Hamburg. Der Generalmusikdirektor dirigierte das Open-Air-Konzert der Philharmoniker auf dem Rathausmarkt, seine Frau spielte Beethoven.

Wie es sich für ein klassisches Open-Air-Konzert gehört, mischte sich eine Polizeiwagensirene passgenau in die ersten Beethoven-Töne. Und die mehrere Etagen hohen Lautsprecher-Bündel an den Bühnenseiten produzierten eine Menge Klang, der durchaus laut war, aber nur bedingt klar. Egal.

Atmosphäre sticht Akustik bei solchen geselligen Abenden, immer, unbedingt. Und ungefährer Beethoven ist in aller Regel immer noch besser fürs Gemüt als gar kein Beethoven. Kein Regen von seitwärts, Abendsonne, kaum Wind, zweistellige Temperaturen, geradezu ideale Bedingungen also für Anfang September auf dem Hamburger Rathausmarkt.

Konzert Hamburg: Kent Nagano auf dem Rathaushausmarkt – Atmosphäre sticht Akustik

3000 Stühle hatte das Philharmonische Staatsorchester dort auf dem Areal aufbauen lassen, sie hatten sich schnell bestens gefüllt, neben und hinter den Absperrungen wollten Hunderte stehend dabei sein, weil als Shopping-Nachspiel Klassik umsonst und draußen geboten wurde.

Dass am Ende als zweite Orchester-Zugabe Brahms‘ allseits beliebter 5. Ungarischer Tanz gespielt wurde, und von der Beethoven-Klavierkonzert-Solistin dessen Warteschleifen-Hit „Für Elise“, war nur zielgruppenkonsequent. Wer anderes hören und sehen möchte, habe demnächst bei den überdachten Angeboten der Staatsoper und der Philharmoniker genügend Gelegenheiten, hatte Intendant Georges Delnon in seiner Spielzeit-Werbeblockeinlage während der kurzen Umbaupause frohlockt.

Rathausmarkt Open Air: Atmosphäre sticht Akustik

Die beiden Zentralgestalten des Konzerts seien „nicht nur mit der Musik verheiratet, sondern auch miteinander“, so kündigte Delnon Generalmusikdirektor Kent Nagano und die Pianistin Mari Kodama an, und noch nie hätten die beiden gemeinsam vor so viel Publikum konzertiert.

Womöglich war das für Kodama nicht die allerbeste Begrüßung, denn sie brauchte bis zum langsamen Mittelsatz von Beethovens 2. Klavierkonzert, um halbwegs die Verspannungen zu lösen, die ihren Auftritt eher wie eine straff durchzuziehende Unterrichtsstunde wirken ließen.

Sie erarbeitete sich die Musik, anstatt ihr das Du anzubieten. Das geschmackvolle, aufmerksame und leichter fließende Spielen kam erst im Adagio allmählich in ihr Spiel. Danach wurde es lockerer und im Schlussrondo, hin und wieder zumindest, geradezu aufmüpfig frech. Stellenweise.

Hamburg: Als Mendelssohns Musik ertönt, brettern Autoposer über den Jungfernstieg

Der eine oder andere Autoposer bretterte schon phonstark zur Einstimmung auf die lange Nacht über den Jungfernstieg, als Mendelssohns Musik auf dem Rathausmarkt noch sehr wohlerzogen über Glaube, Liebe, Hoffnung nachgrübelte und die „Reformationssinfonie“ feierlich im Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ ausklang.

Dieser Mendelssohn war die größere, angenehmere Überraschung des Abends. Nagano und die Philharmoniker nahmen das vom Komponisten später ungeliebte Stück als würdige Wertschätzung, griffig und zupackend, wo nötig, unaufdringlich und wohlfeil gefällig, wo möglich. Und ein dezenter, kleiner Fingerzeig auf das Jubiläumskonzert des Felix Mendelssohn Jugendorchesters, bei dessen 50. Geburtstag am 24. Oktober Kent Nagano der prominenteste Gast auf der Elbphilharmonie-Bühne sein wird.

Nächste Nagano-Konzerte mit den Philharmonikern: 3.9., 20 Uhr, Philharmoniker-Sonderkonzert u.a. mit Elīna Garanča (Mezzosopran), u.a. mit dem konzertanten 2. Akt von Saint-Saëns‘ Oper „Samson et Dalila“. 4.9., 20 Uhr: Beethoven 7. Sinfonie sowie Werke von Ricketts und Peskin. Elbphilharmonie, Gr. Saal, evtl. Restkarten