Bremen. Nicht nur bei der Laeiszhalle, auch beim berühmten Konzerthaus in Bremen gibt es starken Sanierungsbedarf. Nur: Woher kommt das Geld dafür?

Ihr Klang ist Legende. Kein Geringerer als der Dirigent Christian Thielemann hat sie einmal unter die zehn besten Konzertsäle der Welt gezählt. Aber nun muss sie dringend in Kur.

Die Rede ist hier nicht von der Hamburger Laeiszhalle. Gut 100 km entfernt, in der benachbarten Hansestadt, steht noch so ein Schmuckkästchen von Konzerthaus, auch mit Großem und Kleinem Saal: die Bremer Glocke. Erbaut in den 1920er-Jahren im Art-Déco-Stil an der Domsheide und integraler Bestandteil des historischen Gebäudeensembles in der Bremer Innenstadt, soll sie bis 2030 umfassend saniert werden; bis zu 88 Millionen Euro könnten dafür fließen, von denen der Bund bis zu 40 Millionen beisteuern würde – jeweils maximal in der Höhe, die Bremen auch selbst aufbringt.

Konzerthaus-Sanierung: Schafft die Bremer Glocke den Aufstieg in die Erste Liga?

Ziel des Vorhabens ist es, das wichtige kulturelle Aushängeschild der Stadt zu stärken und noch mehr Menschen zu erreichen. Dazu soll sich die Glocke mit den Worten der Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt „baulich und programmatisch ändern und zu einem offenen und belebten Ort werden“. Baulich und programmatisch. Gleich zwei Batzen also.

Maßgeblich mit vorangetrieben hat das Projekt Thomas Albert, der seiner Heimatstadt als Musiker, langjähriger Hochschulprofessor, Initiator und Intendant des Musikfests Bremen vielfältig verbunden ist. Bereits 2020, als der Bund seine Millionenförderung bewilligt hatte, warb Albert dafür, die Glocke mehr in die Stadt hinein zu öffnen, aber auch für einen dritten, modulablen Saal mit Raum für neue musikalische Formate, „bei denen man nicht die klassische festgetackerte Situation hier Bühne, dort Publikum“ haben wolle.

Im Kleinen Saal der Glocke hört man das Rumpeln der Straßenbahnen

Baulich sieht es so aus: Die Glocke wurde zuletzt Mitte der 90-Jahre renoviert. Die Akustik ist immer noch fabelhaft, technisch und logistisch allerdings wird das Haus den gestiegenen Ansprüchen des Musikbetriebs längst nicht mehr gerecht. Auch die Ästhetik der Foyers ist nicht gerade taufrisch. Hinzu kommt, dass die Glocke zwar verkehrstechnisch prima gelegen ist, gerade das aber aus künstlerischer Sicht ein Problem darstellt. „Die Domsheide ist die zentrale Innenstadthaltestelle. Da fahren fünf Straßenbahnlinien und mehrere Buslinien. Das Rumpeln hört man insbesondere im Kleinen Saal“, erläutert Jens Tittmann, der für das Kulturressort der Stadt mit dem Thema befasst ist.

Bis kommenden Februar läuft der Architekturwettbewerb für die Entwürfe. Weil der Bremer Haushalt bekanntlich nicht ganz so viel auf der Naht hat, haben sich die Verantwortlichen verschiedene Varianten ausgedacht. Welche es wird, hängt davon ab, wie viel Geld die Stadt einsammeln kann.

