Eine Online-Petition fordert die Absetzung von Markus Lanz. Doch der digitale Stammtisch wird wohl kaum Konsequenzen für den ZDF-Moderatoren erwirken können.
Hamburg. Das Internet bietet ungeahnte Möglichkeiten. Oh ja. Ob das ein Fluch oder Segen ist – wer vermag das schon zu sagen. Wie sagte der bekannteste deutsche Internet-Experte Sascha Lobo kürzlich in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Das Internet ist kaputt.“ Es seien ihm Zweifel gekommen, dass das Internet das ideale Medium der Demokratie, der Freiheit und der Emanzipation sei. Zwar bezog Lobo seine Aussage hauptsächlich auf die Auswirkungen der NSA-Spähaffäre um die NSA, auf Wirtschaftsspionage und den Kontrollwahn der Konzerne. In der Sache aber bedeutet sie vielleicht viel mehr, wie die aktuelle Diskussion um ZDF-Moderator Markus Lanz zeigt.
Zur Erinnerung: In der vergangenen Woche hatte Talker Markus Lanz in seine Sendung die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht geladen, um unter anderem über die Europa-Politik zu diskutieren. Vielen Zuschauern war im Anschluss die sehr konfrontative und eindringliche Art sauer aufgestoßen, mit der Lanz, flankiert von „Stern“-Journalist Hans-Ulrich Jörges, Wagenknecht verbal in die Ecke gedrängt hatte.
In der Tat war der Ton von Beginn an scharf, Wagenknecht hatte Mühe, ihre Sätze überhaupt zu Ende führen zu können. Es war keine Sternenstunde der Fernsehunterhaltung und eine sachliche Auseinandersetzung zum Thema Politik sieht auch anders aus.
Linke regen sich über Umgang auf
Was anschließend im Netz los war, könnte allerdings ein Vorgeschmack sein auf das, was uns künftig blühen wird. In Zeiten von Blogs, Links, Twitter-Meldungen in Echtzeit und vor allem der damit verbundenen Möglichkeit, jederzeit alles und jeden kommentieren und kompromittieren zu können.
Unter dem Hashtag #Lanz tummelten sich nach der verunglückten Sendung alle, die immer schon mal was über Markus Lanz loswerden wollten. Die Linken regten sich über den Umgang mit den Linken auf. Die Gegner der öffentlich-rechtlichen Gebühren regten sich über die falsch verwendeten Gebühren auf. Jene, die Markus Lanz in „Wetten, dass...?“ nicht mögen oder die Sendung an sich boykottieren, forderten wieder mal die Absetzung von beidem und die Niggemeiers unter den Medienbloggern bedienten in gewohnter Weise ihre Fan-Gemeinde.
Soweit so in Ordnung. Meinungsfreiheit 2014 ist eben breiter aufgestellt, als Meinungsfreiheit 1984. Die Möglichkeiten sind einfach andere, der Stammtisch ist digital geworden. So kommt dann da auch eine Maren Müller, ehemaliges Parteimitglied der Linken daher und ruft eine Online-Petition ins Leben, die die Absetzung von Markus Lanz erreichen will.
Sie fordert unter dem Titel: „Raus mit Markus Lanz aus meiner Rundfunkgebühr!“ Der Link zu dieser Petition verbreitet sich innerhalb weniger Stunden wie ein hochansteckendes Virus im Netz. Ja, auch die sogenannten etablierten Medien berichten darüber. Knapp 85.000 Menschen (Stand Donnerstagvormittag) unterstützen diese Petition mittlerweile.
ZDF hat sich noch nicht geäußert
Aber: Ist das viel? Oder wenig? Und: Wer mag das beurteilen? Das Bedenkliche ist, so ein Klick ist gefährlich einfach. Man muss weder in ein Wahllokal gehen noch komplizierte Stimmzettel ausfüllen. Wer Lanz doof findet, kann das mit minimalstem Aufwand unterschreiben. Abstimmen 3.0 eben.
Das ZDF hat sich klugerweise bislang öffentlich nicht geäußert. Und die Petition wird wohl auch nicht die von Frau Müller gewünschten Konsequenzen nach sich ziehen. Egal wie lange sie läuft und egal, wie viele Unterstützer sie findet. Netzdemokratie hat glücklicherweise noch ihre Grenzen. Zumal nicht nur Markus Lanz seinen Jobverlieren würde, sondern auch seine 150 Mitarbeiter.
Wie twitterte die NDR-Satiresendung Extra 3: „Warum Online-Petitionen, wenn es Fernbedienungen gibt“? Antwort: Die Fernbedienung war 1984. In 2014 gibt es auch Online-Petitionen. Ist das Internet kaputt? Es kommt immer darauf an, was man daraus macht.