Hamburg. Eine Lehrerin oder einen Lehrer für ein Instrument zu finden, ist gar nicht so einfach. Die Gründe für den Mangel. Und Tipps für die Suche.
Musizieren macht Spaß und ist gesund, es macht schlau, sozial und überhaupt glücklich. So geht das gängige, geringfügig vereinfachende Loblied. Kinder und Eltern freut‘s, in unterschiedlicher Ausprägung. Nur: woher nehmen, das Zaubermittel? Musizieren braucht Anleitung. Eine Lehrerin oder einen Lehrer für beliebte Instrumente, etwa Klavier, Gitarre oder Schlagzeug, zu finden, ist für viele Eltern aber gar nicht so einfach. Was sie erleben: Große Einrichtungen wie Jugendmusikschule und Konservatorium sind überlaufen, selbst privat Unterrichtende haben Wartelisten.
Warum beim Instrumentalunterricht Fachkräftemangel herrscht und was Eltern tun können
Der Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen. Man weiß zwar nicht, wie viele Eltern und Kinder vergeblich Musikunterricht suchen. Dem deutschen Musikinformationszentrum (miz) liegen jedoch Zahlen vor, aus denen sich Entwicklungen ablesen lassen. Bis 2019 war die Zahl der Schülerinnen und Schüler bundesweit kontinuierlich gestiegen. Durch die Pandemie gab es einen Knick; 2022 lag die Zahl dann wieder bei 1,47 Millionen. Dem standen im Jahr 2022 rund 36.500 Lehrkräfte gegenüber. In den Jahren 2014 bis 2016 waren es noch rund 39.000.
Die Zahlen gelten für die öffentlichen Musikschulen. Die stellen zwar nur einen Ausschnitt aus der Realität dar, denn das deutsche Musikausbildungssystem ist sehr fein verzweigt: Es gibt nicht nur öffentliche Musikschulen wie die Staatliche Jugendmusikschule Hamburg (JMS), sondern auch private Unterrichtsinstitute und vor allem viele freiberuflich tätige Lehrerinnen und Lehrer, es gibt Kooperationen mit Schulen, Kitas, Vereinen, Kirchen. Aber die Richtung ist klar: Der Trend geht nach unten.
Die Jahreseinkommen für freiberufliche Instrumentallehrkräfte liegen deutlich unterhalb der Umsatzsteuergrenze
„Wir haben einen Fachkräftemangel“, resümiert Anke Nickel, tätig in der Leitung des Hamburger Konservatoriums. „Und das Problem wird sich noch verschärfen. Einerseits gehen die Babyboomer in den Ruhestand, andererseits kommen zu wenige nach.“ Die Situation drohe zu einer Abwärtsspirale zu werden: „Wenn Lehrpersonal fehlt, kommen auch nur wenige Kinder ausreichend früh und in entsprechender Qualität in Kontakt mit Musik, um sich einmal selbst für den Beruf zu qualifizieren.“
Das Berufsbild ist unattraktiver geworden. Bei wenigen Berufen ist das Verhältnis von Ausbildungsaufwand zu Ertrag ähnlich schlecht. Wer an einer Musikhochschule angenommen werden will, hat in der Regel bereits als Kind mit dem Instrument angefangen und bereits vor Studienbeginn Hunderte, wenn nicht Tausende Übestunden investiert (und die Eltern entsprechende Beträge für den Unterricht) –, um nach einem mehrjährigen Studium mit dürftigen Verdienstaussichten abzugehen: Der weitaus größte Teil arbeitet als Soloselbstständige. Freiberufliche Musikpädagoginnen erwarten laut Künstlersozialkasse für 2024 ein Jahreseinkommen von durchschnittlich 13.718 Euro; bei den männlichen Kollegen sind es knapp 2.000 Euro mehr, aber immer noch deutlich unterhalb der Umsatzsteuerpflicht.
Das Hamburger Konservatorium arbeitet an verschiedenen Wegen, mehr Unterrichtsangebote machen zu können
Selbst wenn man eine der wenigen Festanstellungen ergattert, wachsen die Bäume nicht gerade in den Himmel. Gezahlt wird in den öffentlichen Musikschulen nach TVöD, Aufstiegschancen gibt es kaum. Die Tarifmerkmale sind seit 1987 unverändert geblieben, während die Anforderungen deutlich höher und komplexer geworden sind. „Musikschulen können die Anforderungen dieser Entwicklung nur mit angemessener Personalausstattung und ausreichend qualifiziertem Personal bewältigen. Dies ist schon jetzt und in Zukunft noch mehr gefährdet“, warnte der Verband deutscher Musikschulen im April 2023 in der sogenannten Kasseler Erklärung.
Mit dieser Situation wollen sich die Verantwortlichen natürlich nicht abfinden. Michael Petermann etwa, Direktor des Hamburger Konservatoriums, beschreitet verschiedene Wege, um mehr Unterrichtsangebote machen zu können. Das Konservatorium steht gewissermaßen auf beiden Seiten, denn es hat zwei Abteilungen: An der Akademie kann man Musik studieren, an der Musikschule grundlegend musizieren lernen. Petermann plädiert dafür, das Studium anders zu gewichten: „Bisher ist das Nadelöhr die Aufnahmeprüfung. Man muss immer noch top sein, um überhaupt einen Studienplatz zu bekommen. Dabei braucht doch, wer im sozialen Raum Musik macht, ganz andere Fähigkeiten als jemand, der auf der Bühne ein Tschaikowsky-Konzert spielt. Wir nennen das Fachkraft Musik: Wir bilden unsere Studierenden zu Künstlerinnen und Künstlern aus – und zu Pädagogen.“
Der Direktor der Staatlichen Jugendmusikschule rät, auf jeden Fall Kontakt aufzunehmen
Solche Bestrebungen brauchen Zeit, bis sie wirken. Doch trotz der herrschenden ungünstigen Bedingungen gibt es sie: die Pädagoginnen und Pädagogen, die sich aus ganzem Herzen dafür einsetzen, die Musik in die nächsten Generationen zu tragen. Man muss sie nur finden – und manchmal liegt die Lösung näher als gedacht.
