Hamburg. Das NDR Elbphilharmonie Orchester verabschiedete sich in die Sommerpause – mit viel Spaß am gepflegten Rabatz.

Wie man monothematische Programme durchzieht, bewies Hamburgs nächster Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber vor wenigen Tagen mit den Münchner Philharmonikern in der Isarphilharmonie: Auf dem Programm standen Schumanns „Manfred“-Ouvertüre, Tschaikowskys „Manfred“-Sinfonie und eine Uraufführung von – Manfred Trojahn.

Ganz so pointenkonsequent war das NDR Elbphilharmonie Orchester beim Entwerfen seines Saison-Finales dann doch nicht: Einerseits Strauss‘ „Don Juan“, über einen bekanntlich überdurchschnittlich warmblütigen Spanier; die spanische Violinvirtuosin María Dueñas für Lalos „Symphonie espagnole“ und Ravels „Alborada del gracioso“; alles geomusikalisch klar lokalisierbar.

Elbphilharmonie: Da kam einem fast alles reichlich spanisch vor

Für Strawinskys „Feuervogel“ andererseits, mit dem der erste Konzert-Durchlauf am Freitag funkensprühend endete, lässt sich beim besten Willen kein Dreh finden, der dieses Stück aus Russlands Märchenwelt auf die iberische Halbinsel umdeuten könnte. Und interessanterweise war es genau diese Ausnahme zur Abend-Spielregel, die – auch beim lautstark begeisterten Publikum – den stärksten Eindruck hinterließ.

Mit Strauss‘ Tondichtung nahmen Chefdirigent Alan Gilbert und Orchester zunächst genüsslich ein Vollbad im Klang, mit viel Schaum und viel Spaß am gepflegten Rabatz. Derart viel vertonten Chauvinismus kann man nicht durchgängig todernst spielen, also gönnte man sich gemeinsam das Vergnügen, mit allem, was die Partitur an Exzessen hergab, beherzt zu übertreiben. Gelungene Soloeinlagen allenthalben, energisch aufbrausende Unterhaltung.

Dass die gerade mal 20 Jahre junge, zweifellos rasend talentierte Geigerin María Dueñas bereits einen Plattenvertrag mit einem renommierten Traditions-Label hat, sei ihr gegönnt. Macht aber auch skeptisch, weil es sehr so wirkt, als ob sie als nächste Jahrhundertkünstlerin des Monats schnell verheizt werden könnte, sobald es länger als nur diese vier Wochen dauert mit der Vollendung der Weltkarriere.

Rasend talentierte Geigerin María Dueñas liefert Bravour-Kunststückchen

In Lalos fünfsätzigem Violinkonzert war vor lauter Notenlametta und Bravour-Kunststückchen kaum Zeit übrig, unter der rasant virtuosen Oberfläche auch noch die gestaltende Musikerin entdecken zu können. Dueñas verfügt über eine blendende Technik und einen temperamentvoll sehnigen Ton; damit kommt sie bravourös und niveauvoll auch durch ein Stück wie dieses, obwohl spätestens im letzten Satz mit seinem Wunschkonzert-Aroma die innere Kurkonzertbühne eröffnet wird. Verständlich, dass man in ihrer Karrierephase unbedingt viele Konzerterfahrungsmeilen machen möchte. Schade aber, dass es hier so offensichtlich war.

Nach dieser „Jugend brilliert“-Runde hatten Gilbert und sein Orchester die Bühne des Großen Saals wieder ganz für sich. Bei Ravels Orchestrierung eines eigenen Klavierstücks zauberte Gilbert mit souveräner Lässigkeit einen bestaunenswerten Moment nach dem anderen aus der Partitur heraus, unter deren Oberfläche es gekonnt brodelte.

Elbphilharmonie: Am Ende großes Ohrenkino

Diese Perspektive blieb Gilbert auch beim Strawinsky treu. Die ersten Motivanklänge zu Beginn der Suite waren spannend präsentierte Hinweise darauf, wie Strawinsky damit das Stück im weiteren Verlauf durchziehen würde. Exzessiv, bis an den Rand des Äußersten also trieb Gilbert die musikalische Erzählung allerdings nicht vor sich her. Im „Höllentanz“ blieb das Feuer eher auf mittelhoher Flamme. Das Finale allerdings, mit satt ausgespieltem Steigerungsbogen inszeniert, war dann wieder ganz großes Ohrenkino.

Aufnahme: Das Konzert wird am 25.6. (20 Uhr) wiederholt. In der NDR EO App und auf ndr.de/eo online abrufbar, evtl. Restkarten an der Abendkasse. María Dueñas „Beethoven and Beyond“ Wiener Symphoniker, Manfred Honeck (DG, CD ca. 22 Euro). Am 1.7. und 2.7. (jeweils 20 Uhr) dirigiert Alan Gilbert die Eröffnungskonzerte des Schleswig-Holstein Musikfestivals in der Lübecker Musik- und Kongresshalle, auf dem Programm steht Mendelssohns Oratorium „Elias“.