Es ist fast schon ein Ritual. Seit sechs Jahren kommt an einem Nachmittag im Dezember F.C. Gundlach in die Redaktion des Abendblatts und sichtet Dutzende von den Kollegen vorausgewählte Agenturfotos, um daraus seine persönliche Auswahl für die „Bilder des Jahres“ zu treffen. Ein kompetenteres Auge lässt sich für diese Aufgabe nicht finden. Denn Gundlach ist nicht nur als Fotograf und Sammler internationaler Fotografie eine weit über Deutschland hinaus singuläre Erscheinung. Der mit seinen 88 Jahren noch immer sehr aufrecht gehende, groß gewachsene Mann, der schon eine Nerdbrille trug, als das Wort Nerd noch nicht erfunden war, ist auch ein genuin politischer Mensch. Sein Blick auf die Welt ist der des geborenen Medienmachers: ebenso nüchtern wie leidenschaftlich.
Es gehört zum beschriebenen Ritual, dass Gundlach jedes Mal Zweifel anmeldet, ob er im kommenden Jahr noch imstande sein wird, die „Bilder des Jahres“ zusammenzustellen. Seine Augenerkrankung ist eine Pein, aber das Sehen und Beurteilen fotografischer Qualität behindert sie bislang noch nicht. Das Reisen, früher ein Lebenselixier, hat er massiv eingeschränkt. Aber im Haus der Photographie, das er mit begründet hat und das große Teile seiner Sammlung beherbergt, ist F.C. nach wie vor häufig anzutreffen. Wenn wir uns was wünschen dürfen: Noch viele von ihm kuratierte Bilderseiten mit Zeitgeschichte zum Jahresende!