Hamburg. Campus mit Akademie, Konzertsaal und Musik-Kita zieht im August in die Kolbenhöfe. Angeboten wird auch eine besondere Ausbildung.
„Wenn man daran denkt, was alles schiefgehen kann, braucht man gar nicht erst anzufangen“, sagt Markus Menke. Der Musikschuldirektor und Chef des Hamburger Konservatoriums konzentriert sich deshalb lieber darauf, was das Neubauprojekt für Chancen bietet. Die sind enorm, genauso enorm wie die Herausforderungen an die Leitung der Musikschule.
Denn man hat sich mit dem Neubau im Quartier Kolbenhöfe in Ottensen ein 29-Millionen-Euro-Projekt aufgebürdet. Die Institution, die als gemeinnützige Einrichtung über keine Rücklagen verfügt, muss nun bis 2057 den Kredit abbezahlen und dafür sorgen, dass ihr Finanzierungskonzept aufgeht.
Hamburg-Ottensen: In diesem Neubau-Projekt steckt richtig Musik drin
Doch der studierte Musikwissenschaftler und BWLer Menke ist sicher: „Das schaffen wir.“ Mit diesem Glauben an die Einrichtung und das Konzept steht er nicht allein da. Die Hamburger Bürgerschaft hat während der Corona-Pandemie mit großer Mehrheit für eine Bürgschaft in Höhe von 20 Millionen Euro zur Absicherung des Bauprojekts gestimmt.
Im Anschluss machten sich Hamburger Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen in Berlin dafür stark, dass der Bund die „Musikwerkstadt“ in Ottensen finanziell unterstützt. 4,5 Millionen Euro kommen nun vom Bund. „Damit können wir die gesamte bewegliche Ausstattung finanzieren“, sagt Menke, dem die vielen positiven Rückmeldungen in den vergangenen Monaten Aufwind gaben.
Rolf Zuckowski und Kent Nagano unterstützen das Neubau-Projekt
Nicht nur die Politik unterstützt die Neubau- und Umzugspläne. Das Konzept mit zwei Konzertsälen, deutlich mehr Lehrräumen für Tausende Schüler, einer Akademie sowie einer speziellen Musik-Kita überzeugte auch prominente Förderer wie Rolf Zuckowski und Kent Nagano. Die beiden Musiker machen sich für das Projekt stark.
„Unser Konzept der ,Musikwerkstadt‘ ist etwas ganz Besonderes. Das gibt es so nicht noch einmal in Deutschland, das ist einmalig“, betont Menke stolz. Die „Musikwerkstadt“, die derzeit im Lilly-Giordano-Stieg 1 entsteht, umfasst insgesamt drei Gebäude.
Kolbenhöfe: In alte Motorenhalle ziehen Musikschule und Teil der Kita ein
Erstens: Die alte Kolbenhof-Motorenhalle, die komplett entkernt wurde und um zwei Stockwerke ergänzt wird. Hier ziehen ein Teil der Kita sowie die Musikschule mit ihren insgesamt 260 Mitarbeitern ein.
Zweitens: ein Neubau, der sich daran anschließt und in dem sich oben ein Tanzsaal mit Schwingboden befindet. Zudem sollen hier die Elementarkinder der Kita einziehen. Und drittens: das Kompressorenhaus, in dem ein multifunktionaler Konzertsaal für 199 Personen entsteht. Im Gegensatz zum derzeitigen Standort sind alle Räume dann barrierefrei erreichbar.
Musik-Kita in Ottensen umfasst 115 Plätze und startet im September
Für Ende August ist der Umzug geplant. Anfang September soll die Musik-Kita mit Krippen- und Elementarbereich an den Start gehen. Von den geplanten 115 Plätzen wurden 35 in einem ersten Schritt vergeben. Am 6. Mai ist ein Kita-Infoabend für Interessierte geplant. Beginn in der Bugenhagenschule Ottensen, Bei der Osterkirche 17, ist um 18 Uhr.
Und es stehen bereits weitere Termine fest. So soll die Eröffnung der Musikschule groß gefeiert werden, von 26. bis 29. September. Unter anderem wird es am Sonnabend einen Tag der offenen Tür geben und am Sonntag um 11 Uhr ein Konzert im neuen Lilly-Giordano-Saal. Da das Konservatorium Wert auf einen Austausch mit der Nachbarschaft legt, soll es von Beginn an immer sonntags um 11 Uhr ein Familienkonzert geben.
Hamburg-Sülldorf: Ursprünglich sollte am alten Standort ein Neubau entstehen
Ursprünglich hatte die Leitung der Musikschule ganz andere Pläne. Zusammen mit dem Eigentümer des Gebäudes an der Sülldorfer Landstraße nahe dem S-Bahnhof, wo die Einrichtung derzeit ihren Sitz in angemieteten Räumen hat, wollte man den Standort für die Zukunft neu aufstellen. Als Auftakt zur Magistralen-Bebauung wurde der geplante fünfgeschossige Neubau an gleicher Stelle vorgestellt. Das ist knapp zehn Jahre her. Doch was sportlich begann, fand ein jähes Ende.
Das Problem: Die massive Bebauung stieß auf Widerstand. Der Kompromissvorschlag, das obere Stockwerk als reduziertes Staffelgeschoss zu realisieren, rechnete sich dann offenbar nicht mehr.
Ottensen: Ende 2021 wurde der Kaufvertrag für das Grundstück unterzeichnet
Die Verhandlungen kamen auf jeden Fall ins Stocken, wie Menke berichtet. Und zwar so stark, dass im Januar 2020 die Verantwortlichen bei einem Konzert in der Elbphilharmonie Vertretern aus der Politik sagten, wenn sich nichts bewege, werfe man ihnen 11.000 Schülerinnen und Schüler, 500 Erwachsene sowie 300 Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung „vor die Füße“.
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Zum Glück hätten laut Menke ein paar wichtige Menschen zugehört, darunter Kultursenator Carsten Brosda. Mit einem entwickelten Finanzierungskonzept ging es zur Bank und dann auf Immobiliensuche. Im November 2021 wurde der Kaufvertrag mit Bauverpflichtung für das Grundstück in Ottensen unterzeichnet. Nur einige Monate später war die Baugenehmigung da.
Hamburger Konservatorium bietet Musikern Ausbildung zu Kita-Betreuern an
Mit dem Neustart wird das Hamburger Konservatorium auch eine neue Berufsausbildung zusammen mit den Wohlfahrtsverbänden anbieten. Musiker und Musikerinnen können neben ihrem vierjährigen Studium an der Akademie eine zusätzliche Ausbildung zu Kita-Betreuern absolvieren. Davon profitieren beide Seiten. Denn wie Menke erklärt, würden Betreuer händeringend gesucht, und gleichzeitig sei es für ausgebildete Musiker auf dem umkämpften Markt nicht immer leicht, einen Job zu finden.
Vom kleinen Kind über Schüler, Studenten, Menschen mit Behinderung, Geflüchteten bis zu Senioren: Alle sollen in der neuen Musikschule einen Platz haben. Es soll ein Kreislauf entstehen. Man habe sich daher viele Gedanken gemacht, das Projekt mit Leben zu füllen, für den Stadtteil und das Hamburger Konservatorium etwas Nachhaltiges zu erschaffen. Menke betont: „Es geht nicht darum, für viel Geld einen Haufen Steine aufeinanderzustellen.“