Hamburg. Die Geigerin Isabelle Faust, der Bratschist Antoine Tamestit und Freunde geben ein unvergessliches Kammerkonzert mit Werken von Schubert.
Antoine Tamestit kommt neuerdings öfter nach Hamburg. Der Franzose mit der Stradivari-Bratsche ist diese Saison nicht nur Artist in Residence beim NDR Elbphilharmonie Orchester. Er tut auch, was große Solisten tun, wenn man sie lässt, und spielt Kammermusik. An diesem Abend ist er mit einer Bande Gleichgesinnter zu Gast im Kleinen Saal der Laeiszhalle, nämlich mit den Geigerinnen Isabelle Faust und Anne Katharina Schreiber sowie den Cellisten Jean-Guihen Queyras und Christian Poltéra. Auf dem Programm steht Schubert, der Saal ist brechend voll.
„Kammermusik in der Laeiszhalle“ hat die Elbphilharmonie die Reihe getauft. Das klingt nüchtern-unspektakulär, aber es verspricht Freundinnen und Freunden der kleinen, feinen Form Konzerterlebnisse, bei denen es um ebendiese Musik geht und um nichts anderes.
Laeiszhalle Hamburg: Bei Schuberts Kammermusik zählt nur die Hingabe
Selten ist kollektive Aufmerksamkeit so spürbar – ach, nennen wir sie doch gleich Ergriffenheit. Die fünf bescheren ihrem Publikum nichts Geringeres als eine Sternstunde. Das wird gleich zu Beginn des späten Quartetts G-Dur D 887 deutlich. Hauchzart und fahl hat der erste Akkord begonnen, hat sich im Nu ins Fortissimo gesteigert und ist dabei mal eben von Dur in Moll umgeschlagen. Nun tasten sich die Instrumente mit kleinen Einwürfen durch das große Schubert’sche Rätsel, da setzt über einem fast unhörbaren Tremolo die erste Geige ein. Mit mürbem, fast brüchigem Klang nähert sich Isabelle Faust der ersten wirklichen Melodie des Satzes an, lässt sie kurz aufblühen. Hier präsentiert sich nicht die Stargeigerin in all ihrer solistischen Potenz, sondern ein Mensch, wie er fragt, staunt, zweifelt.
Laeiszhalle Hamburg: Die Seelenreise durch Schuberts Musik spielt sich im Reich des Pianissimo ab
Vielleicht ist die Hingabe der Beteiligten das Beglückendste an diesem Abend. Keine Eitelkeit, nirgends. Niemand muss ausstellen, was er oder sie für einen tollen Klang hat. Die Seelenreise durch das Quartett – Schubert schrieb es 1826, gezeichnet von Syphilis und gequält von Todesangst – spielt sich im Reich des Pianissimo ab, atmend und von betörender Farbigkeit. Zum obertonreichen Klang trägt noch bei, dass sie auf Darmsaiten spielen, einen tieferen Stimmton gewählt haben und das Vibrato sehr gezielt dosieren.
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Nach der Pause kommt Poltéra für das C-Dur-Streichquintett dazu, Schuberts letztes großes Werk. Es ist dem G-Dur-Quartett schmerzlich nah in seinen jähen Wechseln zwischen Verzweiflungsausbrüchen und einem melodischen Schmelz, in dem immer mal von ferne eine Heurigenseligkeit aufscheint. Zwischen diesen Polen liegt Schuberts Seele, liegt die ganze Welt. Die fünf finden dafür einen Ton voller Wärme, Respekt und Tiefe. Unvergesslich.
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