Hamburg. Traumjob Kino? Träumen reicht nicht: In der Filmbranche fehlt der Nachwuchs. Das öffnet Quereinsteigern die Tür in ein umkämpftes Metier.
Wer hat sich nicht schon einmal ans Filmset geträumt? Aufregende Drehtage, intensives Teamwork und am Ende die große Premiere auf der Leinwand – mit dem eigenen Namen im Abspann. Nur ist die Filmwelt eine stark umkämpfte Branche. Der Einstieg ist schwierig und erfordert ein dichtes Netzwerk, die ersten Engagements sind vielfach miserabel bezahlt. Und auf die renommierten Filmhochschulen mit ihren limitierten Plätzen schaffen es nur die wenigsten.
Kaum zu glauben also, dass auch am Set oft Personalmangel herrscht. Ist aber tatsächlich so. Das bestätigt auch der Geschäftsführer der Moin Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, Helge Albers: „In der norddeutschen Film- und Serienlandschaft ist der Fachkräftemangel nach wie vor spürbar“, sagt er. „Zusätzlich ist aufgrund des demografischen Wandels absehbar, dass sich die Thematik eher zuspitzen wird.“ Um dem Personalmangel an Hamburgs Sets zu begegnen, hat die Moin Filmförderung gemeinsam mit der Hamburg Media School (HMS) das Ausbildungsprogramm „GetOnSet“ (etwa „Ab ans Set“) entwickelt.
Ab ans Set: Wie Hamburg dem Fachkräftemangel am Dreh begegnet
Die einjährige duale Ausbildung verknüpft nicht nur filmische Praxis in Partnerunternehmen und Theorie im Seminarraum, sie hilft ebenfalls beim Aufbau eines Branchennetzwerks im Filmnorden. „GetOnSet“ richtet sich ausdrücklich auch an Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger ab 25 Jahren. Der nächste Ausbildungsstart ist im Oktober.
Klar, an Regisseuren, die sich eine Karriere à la Quentin Tarantino ausmalen oder Schauspielerinnen, die zur nächsten Margot Robbie werden wollen, mangelt es nicht. An Assistenzen schon eher. Die 25-jährige Noa Siebler, eine der Absolventinnen des Programms, weiß das. Sie erhält mehr Jobangebote als Regieassistentin in und um Hamburg, als sie wahrnehmen kann. „Wenn man Kamera, Regie oder Drehbuch an den Filmhochschulen studieren will, dann bekommt man das Gefühl, die Filmwelt sei überlaufen. Aber der Apparat funktioniert ja nur, weil da noch so viele andere Leute am Set mitarbeiten“, sagt sie. Ohne Ton- und Kamera-Assistentinnen oder Aufnahmeleiter säße schließlich selbst ein Martin Scorsese auf dem Trockenen.
Viele der Auszubildenden bleiben am Set – und in Hamburg
„Ich wollte auf jeden Fall zum Film“, das habe für Siebler schon vor der Teilnahme an „GetOnSet“ festgestanden. In Hannover, wo sie zuvor gelebt und eine Ausbildung zur Mediengestalterin gemacht hat, sei die Branche jedoch eher überschaubar gewesen. In die Hansestadt zu ziehen, bot sich für die 25-Jährige daher an. „GetOnSet war ein super Einstieg in Hamburg – auch ins Netzwerk“, sagt sie heute. Mittlerweile ist Siebler eine gefragte Erste und Zweite Regieassistentin. „In zwei Wochen bin ich schon wieder am Drehen“, erzählt sie.
„Von den 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des ersten Durchgangs hat der Großteil seine Verbindung zur Filmbranche behalten“, weiß Katharina Schaefer, Präsidentin der Hamburg Media School, über „GetOnSet“ zu berichten. „Einige haben bereits feste Anstellungen bei unseren Partnerunternehmen, andere sind als freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig.“ So wie Siebler, die sich über reichlich Aufträge freuen kann. Und Hamburg bleibt sie auch erhalten – so schnell möchte sie hier nämlich nicht mehr weg, sagt sie: „Das ist einfach eine coole Stadt für coole Produktionen und ein harmonisches Miteinander in der ,Film-Bubble‘.“
„GetOnSet“: So rekrutiert Hamburg Film-Nachwuchs
„Vor allem für die Positionen, die man nicht studieren kann, gibt es zu wenig Leute – und die guten sind alle ausgebucht“, berichtet auch Patrick Knittler. Der „GetOnSet“-Absolvent hatte sich vor der dualen Ausbildung auf einer Filmhochschule beworben – erfolglos. Anschließend war Knittler Set-Runner, arbeitete also im prekären Mädchen-für-alles-Branchen-Einstiegsjob schlechthin, vergleichbar mit den Roadies aus der Musikszene.
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Umso erfreuter war der 27-Jährige über seine Zusage für „GetOnSet“. „Da hatte ich dann von Anfang an direkt mit der Produktionsfirma zu tun“, sagt er. Zwölf Monate durfte er bei dem Unternehmen verbringen, zwischendurch gab es immer wieder Seminare zu belegen: Filmgeschichte, Filmrecht, Kalkulation. „Ein Crashkurs“, sagt Knittler.
Mit seinem jetzigen Hintergrund könne er sich deutlich besser weiterbewerben „und dann habe ich natürlich auch Connections. Ich kenne Kameraleute, Beleuchter – die könnte ich jetzt einfach anrufen“, sagt er. Übrigens: Ebenso wie Noa Siebler ist Patrick Knittler für das Ausbildungsprogramm nicht nur nach Hamburg gekommen, sondern auch geblieben. Zwei weitere Fachkräfte für Hamburgs künftige Leinwand-Erfolge.