Hamburg. Kent Nagano und das Philharmonische Staatsorchester mit einem Geigen-Special und Beethovens Siebenter in der Laeiszhalle.

Einen Mangel an musikalischem Bildungsauftrags-Bewusstsein kann man Generalmusikdirektor Kent Nagano und dem Philharmonischen Staatsorchester ganz eindeutig nicht unterstellen. Als pädagogisch aufgewerteter Auftakt in die reguläre Konzertsaison wurde fast ein halbes Dutzend miteinander verzahnter Akademiekonzert-Konzepte entworfen, um sich nicht nur einfach so wieder beim Publikum aus der Sommerpause zurückzumelden.

Philharmonische Akademie: Hier wurden viele neue Saiten aufgezogen

Dieser Alterswahn bei Geigen-Antiquitäten aus Norditalien beispielsweise, die Maxime „je oller, desto toller“ (und unbezahlbarer), muss der immer und unbedingt sein? Kann, wenn man möchte und es sich leisten kann – muss aber nicht, betonte das Auftaktkonzert in der Laeiszhalle mit seiner Bonusrunde.

Denn bevor dort am Donnerstag das eigentliche Programm begann, dozierten mehrere Geigenbauer und ­-experten auf der Bühne des Großen Saals, dass und warum für eine Uraufführung gleich vier Geigen eigens angefertigt wurden. Und wie viel Kunst-Handwerk und Leidenschaft für die Suche nach eigenwilliger Perfektion („für mich ist das eine unexakte Wissenschaft“) darin steckt. Und wer einen Geigen-Neubau, wie das Instrument aus der Ukraine, nach Jack Sparrow benennt, dem Star der „Fluch der Karibik“-Filme, hat auch noch Humor im Spezialwerkzeugschrank.

Als Zugabe ein rasanter Schlusssatz aus einem Vivaldi-Concerto

Diese vier geradezu noch ofenwarmen Instrumente – drei aus örtlichen Werkstätten, eines aus Kiew – präsentierten wenig später stolz vier Philharmoniker-Mitglieder (Monika Bruggaier, Stefan Herrling, Marianne Engel, Solveigh Rose), für die Teamarbeit an der Bühnenkante, die der Franzose Régis Campo in seinem Quartett-Konzert „The Seasons of Life“ vorschrieb.

Für jede porträtierte Jahreszeit ein anderes Instrument, das hat leichtes Vivaldi-Aroma und sollte wohl auch so sein. Das Quartett hatte sich, ein Viertel nach dem anderen, wie beim Staffellauf links am Bühnenrand zu postieren, um pünktlich zum jeweiligen Wechsel ans mittige Notenpult zu gelangen.

Regis‘ Musik löste diese Aufgabenstellung mit einer bildhaften Tonsprache, die jeweiligen Temperaturkurven mit vielen Phrasenwiederholungen und -rückungen nachzeichnend. Das war hin und wieder eine vertonte Wetterkarte, eher freundlich illustrativ statt stilistisch innovativ oder gewagt, zeigte aber auch sehr anschaulich, dass Geigen im Klang ebenso Unikate sind wie Geigerinnen und Geiger im jeweiligen Auftreten. Und weil es sich in dieser Konstellation nun wirklich anbot, gab es den flott virtuosen Schlusssatz aus einem Vivaldi-Concerto für vier Violinen als einzig passende Zugabe, bei der alle gleichmäßig portioniert mit rasanten Solo-Aufgaben bedacht waren.

Philharmonische Akademie: Justieren der Orchester-Betriebstemperatur

Nach einer arg statischen Achten Sinfonie zur Eröffnung des diesjährigen Musikfests im Mai folgte nun die Siebente von Beethoven als gesamtorchestraler Kontrast zu dem Kammerorchesterchen vor der Pause. Jetzt war dem Tutti anzuhören, dass sie erholt, ausgeruht und mit wieder aufgetankten Batterien ans Werk gingen. Eine revolutionär neue, gänzlich überraschende Sicht auf Beethovens Welt als Wille und Vorstellung war diese Interpretation nicht, stellenweise ließ die Feinabstimmung in der Farben-Balance zu wünschen übrig, im Eifer des Saisonstarts. Doch zum Justieren der philharmonischen Betriebstemperatur war dieser Beethoven eine gute Wahl.

Konzerte: 2.9. 20 Uhr, „Rathausmarkt Open Air“ mit Werken von Beethoven und Mendelssohn. Eintritt frei. 3.9., 20 Uhr, Sonderkonzert u. a. mit der Mezzosopranistin Elīna Garanča, auf dem Programm stehen Werke von Prokofiew sowie der 2. Akt von Saint-Saëns‘ Oper „Samson et Dalila“. Restkarten. 4.9., 20 Uhr, Beethovens 7. im Großen Saal der Elbphilharmonie, kombiniert mit Solo-Konzerten von Ricketts und Peskin. Weitere Akademie-Infos unter www.staatsorchester-hamburg.de