Hamburg. Die zart gepickte Gitarre, der luftige Gesang: Cat Stevens ist auch mit 74 Jahren noch ein Ereignis – und rührt seine Fans tief an.
„Wie schön der immer noch singen kann‟, sagt eine Frau im Publikum. „Das berührt mich wirklich sehr.“ Und tatsächlich: Die Stimme, die da die Menge im bestens gefüllten Stadtpark-Rund bewegt, klingt wunderbar warm und weich, voll und zugleich transparent. Sehnsucht schwingt mit und vor allem viel Seele.
Ein Sound, der sich tief ins kollektive Gedächtnis der Musikgeschichte eingeschrieben hat. Und in das Leben jeder Person, die an diesem lauen Juni-Abend zu diesem Open-Air-Konzert gepilgert ist. Pilgern, ja. Denn einer der seltenen Auftritte von Cat Stevens, der sich nach seiner Konvertierung zum Islam nun mittlerweile offiziell Yusuf/Cat Stevens nennt, ist nicht weniger als ein pophistorisches Ereignis.
Cat Stevens im Stadtpark: Fans reisen extra aus Ecuador an
„Wir sind extra aus Ecuador gekommen“, hält eine Gruppe weiter vorne ein Pappschild hoch. Ein älteres Paar erzählt gut gelaunt, dass es eigens aus Minnesota angereist ist. Sie strahlt aus ihrem Cat-Stevens-Shirt, während er erzählt, dass er den Musiker zuletzt 1976 in Böblingen live gesehen hat.
Dementsprechend wird Yusuf/Cat Stevens auch äußerst heftig bejubelt, als er pünktlich um halb acht ins Sonnenlicht tritt. Ein lässiger, schlaksiger Typ in hellblauem Jeanslook. Weiße Turnschuhe, federnder Gang. 74 Jahre jung. Er lächelt freundlich. Haar und Bart weiß ergraut. Ein Best Ager der Hippie-Ära. Ein Silver-Singer-Songwriter. Und in seiner großen Sonnenbrille spiegelt sich die begeisterte Menge. Seine Fans. So viele Leben, angefüllt mit seinen Melodien. Gleich mehrere halten Cover seiner Alben hoch. Vinyllangspielplattenformat natürlich.
Von „Moonshadow‟ bis „The First Cut Is The Deepest‟: Hit folgt auf Hit
Mit „The Wind‟ aus dem Jahr 1971 beginnt er sein Set. Die zart gepickte Gitarre, der luftige Gesang – alles da. Und da ein Musiker wie er schlichtweg ein Füllhorn an Hits geschrieben hat und hier nichts taktisch für irgendwelche großen Finale zurückgehalten werden muss, geht es direkt weiter mit „Moonshadow‟ und einem flotten Medley, das mit „The First Cut Is The Deepest‟ endet.
„Einige von euch waren noch nicht geboren, als ich diese Songs in den Sixties veröffentlicht habe“, sagt Stevens unter Gelächter der Menge. Und tatsächlich hat die Stimmung etwas von Familienausflug. Nicht nur mitgealterte Fans singen da all seine zeitlosen Songs mit. Viele haben offenbar ihre Kinder und Enkel dabei. Musikalische Früherziehung mit hohem Praxisbezug.
Stadtpark: Cat Stevens verneigt sich vor George Harrison und Nina Simone
Verstärkt wird Stevens von einer neunköpfigen Band inklusive Bläser-Sektion und zwei Backgroundsängerinnen, die er als Izzy und Lizzy vorstellt. Er selbst wechselt zwischen Gitarre und Piano, wippend und groovend, die Musik mit jeder Faser verinnerlicht. Für „Matthew & Son‟ greift er allerdings ausschließlich zum Mikro, umklammert es mit beiden Händen oder lässt die linke auch mal cool fliegen und schnipsen. „Das habe ich in 50 Jahren nicht gemacht“, erklärt der Künstler. In die druckvolle Nummer baut er auch kurz den Song „Mad World“ von Tears For Fears ein. „I think it’s kind of funny, that this sounds the same“, singt er augenzwinkernd und spielt darauf an, dass die Nummer seinem Hit doch sehr ähnele. Nun gut, Klauen von dem Besten eben.
Stevens, der sich in den vergangenen Jahren auch stark für edukative Projekte engagiert hat, singt eine dringlich tönende Version von „Where Do The Children Play?“. Während seiner Klassiker-Revue von „Oh Very Young“ über „Peace Train“ bis „Wild World“ verneigt sich Yusuf/Cat Stevens aber auch vor seinen musikalischen Helden. Vor George Harrison mit einem strahlenden „Here Comes The Sun“. Und vor allem vor Nina Simone. „Eine meiner liebsten Sängerinnen, die Königin der schwarzen Bürgerrechtsbewegung“, wie er proklamiert. Ihr „Don’t Let Me Be Misunderstood“ artikuliert er sehr stark und deutlich, eher als halte er eine Rede.
Cat Stevens: „Ich bete jede Nacht für echte Veränderungen“
Für Missverständnisse und Unstimmigkeiten sorgte Stevens auch Ende der 1980er-Jahre, als er sich sehr uneindeutig zu der Fatwa gegen Schriftsteller Salman Rushdie äußerte. Später distanzierte er sich von den extremen Positionen des Islam. Und in seinen neuen Songs, von denen er ganze vier im Stadtpark präsentiert, sind die Forderungen nach politischem Wandel allgemeiner gehalten. Und auch die Hinwendung zu „God“ klingt eher so, als sei sie für alle Religionen anwendbar.
In dem beschwingten „All Nights, All Days“ etwa teilt der Brite zwar gegen die „Leaders in London’s Zoo“ aus. Und da lässt er vermutlich Boris Johnson herzlich grüßen. Doch dann wendet er sich lieber „God’s Garden“ zu und singt davon, schlichtweg jede Nacht und jeden Tag für echte Veränderungen zu beten. Von Gospel bis sogar Rock reichen die Songs, die er in Hamburg aus seinem soeben erschienenen Album „King Of A Land“ präsentiert.
Am Jahnring wird nach dem Konzert auch Straßensängern applaudiert
So richtig zünden allerdings die alten Evergreens. Etwa das federleichte „Morning Has Broken“, bei dem stets ein Hauch von Kirchentag und Jugendfreizeit herüberweht. Manche singen lauthals mit, andere lauschen einfach ergriffen. Arme schwingen durch die Sommerluft, Tränen fließen. Eine sanfte Katharsis.
Und als Zugabe dann „Father And Son“. Glückseligkeit auf und vor der Bühne. Und diesen einen Satz, den scheint Cat Stevens mit besonders schöner Gelassenheit zu singen: „I am old / but I’m happy“. Nach „If You Want To Sing Out“ als weiterer Zugabe reckt er Peace-Zeichen mit beiden Händen in die Höhe. Lauter Jubel.
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Es ist neun Uhr abends, der Himmel immer noch hell. Niemand mag so recht nach Hause gehen. Und so bleiben viele vor dem Open-Air-Gelände noch bei den Straßenmusikern respektive Parksängern stehen, die sich strategisch günstig auf dem Weg zur S-Bahn positioniert haben. Einer von ihnen nennt sich Elias Musicus, wie ein Schild verrät. Er spielt „Father And Son“. Vor einem Blumenbeet direkt an der Ampel des Jahnrings. Die Menschen singen mit und applaudieren. Gute Musik funktioniert eben überall.