Ob mit „Mythos Chanel“, Jugendstil oder „Fast Fashion“: Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe bietet in diesem Jahr wieder Ausstellungen, die auch ein jüngeres Publikum ansprechen.
Hamburg. Wenn sie durchs Haus gehe und die vielen jungen Gesichter sehe, empfinde sie sich selbst mitunter schon ein wenig als „altes Eisen“, sagt Sabine Schulze, die Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe (MKG), und wirkt dabei durchaus nicht unglücklich. Dass sich das Haus am Steintorplatz in den vergangenen Jahren nicht nur gründlich erneuert und in mancher Hinsicht sogar neu erfunden, sondern dabei auch bemerkenswert verjüngt hat, zeigen die Zahlen, die Geschäftsführer Udo Goerke bei der Jahrespressekonferenz am Dienstag bekannt gab.
Demnach beträgt das Durchschnittsalter der MKG-Besucher inzwischen 45,6 Jahre und liegt damit deutlich unter dem Mittelwert der norddeutschen Kunstmuseen, für die bei Umfragen 49 Jahre ermittelt wurden. Mit 225.000 Besuchern hat das Museum am Steintorplatz zwar ein etwas geringeres Ergebnis zu verzeichnen als im Rekordjahr 2013, allerdings liegt es nach wie vor auf recht hohem Niveau.
Dabei setzt das MKG nicht nur auf erwartungsgemäß populäre Ausstellungen wie „Mythos Chanel“, die im vergangen Jahr 43.000 Besucher anlockte, sondern bietet auch Themen an, die man von einem Museum für angewandte Kunst nicht unbedingt erwartet, etwa die Weltkriegs-Schau „Krieg und Propaganda 14/18“, die auch überregional stark wahrgenommen wurde. Mit der gleichfalls viel beachteten Ausstellung „Raubkunst?“ beschäftigte sich das Museum zudem mit der eigenen Geschichte und gab erstmals einen Einblick in die Forschung, die die Herkunft von Kunstwerken zu klären versucht, die möglicherweise in der NS-Zeit ihren Besitzern geraubt wurden.
Knallbunter Anfang mit “Tattoo“
Einerseits schöpfe man bei der Ausstellungsplanung aus dem Fundes der eigenen Sammlung, suche andererseits immer wieder aktuelle Anknüpfungspunkte, sagt Sabine Schulze und fügt hinzu: „Wir wollen zeitgemäße Fragen stellen, neugierig machen und Zugänge für die verschiedensten Besucher bieten.“
„Tattoo“ heißt die erste Ausstellung des Jahres. Sie widmet sich der Körpertätowierung, die in den vergangenen Jahren zu einem Massenphänomen geworden ist, das weite Teile der Gesellschaft erfasst hat. Hier hatte sich, merkt Kurator Dennis Conrad schmunzelnd an, der sonst so weitsichtige MKG-Gründungsdirektor Justus Brinckmann gründlich geirrt, als er Ende des 19. Jahrhunderts mit Blick auf Japan das baldige Aussterben der Tätowierung prophezeite.
Die Ausstellung stellt das Tattoo als kulturgeschichtliches Phänomen dar, als Ausweis einer sozialen Zuordnung, als Zeichen der Identität, als modisches Accessoire, aber auch als Symbol der Stigmatisierung in den verschiedenen Kulturen. Themen sind sowohl die typischen Tätowierungen im Hamburger Proletariat und der Hafenszene um 1890, als auch die aktuellen Trends. Insgesamt sind 250 Fotografien, Videos, Gemälde, Skulpturen und andere Objekte zu sehen, die ein facettenreiches Bild jener Kunst zeigen, die Brinckmann einmal als „wandelnde Gemälde“ bezeichnet hat (13. Februar bis 6. September).
Stil, Glamour und die Schattenseiten der Mode
Anders als bei „Chanel“ oder der noch bis 3. Mai laufenden Ausstellung „Bilder der Mode“ geht es bei „Fast Fashion“ nicht um Stil und Glamour, sondern um die Schattenseiten der Mode. Die Ausstellung wirft einen kritischen Blick auf die Massenmode, die sich seit etwa Mitte der 1990er-Jahre mehr und mehr durchgesetzt hat. Die oft unter prekären Umständen hergestellte Kleidung wird billig verkauft, schnell konsumiert und ebenso schnell weggeworfen. „Das führt dazu, dass in diesem Segment heute mehr Mode gekauft und gleichzeitig dafür weniger Geld ausgegeben wird. Da die Kleidung oft chemisch belastet ist und sich als wenig haltbar erweist, ergibt sich zugleich ein enormes Abfallproblem“, sagt Kuratorin Claudia Banz zu der Ausstellung, die einen ähnlichen Ansatz wie die 2012/13 gezeigte Schau „Endstation Meer? Das Plastikmüll-Projekt“ haben dürfte (19. März bis 20. September).
Mit der Neueinrichtung der Sammlung Islam schließt das MKG nach den neu gestalteten Abteilungen Buddhismus, Christentum und Judentum seine Reihe zu den Weltreligionen demnächst ab. Dass die Präsentation islamischer Kunst vor den aktuellen geopolitischen und religiösen Konfrontationen eine besondere Herausforderung darstellt, ist der zuständigen Kuratorin Nora von Achenbach durchaus bewusst. So wird die Sammlung in fünf Räumen nicht nur doppelt so viel Platz wie zuvor bekommen, sondern auch mit zeitgenössischen Werken islamischer Kunst ergänzt (Eröffnung am 9. April). An der Triennale der Photographie beteiligt sich das MKG mit der Ausstellung „When we share more than ever“, in der Bilder aus der historischen Fotografiesammlung des Hauses aktuellen Positionen gegenübergestellt werden (19. Juni bis 20. September).
Einen Höhepunkt im Herbst erwartet die Besucher schließlich mit der Neueinrichtung der exquisiten Jugendstil-Abteilung, die von einer Sonderausstellung begleitet wird. Dabei sollen etwa 200 Exponate den künstlerischen Aufbruch zu Beginn des 20. Jahrhunderts deutlich machen, der nicht nur mit einer Suche nach neuen Formen und Gestaltungen verbunden war, sondern zugleich ein großes sozialutopisches Potenzial besaß und eine umfassende gesellschaftliche Reform anstrebte (Eröffnung 15. Oktober, Sonderausstellung bis 8. Februar 2016).
Weitere Infos unter www.mkg-hamburg.de