Abendblatt-Redakteur Matthias Schmoock war vor acht Jahren Kandidat bei “Wer wird Millionär?“ Anlässlich der 1000. Sendung erinnert er sich.
Das Geld war schon so gut wie verteilt. Das machen ja alle so. Es schien auch ganz leicht - nach dermaßen vielen erfolgreichen Generalproben zu Hause vorm Fernseher. Nun endlich die begehrte Einladung zur Aufzeichnung in der Tasche. Vorher war - nach mindestens 100 vergeblichen Anrufen - der ersehnte Rückruf vom Sender gekommen - verbunden mit einem telefonischen Kurz-Wissenstest. Grünes Licht also für den Kampf ums große Geld, und ich sah mich schon in lockerer Plauderrunde mit Günther Jauch auf die Millionenfrage zusteuern.
Am Anfang dieses aufregenden Dienstags vor acht Jahren stand die zuversichtliche Reise nach Köln - und am Ende um eine Erkenntnis reicher: So leicht wird man eben doch nicht Millionär.
Günther Jauchs Sendung war damals noch viel populärer als heute. 1999 erstmals ausgestrahlt, bot sie als erstes Mitmach-Quiz im deutschen Fernsehen gleich mehrmals in der Woche die Aussicht auf das wirklich ganz große Geld. Über Nacht Millionär werden - das kannte man gerade mal vom Lotto. Und endlich ging es mal nicht nur um Glück oder Action, sondern es wurde ganz stur Allgemeinwissen abgefragt.
Was heute auf vielen Sendern kopiert wird, war damals noch ein Unikat - auch ein Grund für die große Beliebtheit. Zu der trug auch Günther Jauch selbst bei, der zwar leutselig und jugendlich daherkam (damals noch ohne Brille), aber immer so hintersinnig dreinblickte, letztlich ganz unberechenbar blieb, und Kandidaten wahlweise mal auf die Sprünge half oder sie ziemlich flott absägte.
+++ Ein Rückblick auf 999 Mal "Wer wird Millionär" +++
Die Sendung, ursprünglich aus England kommend, hatte und hat ein ganz einfaches Konzept und wenig originelle Regeln. Trotzdem war sie von Anfang an vor allem eines: spannend. Immer gab es Kandidaten, denen man den schnellen Durchmarsch zur letzten Frage zutraute, immer schien die Million irgendwie zum Greifen nah. Und dann, mit unschöner Regelmäßigkeit: doch nicht geschafft. Das spornte an. Tausende riefen damals täglich bei der Hotline an, jeder kannte Leute, die es vergeblich versucht hatten.
Warum die Wahl auf mich fiel? Der Geheimtipp? Ich habe nicht die leiseste Ahnung, und dem Jauch-Team war später dazu auch nichts zu entlocken. Es gibt ihn offenbar wirklich, den ominösen, immer wieder erwähnten Zufallsgenerator.
Nun war man also endlich auf der Siegerstrecke - vielmehr erst mal auf der Fahrt vom Kölner Vororthotel zum Sendezentrum in einem Ort namens Hürth.
Zwei Sendungen wurden damals vorbereitet und nacheinander aufgezeichnet - ein ganz schön anstrengendes Programm für alle Beteiligten. Die jeweils zehn Kandidaten (heute sind es nur noch halb so viele) und ihre Begleiter füllten auf dem Weg einen ganzen Reisebus. Das Studiogelände - groß und wuselig wie ein Bahnhof, die Atmosphäre fast schon familiär. Die Kandidaten beäugten sich zwar gründlich - aber keinesfalls missgünstig.
Vor Ort wurde der Pulk in zwei Gruppen unterteilt - unwiderruflich für die nächsten Stunden. Wonach dabei vorgegangen wurde, blieb im Dunkeln. Nach den Proben, bei denen man das Tastendrücken lernt und wegen der kinderleichten Fragen immer übermütiger wird, stieg die Nervosität deutlich. Und es wurde plötzlich auch beunruhigend klar: Die alles entscheidende Hürde ist die erste Fragerunde, in der es ja nicht nur um Wissen, sondern auch um Schnelligkeit geht. Hier wird er gefunden: der Einzige mit der Aussicht aufs ganz große Geld.
+++ Tipps von Eckhard Freise, dem ersten Jauch-Millionär +++
Von mir aus können noch so viele Großgewinner erzählen, dass sie total locker geblieben sind und von Anfang an einfach munter drauflosgezockt haben - glauben kann ich das nicht. Ich jedenfalls war verdammt aufgeregt - und meinen Kokandidaten ging es kein bisschen besser.
Die Aufzeichnung begann, Runde eins kam - und ich hatte Pech. Die Vornamen von vier Altbundespräsidenten in die richtige alphabetische Reihenfolge zu bringen wäre mir leicht gefallen. Leider war meine Gruppe erst als zweite dran. Bei uns zehn ging es dann um die Zusammenführung von irgendwelchen Fußball-Endspielen und Jahreszahlen. Das kriegten einige schnell gebacken - ich leider nicht. Vertippt, vertan, verloren. Keine Chance auf die Million, alle Telefonjoker (man konnte drei benennen) ganz umsonst zum häuslichen Warten verdonnert. Den ganzen Freundeskreis hatte man vergeblich gescannt: Wer kannte sich mit griechischer Mythologie aus, wer mit Musik? Wer war im Notfall Sportexperte oder Pflanzenkenner - und der Idealfall: Wer beherrschte das alles gleichzeitig?
+++ Horst Schlämmer hatte ganz viele Fragen +++
Apropos: Die Telefonjoker müssen unbedingt erreichbar sein - Aufzeichnung hin oder her. Angerufen wurden sie aber nicht, wie es dann in der Sendung schien, am Abend, sondern am späten Nachmittag. Und noch etwas, was der Zuschauer nicht weiß: Die Partner aller Kandidaten sitzen zu Beginn der Aufzeichnung nebeneinander im Studio. Erst wenn klar ist, wer um die Million spielt, wird der entsprechende Partner (unmittelbar bevor Jauch fragt: "Wen haben Sie mitgebracht?") schnell auf einen vorbereiteten Platz im Publikum gesetzt, der die ganze Zeit lang freigehalten wurde.
Wenn ich heute die Sendung (montags und freitags um 20.15 Uhr auf RTL) sehe, wundere ich mich immer, wie lange manche Kandidaten in der ersten Runde über der richtigen Antwort brüten. Ich weiß noch, dass ich in meinem Leben noch nie so schnell gleichzeitig gelesen und getippt habe wie damals. "Wer wird Millionär?" konnte ich mir übrigens hinterher monatelang nicht mehr angucken. Das war wohl so etwas wie enttäuschte Liebe.
Und auch das blieb mir in Erinnerung: Günther Jauch, professionell und freundlich, gab jedem Kandidaten das Gefühl, willkommen zu sein - obwohl er im Lauf der Jahre schon Hunderte begrüßt und verabschiedet hatte. Locker blieb auch das Verhältnis der Kandidaten untereinander. Schließlich teilte man ja die Aufregung - und leider abends im Hotel auch das Gefühl, nur ein Möchtegern-Millionär zu sein. Ein junger Typ aus meiner Runde hatte es immerhin auf 125 000 Euro gebracht - und gegönnt haben es ihm alle.