Berlin. Martin Scorsese bekommt den Goldener Ehrenbär für sein Lebenswerk. Auf der Berlinale hält er ein Plädoyer für die Zukunft des Films.
Der US-amerikanische Regisseur Martin Scorsese („Killers of the Flower Moon“) ist mit dem Goldenen Ehrenbären der Berlinale für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden. Mit seinen Filmen habe Scorsese im vergangenen mehr als halben Jahrhundert ein Markenzeichen entwickelt, sagte Filmemacher Wim Wenders in einer Laudatio auf den 81-Jährigen. Scorsese habe immer für seine Unabhängigkeit und seine künstlerischen Ideen gekämpft.
Im Anschluss an die Verleihung wurde Scorseses Thriller „Departed - Unter Feinden“ aus dem Jahr 2006 gezeigt.
Scorsese selbst sieht die Zukunft des Films optimistisch. „Ich denke nicht, dass der Film stirbt, er verändert sich“, sagte er in Berlin. Von technologischem Fortschritt sollte sich niemand einschüchtern lassen. Man dürfe sich von der Technologie nicht versklaven lassen, sondern müsse sie entsprechend lenken. „Die richtige Richtung geht von der individuellen Stimme aus und nicht von etwas, das einfach nur konsumiert und weggeworfen wird.“
Bei Festivals wie der Berlinale lassen sich aus Sicht Scorseses neue Filmschaffende entdecken. „Vielleicht sieht man einen Film einmal und erinnert sich das ganze Leben daran“, sagte er. „Vielleicht hat sich der Film verändert, wenn man ihn 30 Jahre später wiedersieht.“ Allerdings gab Scorsese zu bedenken: „Tatsächlich ändert sich nicht der Film, sondern man selbst hat sich verändert.“ So könne man selbst mit einem Film wachsen. „Es ist wie eine Beethoven-Sinfonie zu hören. Sie verändert sich jedes Mal.“
Scorsese hatte im September gemeinsam mit zahlreichen Filmschaffenden Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) in einem offenen Brief kritisiert, nachdem sie einen Führungswechsel bei der Berlinale angekündigt hatte. Wenig später hatte das Leitungsduo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian die Ehrung für Scorsese angekündigt.
Kindheit unter Mafiosi
1942 wurde Martin Scorsese als Sohn sizilianischer Arbeiter in New York geboren. Seine Kindheit verbrachte der kleine Junge im Viertel „Little Italy“ - eine damals von mafiösen Strukturen und Straßenkriminalität geprägte Nachbarschaft. „Martin Scorseses Milieu-Erfahrungen verdanken sich seine besten Werke“, schreibt die Neue Zürcher Zeitung viele Filme und Jahre später, „die Straßen von New York waren es, denen Martin Scorsese seine besten Stoffe abrang“.
„Hexenkessel“, eine harte Milieustudie über das Leben in den Straßen von New York, brachte ihm 1973 erstmals das Lob vieler Kritiker ein. In den folgenden Jahren flimmerten viele dieser Streifen über die Leinwand, die Leidenschaft Scorseses für das Mafia-Genre wurde mit „Good Fellas“, „Casino“ oder auch „The Irishman“ besiegelt. Seine Erfahrungen und Beobachtungen aus der Kindheit zeigen sich in seiner Filmografie unentwegt.
Faszination für Macht
An der organisierten Kriminalität interessiert den Filmschaffenden vor allem eines: die Frage nach der Macht. „Wie Menschen mit Macht umgehen, wie sie Macht erlangen, wie sie Macht verlieren, wie sie kämpfen, um ihre Macht zu erhalten“, sagt Scorsese dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“. „Die Frage, die mich interessiert, ist immer: Wer macht das Gesetz? Wer ist das Gesetz?“ Macht zeige sich in vielen Institutionen: Staat, Kirche, Dynastien oder Regierungen. Es gebe jedoch nicht nur die Gesetze des Staates, sondern auch die der Straße.
Eigentlich wollte Scorsese Priester werden, selbst dem Gangster-Milieu zu verfallen, war für den gläubigen Katholiken nie eine Option. Stattdessen verfrachtete er seine Geschichten im Regiesessel von der Straße auf den Bildschirm - und wurde mit Verbündeten wie Schauspieler Robert De Niro oder Kameramann Michael Ballhaus zur Hollywood-Legende.