Bearbeitung mit Photoshop und anderer Software: Bei jedem fünften Bild im Wettbewerb um das World Press Photo wurde heftig getrickst.
Groningen/Hamburg. Photoshop macht‘s möglich: Auch professionelle Fotografen lassen sich offenbar zu Manipulationen und Tricks bis hin zu Fälschungen hinreißen. Beim Wettbewerb um das beste Pressefoto des Jahres (World Press Photo) haben Bewerber massenhaft manipulierte Arbeiten eingereicht. Jedes fünfte Bild, das es dieses Jahr bis in die vorletzte Runde geschafft hatte, wurde wegen digitaler Nachbearbeitung von der Jury aussortiert, wie der Direktor des Wettbewerbs, Lars Boering, dem Magazin „Spiegel“ sagte.
Dabei sei es nicht um Aufhellungen oder kleinere Retuschen gegangen. Vielmehr waren Bildinhalte entfernt oder hinzugefügt worden. „Wir waren geschockt“, sagte Boering. „Eigentlich hatten wir erwartet, weniger solcher Fälle zu sehen, nicht mehr.“ Im Vorjahr waren acht Prozent der Fotos disqualifiziert worden.
Die Jury hatte in diesem Jahr erstmals vorgeschrieben, dass alle Fotografen, die für das Finale infrage kommen, die unbearbeiteten Rohdaten ihrer Bilder mitliefern müssen, um Veränderungen sichtbar zu machen. „Wir haben vorher klargemacht, dass wir strenge Regeln anwenden“, erläuterte Boering.
Künftig wollen die Organisatoren mit Video-Workshops und Beispielfällen deutlicher machen, wo die Grenze zwischen erlaubter Bearbeitung und unzulässiger Manipulation verläuft. „Wir wissen, dass sich Standards in der Fotografie entwickeln und dass ein Foto immer eine Interpretation der Realität ist, aber Fotojournalismus muss glaubwürdig bleiben“, sagt Boering.
Die Stiftung „World Press Photo“ hatte den dänischen Fotografen Mads Nissen für eine Aufnahme ausgezeichnet, die die zunehmende Diskriminierung Homosexueller in Russland zum Thema macht. „Dieses Foto hat eine große ästhetische Kraft und zeigt Menschlichkeit“, sagte die Vorsitzende der Jury Michele McNally, Direktorin für Fotografie bei der „New York Times“.
Mads Nissen dokumentierte 2013 und 2014 die Einschüchterung Homosexueller und die Arbeit von Aktivisten in Russland. „Es ist ein Versuch zu verstehen, wie es ist, mit einer verbotenen Liebe im modernen Russland zu leben“, erklärte Nissen auf seiner Website. Das Siegerfoto des „World Press Photo Awards“ ist Teil der Reportageserie und zeigt Jon (21) und Alex (25) auf einem Bett in St. Petersburg.