Klangwunder: der Große Saal der Glocke.
Klangwunder: der Große Saal der Glocke. © IMAGO/Axel Kaste | IMAGO stock

Das Basismodell, im Hausjargon Ertüchtigungsvariante, hat einen Kostenumfang von 53 Millionen. Es umfasst die dringendsten Arbeiten. So sollen auf der Domsheide sogenannte Flüsterschienen verlegt werden, und das Haus soll backstage und technisch-logistisch modernisiert werden. Da geht es um Themen wie Brandschutz und Barrierefreiheit, aber auch um Gastronomie, um die Unterbringung der Künstler und Fragen der Anlieferung – nicht von Häppchen und Sekt, sondern von Konzertflügeln oder Harfen. Um Platz zu gewinnen, würde das Haus hinter den vorhandenen, denkmalgeschützten Fassaden in die Nachbargebäude hinein ausgedehnt werden; die hat die Stadt in den vergangenen Jahren bereits gekauft.

Bislang hat das bedeutende Bremer Konzerthaus keinen Intendanten

Zum Träumen gibt es weitere Planungsmodule, bis hin zu einem dritten Saal, einem Club und zusätzlichen Flächen für Workshops und Musikvermittlung. Kostenpunkt bis zu 83 Millionen Euro plus Puffer von fünf Millionen Euro. Als der Senat das Projekt im März verabschiedete, sagte Andreas Bovenschulte, Bürgermeister und Kultursenator in Personalunion: „Diese Variante ist nur finanzierbar, wenn genügend private Finanzmittel für den dritten Saal sowie dessen Betrieb verbindlich zugesagt werden.“

Bei dem Stichwort Betrieb kommt das Programmatische ins Spiel. Im Moment ist die Glocke eine reine Vermiet-Location, wie es die Musikhalle einst auch war. Platzhirsche sind die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die Bremer Philharmoniker und das Musikfest Bremen, das jedes Jahr im August und September stattfindet. Auch einige andere örtliche Veranstalter bespielen das Haus regelmäßig. Ansonsten kann rein, wer will, und zu Gehör bringen, was er will. Es gibt niemanden, der das Angebot kuratiert. Angestrebt ist, einen Intendanten einzusetzen. Wenn das Geld reicht. Aber was der dann genau macht, ob er sich „nur“ um das künstlerische Profil im künftigen dritten Saal kümmern oder auch das Programm des Großen Saals betreuen soll, der ja immer noch der Markenkern der Glocke ist, ob er ein eigenes Budget bekommen wird und in welcher Höhe – all das ist im Wortsinne Zukunftsmusik. „Dazu können wir nichts sagen, bevor wir wissen, wie groß die Glocke wirklich wird“, sagt Tittmann.

Mehr Kultur

Zu der Frage, wie viel Geld die Stadt dafür bereits eingesammelt habe, übt sich Dirk Kühling, der zuständige Abteilungsleiter im Wirtschaftsressort, in Zurückhaltung: „Zum einen sind die Gespräche vertraulich, zum anderen hängt die Förderung von der Qualität der Entwürfe ab. Mögliche Sponsoren wollen ja wissen, wofür sie ihr Geld geben, um die Glocke zu unterstützen.“ Erste Mittelzusagen gebe es jedoch bereits.

Die Zeit läuft. Denn wenn die Planung nicht bis 2026 stehen sollte, verfallen die zugesagten Bundesmittel. Alles hängt von allem ab. Wie so oft im Leben.

Am 17. August beginnt das Musikfest Bremen mit seiner „Großen Nachtmusik“ in der Innenstadt. Dort werden rund um den illuminierten Marktplatz 18 Konzerte à 45 Minuten in neun Spielstätten angeboten, auf drei Zeitfenster verteilt, die Bandbreite reicht von Klassik bis Jazz. Bis zum 7.9. folgen Konzerte in Bremen und umzu, mit Stars wie Igor Levit, Philippe Jaroussky, René Jacobs, Jonathan Tetelman oder Georg Nigl. Finale ist eine „Fledermaus“-Aufführung, dirigiert von Marc Minkowski. Unter allen HA-Abonnenten verlost das Musikfest dafür 10 x 2 Karten der ersten Kategorie (98 Euro pro Ticket). Teilnahme unter www.abendblatt.de/musikfestbremen.