt mit Dialekten, seinem Evergreen als Synchronsprecher für Fernsehkoch Jamie Oliver, als Imitator von unterschiedlichen Lach-Stilen und durch die beeindruckende Fähigkeit, sich wie Figuren aus der Augsburger Puppenkiste auf einen Stuhl plumpsen zu lassen.

Poetry-Slam in der Elbphilharmonie: Jan van Weyde zaubert Jamie Oliver in die Elbphilharmonie

Als Letzter an diesem Abend betritt Fabi Rommel die Bühne: der Wahlberliner aus dem Schwarzwald mit der monotonen Stimmlage und der leicht verpeilten Art. Es sei kein leichter Job, um kurz vor 23 Uhr ein Publikum zu unterhalten, das bestimmt am nächsten Morgen um 6 Uhr einen Termin bei Airbus auf Finkenwerder hat, wie Rommel mutmaßt.

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Und tatsächlich verlassen schon vor dem Schlussapplaus die ersten Besucherinnen und Besucher den Saal. Auf seine vorgetragenen Erlebnisse in Airbnb-Wohnungen oder seinen Versuch, einen vermeintlichen Einbrecher in die Flucht zu schlagen, dürfte dies allerdings nicht zurückfallen. Es ist mit insgesamt neun Künstlerinnen und Künstlern auf der Bühne ein abwechslungsreicher, aber auch sehr langer Abend in der Elbphilharmonie. Lang, nicht langweilig.