„Ich rate verzweifelten Eltern, unbedingt Kontakt mit uns aufzunehmen“, sagt Professor Guido Müller, der Direktor der JMS. „Wir haben mehrmals wöchentlich Sprechzeiten und bieten pädagogische Beratung an. In so einem Gespräch kann man individuell abstimmen, was sinnvoll sein könnte. Manchmal sind bestimmte Instrumente schneller zu haben. Und vielleicht gefällt dem Kind dann ja die Klarinette plötzlich doch, obwohl es unbedingt Klavier lernen wollte.“ Oder die beratende Lehrerin hat Tipps, wohin sich die Familie noch wenden könnte.
Und wie kommt man an freiberufliche Lehrerinnen und Lehrer? Da hilft das gute alte Netzwerk
Es hilft sicherlich, wenn die Eltern sich klar werden, welches Ziel sie für das Kind mit dem Unterricht verfolgen. Geht es um Exzellenz oder primär um die Freude des Miteinanders? Im zweiten Fall kann Gruppenunterricht eine Alternative zur klassischen Eins-zu-eins-Beziehung Lehrerin-Kind sein. Der wird vielerorts angeboten, etwa beim Musikatelier Ottensen oder der Musikschule Poppenbüttel. Überhaupt seien die privaten Musikschulen in Hamburg bestens aufgestellt, sagt Guido Müller.
Die weitaus meisten freiberuflichen Lehrerinnen und Lehrer unterrichten allerdings ohne Anbindung an ein bestimmtes Institut. Wie man an die rankommt? Über die Website musiklehrer-finder.info findet man Lehrkräfte, die beim Deutschen Tonkünstlerverband Mitglieder sind, und das sind viele. Und sonst hilft das gute alte Netzwerk. Freunde fragen, Freunde der Kinder fragen, in der Schule fragen. Es gibt kaum etwas Motivierendes für ein Kind, als wenn der beste Freund vom Saxofonlehrer schwärmt.
Guido Müller hat auch noch Tipps für Familien, die nicht an der JMS unterkommen: „Man kann Aushänge in der Musikhochschule oder im Konservatorium machen. Die Studierenden werden ja im Unterrichten ausgebildet und werden in Lehrproben intensiv begleitet. Das ist eine Möglichkeit, die noch wenig wahrgenommen wird.“
Mehr Musik
- SHMF: Diese Musikerin könnte auch auf einem Gartenschlauch spielen
- Wacken Festival gestartet: Teures Bier, Fußmärsche – und Stargast
- Dota in Planten un Blomen: Und alle grollen „Eichhörnchen!“
Die Musikschule des Konservatoriums betreibt schon seit 2019 online die hauseigene Kon-App. Außerdem sind Michael Petermann und sein Team bei dem von der Bundesregierung geförderten Projekt Datenraum Kultur dabei und arbeiten an einem digitalen Marktplatz Musik namens musiq.me. Die Anwendungsmöglichkeiten sind immens. Eine davon: Lehrkräfte finden, die man sonst nicht fände, ob die nun in Buchholz in der Nordheide sitzen oder an der amerikanischen Ostküste. Der Unterricht kann dann in Präsenz stattfinden oder online. „Das ist Parship für Musik!“, sagt Petermann und lacht.
Also: Aufgeben ist keine Option. Guido Müller formuliert es so: „Am Ende des Tages kommt es auch darauf an, wie sehr sich die Eltern dahinterklemmen.“
Kontakt zur Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg hier oder unter T. 42801-4141
Der Musikschulbetrieb des Hamburger Konservatoriums läuft ab dem 29. August an den Standorten Bahrenfeld, Blankenese und Barmbek; https://hamburger-konservatorium.de/
Kleinere private Musikschulen gibt es in vielen Stadtteilen. Hier eine Auswahl:
Das Hamburger Mozarteum in Uhlenhorst schreibt auf seiner Website https://www.hamburgermozarteum.de/, für welche Instrumente es freie Plätze hat
Die Musikschule Pianoforte, ebenfalls in Uhlenhorst, erteilt Unterricht in den Fachrichtungen Klassik, Rock, Jazz und Pop; https://www.musikschule-pianoforte.de/
In Barmbek und Eimsbüttel gibt es das „Abenteuer Musik“ zu erleben – bei der gleichnamigen Musikschule; https://www.abenteuer-musik.de/
Die Wandsbeker Musikschule bietet Gesangs- und Instrumentalunterricht an; https://musikstudio-wandsbek.de/
Das MAO Musikatelier Ottensen hat eine Big Band und einen Chor und unterrichtet auch musikalische Früherziehung; https://mao-hamburg.de/
An der Musikschule Poppenbüttel wird in Gruppen, Kleingruppen oder im Einzelunterricht gelehrt: www.musikschule-poppenbuettel.de
Musikalische Früherziehung, ein Instrumentenkarussell und vieles andere hat die Hausmusik in Eimsbüttel im Angebot: https://www.hausmusik-hamburg.de/
Selbstständig unterrichtende Lehrerinnen und Lehrer unter https://musiklehrer-finder.info/