Hamburg. Der Saal im Untergeschoss der Musikhochschule ist die neue Heimat des Jazz. Gitarrist Ralph Towner spielte hier zwei Konzerte.

Ein freundlicher alter Herr betritt die Bühne, greift zur Akustikgitarre, lächelt sanft und beginnt zu spielen. Eigentlich keine große Sache, aber dieser Mann ist nicht irgendwer. Und diese Bühne nicht irgendeine.

Ralph Towner, eine Legende des Jazz, ist an diesem Abend nach Hamburg gekommen, um in der Hochschule für Musik und Theater die JazzHall mit seiner Musik zu füllen. Zwar gab es hier in den vergangenen Wochen schon Auftritte von HfMT-Studierenden und zwei Konzerte zu Ehren des Pianisten Alfred Brendel, doch nun wird dieser neue Saal, der etwas versteckt im Untergeschoss der Hochschule liegt, vor größerem Publikum seiner eigentlichen Bestimmung übergeben – als Heimat für den auch internationalen Jazz, unter anderem bespielt von der Hamburger Jazz Federation.

JazzHall: Gedanken, die auf Reisen gehen

Corona hat auch hier vieles verzögert, allein dreimal musste das Konzert von Ralph Towner verschoben werden, doch nun ist er da, der 81-Jährige, der 1972 zu den Gründungsmitgliedern der Band Oregon gehörte, die einst mit ihrer Fusion aus kammermusikalischem Jazz und asiatischen Musiktraditionen Neuland betrat.

Towner jedoch spielt an diesem Abend keine Oregon-Stücke, sondern vor allem eigene Solokompositionen, reich angefüllt mit immer neuen Melodiebögen, bei denen die Gedanken auf Reisen gehen. Manches wie „Dolomiti Dance“ oder „Ubi Sunt“ stammt vom 2017er Album „My Foolish Heart“, wie der Großteil seines Œuvre erschienen beim Münchner ECM-Label. Dazwischen gibt es auch mal einen Jazz-Stan­dard wie „Make Someone Happy“ oder seine Version des Liedklassikers „Danny Boy“.

JazzHall: Gefühl wie in der Elbphilarmonie

Was sofort auffällt, ist der warme und dabei sehr differenzierte Klang in der JazzHall. Man fühlt sich geradezu umschmeichelt von den sanft fließenden Läufen, die Towner spielt – eine Entsprechung zum optischen Eindruck, den dieser Saal vermittelt. Sehr viel Holz, sanft gebogen, wellenartig, der Vergleich zum Kleinen Saal der Elbphilharmonie ist da nicht fern.

Doch während dieser komplett geschlossen ist, kann die JazzHall für Besucher nach draußen, in den an der Außenalster gelegenen Park hinter der Hochschule, erweitert werden. An diesem Abend ist die breite Fensterfront indes von einem Vorhang verdeckt, auf den abstrakte Lichteffekte projiziert werden. Auch schön.

Endlich ein Ort nur für den Jazz

Platz bietet die komplett bestuhlte JazzHall eigentlich für bis zu 200 Besucherinnen und Besucher, derzeit können wegen der im Haus geltenden 3G-Regel allerdings nur jeweils 55 pro Auftritt eingelassen werden – weshalb Ralph Towner zwei etwa einstündige Konzerte gibt – zwischendurch wird gelüftet. Auch die kleine Bar, die mit Jazz-Plakaten (Duke Ellington, Louis Armstrong) geschmückt ist, leidet noch unter den Corona-Beschränkungen und muss vorerst geschlossen bleiben.

Christophe Schweizer und Tilman Oberbeck von der Jazz Federation lassen sich davon die Laune aber nicht verderben. „Wir haben uns lange nach einem Ort gesehnt, der ausschließlich für den Jazz konzipiert ist“, sagt Schweizer, und Oberbeck ergänzt: „Diese Halle hat eine ganz besondere Ausstrahlung und unterstreicht sehr schön, welch große kulturelle Bedeutung der Jazz hat.“

Endlich heimelig: neues Zuhause für die Jazz Federation

Für die beiden, die auch selbst Musiker sind – Schweizer spielt Posaune, Oberbeck Bass – steht das ohnehin außer Frage. Ebenso für die Mitglieder der 1983 gegründeten Jazz Federation, die sich laut Satzung für „die Bereitstellung, Erhaltung und Verbreitung der Jazz-Kultur in Hamburg“ einsetzt – was vor allem meint: Konzerte organisieren, Auftrittsmöglichkeiten auch für hiesige Musikerinnen und Musiker schaffen. Das Geld dafür ist knapp, finanziert wird das alles in erster Linie aus Mitgliederbeiträgen und durch Kartenverkäufe, Förderung von der Stadt gibt es nicht grundsätzlich, sondern nur projektbezogen.

Doch mit der JazzHall, maßgeblich vorangetrieben und finanziell unterstützt durch die Dr. E. A. Langner-Stiftung, ist jetzt ein neues Kapitel aufgeschlagen. Nach längeren Gastspielen im Cascadas am Hauptbahnhof und im Stage Club in der Neuen Flora hat die Jazz Federation für ihr Konzertprogramm nun eine neue Heimat gefunden.

JazzHall-Eröffnung: Ein Ruhepol in unruhigen Zeiten

Wobei weiterhin auch anderswo regelmäßig veranstaltet wird: Da gibt es die „Jazz Kitchen“-Konzerte mit Nachwuchsbands im Restaurant Brückenstern (direkt bei der Sternbrücke) und die philosophisch unterfütterte „rethinking jazz“-Reihe des Künstlerkollektivs Mycelium im Tonali Saal (Kleiner Kielort 3–5), auch die Fabrik in Altona kommt gelegentlich ins Spiel, etwa am 19. Oktober mit dem Konzert der Fusionjazz-Pioniere Yellow Jackets.

Natürlich ist es nicht leicht, unter Corona-Bedingungen zu planen, Voraussetzungen können sich täglich ändern. Wo beispielsweise in einem Monat 2G oder 3G gilt, ob Reisebeschränkungen für Künstler fallen oder verschärft werden: Niemand weiß es. Und so verweist Oberbeck bei seiner kurzen Publikumsbegrüßung in der JazzHall notgedrungen auf die Website der Jazz Federation, wo jeweils der aktuelle Planungsstand zu finden sei.

Trotz aller Ungewissheiten und Beschränkungen: An diesem Abend sind alle Beteiligten einfach glücklich, einen sichtlich entspannten Musiker in einem wunderbaren Ambiente zu erleben, der mit seinem ruhigen Ton den perfekten Gegenpart zu diesen unruhigen Zeiten bildet.

Infos zu den Konzerten der Jazz Federation unter jazzfederation.de