Hamburg. Auch ohne ihren 99 Jahre alten Leiter Marshall Allen sorgte das Sun Ra Arkestra beim Konzert auf Kampnagel für enorme Begeisterung.

Sun Ra ist legendär und sein Stern auch 30 Jahre nach dem Ableben nicht verblasst. Der Mann, der erklärte, vom Planeten Saturn zu stammen und für eine spirituelle Mission auf die Erde gekommen zu sein, ist nicht nur unvergessen, sein musikalisches Erbe wird auch munter weitergetragen – vom Sun Ra Arkestra, das zuletzt von Saxofonist Marshall Allen, einem langjährigen Sun-Ra-Mitstreiter, geleitet wurde. Inzwischen ist Allen allerdings 99 und macht Anstrengendes wie die Europatour, die die Band am Mittwoch nach Kampnagel führte, nicht mehr mit.

Kampnagel: Sun Ra Arkestra mit Jazz-Mission und Artistik am Bühnenrand

Die Halle K2 ist dennoch ausgesprochen gut gefüllt, ebenso wie die Bühne, auf der sich insgesamt 13 Musikerinnen und Musiker versammeln, sämtlich in bunte Glitzerkostüme gewandet, die dem Ganzen einen futuristischen Anstrich geben. Auch wenn mancher der Beteiligten das Rentenalter schon lange erreicht haben dürfte: In Schonhaltung geht hier niemand. Im Gegenteil, mehr als zwei Stunden langt rollt der Arkestra-Express ohne Unterlass, Tanzeinlagen mit Radschlagen am Bühnenrand inklusive. Erstaunlich.

Natürlich gibt es Klassiker wie „Space Is The Place“ und „We Travel The Spaceways“, aber zwischendurch auch mal einen ordentlichen Blues oder eine geradezu balladeske Vocal-Jazz-Nummer. Da wird dann deutlich, dass Sun Ra weit mehr war als „nur“ ein Innovator des Free Jazz, dass er im Gegenteil manchmal ganz konventionell klang.

Kampnagel: Publikum ist vom Sun Ra Arkestra begeistert

Das Publikum jedenfalls ist begeistert ob der Show im Rahmen des Internationalen Sommerfestivals; dass der Sound (zumindest im hinteren Hallenbereich) wenig differenziert ist und die Ansagen kaum zu verstehen sind, scheint niemanden zu stören. Und tatsächlich macht die Energie, die von der Bühne kommt, vieles wett.

Es ist eben doch – auch ohne Sun Ra und Marshall Allen – eine Legende, die hier zu besichtigen ist. Ein Jazz-Unikat mit weltweiter Anhängerschaft, die weiterhin unablässig mit Archivveröffentlichungen versorgt wird oder sich auf die endlose Suche nach raren, privat gepressten Vinyl-Originalen aus den 1970er-Jahren macht, die schon mal 5000 Euro kosten können. Der Kampnagel-Abend zeigt deutlich: Die Erd-Mission des großen Sun Ra geht munter weiter.