Hamburg. Dota verzaubert zum ausverkauften Konzert der Reihe „Draußen im Grünen“. Da schwingt die Seele – und die Sängerin rechnet mit Nagern ab.
Markant ragt das kantige weiße Dach unter den hohen Bäumen hervor. Der Musikpavillon in Planten un Blomen, das ist Lauschigkeit mit retrofuturistischem Charme. Und seit fünf Jahren wird die Freilichtbühne in Hamburgs grünem Herzen mit dem Programm „Draußen im Grünen“ popkulturell belebt.
„Endlich Hamburg, endlich Sommer“, ruft Dota strahlend ins Mikro. Der ausverkaufte Auftritt mit ihrer fünfköpfigen Band markiert den Saisonauftakt der Open-Air-Reihe, die sich mit Konzerten, Comedy und Live-Podcasts über den gesamten August erstreckt. Zum Finale ist Klavierkabarettist und Zungenbrecher-Artist Bodo Wartke bei „Draußen im Grünen‟ zu erleben.
Doch zunächst singt Dota mit hinreißender Leichtigkeit von langen Tagen, Gras in den Kniekehlen und von mückenstichreichen Tagträumen. Die Hitze des Tages schleicht sich langsam aus, und eine Brise weht durchs Haar. Ein Sommerabend, an dem die Seele ein wenig softer schwingen darf. Und an dem der Kreislauf des Lebens intensiver spürbar wird. Etwa wenn die Berliner Musikerin mit „Resignation für Anfänger‟ ein Gedicht von Mascha Kaleko vertont. „Zwischen Vergehen und Wiederbeginnen / liegt das Unmögliche‟, singt sie warm und eindringlich zu ihrer Akustikgitarre. Sie ist eine Liedermacherin par excellence, die beherzt gedankliche und emotionale Freiräume eröffnet.
Planten un Blomen: Beim „Draußen im Grünen“ darf die Seele ein wenig softer schwingen
„Ein Song von jedem Album“ lautet das Konzept des rund zweistündigen Konzerts. Mitunter sind es auch zwei Lieder pro Platte. Ein bunter wie berührender Ritt durch mehr als 20 Jahre Bandgeschichte. Durch Poesie und Politik. Sie erzählt in „Besser als nichts“ vom Sehnen bei ungleich verteilter Liebe. Und sie verhandelt in „Gar nicht so gut“ das Streben nach Aufmerksamkeit in der viralen Welt.
Dota ist knallpräsent und selbstironisch, kritisch und empathisch. Eine Künstlerin, die der Zeit auf den Zahn fühlt, die komplexe Themen in bildstarke wie beschwingte Songs packt und die angesichts all der alltäglichen Absurditäten gerne zu leicht schlaksigen Tänzchen ansetzt. Mehr Übersprungshandlung als Choreografie. Und dadurch umso charmanter.
Dota singt in Planten un Blomen eine flotte Ode an die Privatdetektive Justus, Peter und Bob
Ihren ersten Hamburg-Auftritt hatte sie einst auf der kleinen Schanzen-Bühne Fools Garden, wie sie erzählt. Aus dieser Ära Anfang der Nuller-Jahre intoniert sie die Nummer „Die Drei“. Eine flotte Ode an die Privatdetektive Justus, Peter und Bob. „Damals musste ich zwischen den Worten offenbar nicht atmen“, sagt Dota lachend angesichts des schnell gesungenen Texts.
Spielerisch wechselt sie zwischen den Stimmungen. In „Zimmer“ spiegelt sie das eigene Kopfkino, wenn aus einer Fliege ein Monster zu werden droht. Mit „À Primeira Vista“ wiederum schildert sie eine romantische Annäherung. Erst auf Deutsch, dann auf Portugiesisch. Ein Lied, das ihre Passion für brasilianische Musik ausdrückt. Ihre Sprache ein sachtes Rollen, die akustische Gitarre pointiert gezupft. Und sie solo auf der Bühne. Ein schöner intimer Moment.
Dota bei „Draußen im Grünen“: In „Eichhörnchen“ rechnet sie mit den kleinen Nagern ab
Und weiter geht’s auf der zart-wilden Fahrt. Mit „Tontechniker“ singt sie eine amüsante Dankeshymne an all die helfenden Hände eines solchen Konzertabends. Und in „Eichhörnchen“ rechnet sie mit den kleinen Nagern ab, die viele ihrer Ansicht nach für allzu niedlich halten. Denn eigentlich seien sie „voll die Gangster“. Die Menge animiert Dota dabei zu einem „Shouter-Heavy-Metal-Chor“. Und zu rockenden Riffs stimmen alle grollend mit ein: „Eichhörnchen! Eichhörnchen!!“. Da stellt sich die Frage: Dota, wann geht‘s nach Wacken?
Mit „Utopie“ zeigt sie sich wiederum ganz als wachsame Mahnerin, die Kapitalismuskritik und komplexe Krisen kompakt in einem Reggae-inspirierten Song verhandelt. Wenn Alltag und Umstände den Aktivismus sabotieren. „Ich habe viel zu viel Ärger und viel zu wenig Wut“, singt sie in den Himmel hinein.
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Ein Highlight der Show ist sicherlich „Warten auf Wind“. Ein Ausbruch aus beengten Verhältnissen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben E-Gitarrist Jan Rohrbach, Bassist Alex Binder, Keyboarder Patrick Reising, Drummer Janis Görlich und Vibrafonistin Maria Schneider fein justiert aufgespielt. Bei dieser emanzipatorischen Nummer entlädt sich allerdings die volle Wucht der Band.
Auch das rhythmisch-akzentuierte „Wir rufen dich Galaktika“ lädt viele der 900 Fans zum Tanzen ein. Andere sitzen weiter hinten entspannt unter den stattlichen Kastanien. Die Dämmerung hat eingesetzt. Und Lichter tauchen Bühne und Bäume in Rot und Violett. „Ich bin hier, um zu glüh‘n“, singt Dota in ihrer Zugabe. Ein Leuchten, das anhält, draußen im Grünen, draußen in der Nacht.