Hamburg. Jazz-Nachwuchs aus Europa und den USA präsentierte sich im Großen Saal. Ein grandioses Konzert, das ewig hätte weitergehen können.

Sofas und Sessel auf der Bühne der Elbphilharmonie. Das sieht man auch nicht allzu häufig. Aber es passt perfekt an diesem Sonntagabend im ausverkauften Großen Saal.

Denn was hier gleich passiert, ist mehr als ein Konzert. Es ist eine Familienangelegenheit in Wohnzimmeratmosphäre.

Elbphilharmonie: Begeisterung und ein paar Tränen

15 junge Musikerinnen und Musiker waren unter vielen Bewerbern für die zweite Jazz Academy der Elbphilharmonie ausgewählt worden, mit sechs Mentorinnen und Mentoren, darunter Klarinettistin Anat Cohen, eine Woche in Hamburg zu verbringen. Eine Woche voller Workshops und Masterclasses, Jamsessions und Diskussionen – ermöglicht durch das finanzielle Engagement der Dr. E. A. Langner Stiftung, die Hamburg unter anderem auch die Jazzhall in der Hochschule für Musik und Theater geschenkt hat.

Abschluss dieser Woche sollte nun das Konzert im Großen Saal sein, bei dem sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit eigenen Kompositionen und in ganz unterschiedlichen Formationen präsentieren.

Ein „positiver Druck“ sei die Aussicht auf dieses Konzert gewesen, sagt Anat Cohen mit einem Lächeln. Und tatsächlich ist erstaunlich, wie dieser Nachwuchs binnen so kurzer Zeit zusammengewachsen ist, wie Musikerinnen und Musiker, die einander vorher nie begegnet waren, jetzt zusammenspielen. Welche Bandbreite hier geboten wird.

Konzert Elbphilharmonie: Bei jedem Stück ist eine Entdeckung zu machen

Das reicht von der Fusion-Vocaljazz-Nummer, die an Return to Forever mit Sängerin Flora Purim erinnert, bis zum pulsierenden Modern Jazz, und bei jedem Stück ist mindestens eine Entdeckung zu machen. Etwa die schattierungsreiche Gesangskunst von Kateryna Kravchenko, der lyrische Ton von Pianist Leon Hattori und der pulsierende Bass von Klára Pudláková, die sich bei „Zwischenmitte“, einer Komposition von Schlagzeuger Malte Wiest, so richtig reinschafft.

Wobei es ein wenig ungerecht ist, einzelne Stipendiaten hervorzuheben. Denn sie alle liefern mit ihren Kompositionen und ihrem Zusammenspiel Erstaunliches ab, sind glücklich über die Chance, in der Elbphilharmonie auftreten zu können, aber nicht eingeschüchtert von den 2100 Besucherinnen und Besuchern um sie herum, die zunehmend euphorischer werden. Das hat nichts von einer Prüfungssituation, sondern ist für alle Beteiligte ein großer Spaß. Manchmal fließen sogar Tränen der Rührung – zumindest bei Jazz-Academy-Leiterin Anat Cohen. Sie ist sichtlich bewegt, von dem, was ihre Schützlinge da abliefern.

Jazz Academy zeigt eindrucksvoll, welche Kraft diese Musik hat

Natürlich spielen auch die Mentorinnen und Mentoren mit, etwa Saxofonist Donny McCaslin, der durch seine Zusammenarbeit mit David Bowie berühmt wurde, Schlagzeuger Matt Wilson, der auf Einladung Barack Obamas auch schon im Weißen Haus spielte, und Sängerin/Pianistin Clarice Assad, die mit einem Stück ihres brasilianischen Landsmannes Milton Nascimento für Begeisterung sorgt. Auch Pianist Sullivan Fortner und Bassist Martin Wind setzen die Nachwuchsbetreuung auf der Bühne eindrucksvoll fort.

Gut zwei Stunden ohne Pause geht das so – und wird keine Sekunde langweilig. Im Gegenteil: Die Stimmung im Saal schwingt sich in immer neue Höhen auf und erreicht ihren Siedepunkt, als zum Abschluss zu Donny McCaslins „Second Line Sally“ alle Beteiligten gemeinsam auf der Bühne stehen.

Eine furiose Jamsession voll überschwappender Spielfreude, die einmal mehr zeigt, welche Kraft der Jazz hat. Das könnte ewig so weitergehen. Riesiger Jubel, strahlende Gesichter auf der Bühne – und natürlich die Hoffnung, dass das Jazz Academy Projekt mithilfe von Geldgebern wie der Dr. E. A. Langner Stiftung fortgesetzt wird.