Hamburg. Die Britpoplegende spielte im Hamburger Konzerthaus eine Islandsinfonie. Zu der gehörte auch ein Vulkanausbruch.

Niemand wird auf das „Song 2“-Geballer gewartet haben, den Tor-Jingle des FC St. Pauli. Wurde natürlich auch nicht gespielt, denn gewidmet war der Abend ganz dem neuen Album Damon Albarns. Einem Album, das einst ein Orchesterwerk werden sollte, also vortrefflich in den Großen Saal der Elbphilharmonie passte. Von Albarn, dem Blur-Britpop-Veteranen und Gorillaz-Comic-Electronic-Spezi, der außerdem Afrika-Beat und eine Oper im Programm hat, ist bekannt, dass er demnächst Ballet-Musik zu schreiben gedenkt. Kurz: Der Engländer, der am 23. März 54 Jahre alt wird, ist eine Kreativitätsbestie.

Beim Auftritt in Hamburg spielte er sein von der Kritik einhellig gelobtes neues Album „The Nearer The Fountain, More Pure The Stream Flows“ einfach mal komplett durch, dazu ein paar Zugaben inklusive des Blur-Stücks „Strange News From Another Star“. Machte knapp 70 Minuten. Ein eng geschnürtes Set, ein dichtgewebtes Stück Musik, das der am Klavier sinnierende, tobende, hypnotisierende, juckelnde Albarn gemeinsam mit acht Musikerinnen und Musikern aufführte.

Konzertkritik: Island-Sinfonie in der Elbphilharmonie

Was es da alles zu hören gab! Jazz und Ambient, sphärische Soundflächen und blubbernde Eruptionen. Island halt. Eine Island-Sinfonie sozusagen. Albarn, dessen unverkennbare, in Melancholie getränkte Singstimme die Elbphilharmonie wunderbar in ein auch tröstendes Zerstreuungsprogramm schickte, ist Fan des nordischen Landes.

Der Plan bei seinem neuen Projekt war: das Wetter nachspielen, die Landschaft von Albarns Wahlheimat. Er hat jetzt auch den isländischen Pass, so weit kann Liebe gehen. Und im Falle von „The Nearer The Fountain, More Pure The Stream Flows“ ist diese Neigung ertragreich. Wobei es dem sonischen Unterfangen auch im Konzertsaal vor Albarns Fans zuträglich ist, dass sich aus den Kompositionen nach einiger Zeit Popsongs schälen.

Damon präsentierte ein Riesenhorn

Nur deswegen können sich die von Streichern, Bass, Klavier und Perkussion getragenen Stücke dann auch mal in Rockkonzert-Ritualen entladen. Es wippte, bei „Combustion“ und „Polaris“, auch mal ein Fuß mit. Albarn hatte seinen Spaß; hier ein angedeutetes Tänzchen, dort ein clowneskes Grinsen bei den fröhlich gepolten Teilen des Sets. Manchmal meinte man ein Blubbern aus der Konsole zu hören. Ob Damon schon mal in einem Geysir gebadet hat? Diese Frage musste offen bleiben. Viel sprach er eh nicht; nicht verkehrt, das hätte den Eindruck auch nur verwässert.

Er ritt den Vulkan, der von dem Ensemble als kakophonische Expressionismuseinlage intoniert wurde. Wie den heiligen Gral präsentierte Damon dem Publikum ein vorher seitwändig am Piano befestigtes Riesenhorn. In ein solches könnten Hirten in Island tuten, um ihre Schafe und englische Immigranten zu unterhalten. In Hamburg stieß Albarn ins Horn, laut und unschön: Es war halt der Berg, der Feuer spie, dem hier ein Soundtrack verpasst wurde. Ein großer Moment, ernst und komisch zugleich.

Konzertkritik: Alle standen auf

Am Ende standen alle auf. Man hatte dem Konzert einer Legende beigewohnt. Damon Albarn ließ einen teilhaben an einem weiteren Abenteuer seiner musikalischen Reise.