TV-Journalist schreibt Familiengeschichte auf. Weitere Bücher-Tipps: Romane von Daniel Kehlmann, Stephen King und Monika Maron.

Nein, explizit als Roman ist „Aenne und ihre Brüder“ nicht ausgewiesen. Aber das neue, Ende August erscheinende Buch des Moderators, Journalisten und Musikers Reinhold Beckmann ist wie ein Roman geschrieben oder zumindest der romanhafte Bericht über das Leben seiner Mutter Aenne (1921–2019). Und das ihrer Brüder Franz, Hans, Alfons und Willi.

Vier junge Männer, die allesamt im Krieg fielen. Auch ihre Eltern verlor Aenne früh, und so ist Beckmanns Buch, das unter anderem auf den Feldpostbriefen der Onkel basiert, die er nie kennenlernte, ein Buch über Verluste – und die Grauen des Krieges.

Reinhold Beckmann hat seinen ersten Roman geschrieben

Was ihm bedauerlicherweise große Aktualität gibt. Beckmann stellt „Aenne und ihre Brüder“ am 20. September auf dem Harbour Front Festival vor – im Gespräch mit dem ehemaligen Präsidenten Joachim Gauck. Hamburgs großes Literaturfest findet in diesem Jahr vom 14. September bis 28. Oktober statt.

Angesagt haben sich etliche große Namen. Beispielsweise Daniel Kehlmann, der Mitte Oktober und sechs Jahre nach „Tyll“ einen neuen Roman vorlegt: „Lichtspiel“ handelt, so verrät die Rowohlt-Verlagsankündigung, von der drohenden Verstrickung des großen Regisseurs G.W. Pabst in die Machenschaften der Nazis.

Kehlmanns Roman fußt auf realen Geschehnissen. Man darf gespannt sein, ob die Literatur es vermag, diesen zu einer höheren Wahrheit zu verhelfen. Kehlmann stellt „Lichtspiel“ am 28. Oktober im Schauspielhaus vor.

Literatur Hamburg: Bücher von Uwe Timm und Michael Kleeberg

Inoffiziell eröffnet wird die spätsommerlich-herbstliche Saison mit der Langen Nacht der Literatur am 2. September. Dort finden viele Lesungen in Hamburger Buchhandlungen statt und eine auch im Literaturhaus:Michael Kleeberg stellt den Abschluss seiner Hamburg-Trilogie um den Helden Karlmann Renn vor.

„Dämmerung“ erscheint Ende August. Und zeigt gewohnt unterhaltsam und bestliterarisch den inzwischen 60 Jahre alten Helden in seinem Kampf mit dem Alltag.

Es sieht ohnehin nicht schlecht aus, was Hamburgensien anbelangt. Uwe Timms „Alle meine Geister“ ist das Buch eines jungen Lebens: Es berichtet von den Jugendjahren des in Hamburg geborenen, aber seit mehr als einem halben Jahrhundert in München lebenden Autors Uwe Timm.

Er wuchs in Eimsbüttel als Sohn eines Kürschners auf. Wir wissen aus Timms bisherigen Büchern, etwa aus „Der Freund und der Fremde“ und „Am Beispiel meines Bruders“, dass er dieser Welt später entfliehen musste – und sind dankbar für diesen historischen Hamburg-Roman (erscheint Anfang September, Lesung auf dem Harbour Front Festival am 20. September).

Gisela Stelly Augstein schreibt über toten Medientycoon

Maxim Biller hat ein liebevoll-bratziges Buch über eine Mutter-Sohn-Beziehung geschrieben – und eine Hommage an seine Mutter, die Hamburger Schriftstellerin Rada Biller (1930-2019). „Mama Odessa“ erscheint Mitte August und ist ein auch mit Witz vorgetragenes Hamburg-Stück, das zu weiten Teilen im Grindelviertel spielt.

Bereits erschienen ist Mirko Bonnés nicht weit entfernt in Hoheluft angesiedelter, wunderbarer Roman „Alle ungezählten Sterne“, der vom Sterben und von linkem Aktivismus handelt (Lesung am 5. Oktober im Literaturhaus).

Gisela Stelly Augsteins „Der Fang des Tages“ (Anfang September) handelt von den Erbkämpfen nach dem Tod einer Unternehmerwitwe und dem eines Medientycoons – das klingt doch verheißungsvoll.

Dem Musiker (Vierkanttretlager), Podcaster und Schriftsteller Max Richard Leßmann ist mit seinem Prosa-Debüt „Sylter Welle“ (Mitte August) ein überaus empfehlenswerter Roman über seine Großeltern gelungen. Und über die Zugehörigkeit zu einer Familie, die man sich so oder so nicht aussuchen kann – eine der Entdeckungen in diesem Jahr.

Tobias Schlegls literarische Brauchbarkeit ist dagegen bereits seit seinem Roman „Schockraum“ bewiesen. Mit dem ebenfalls im Rettungssanitätermilieu spielenden „Strom“ (Ende September) ist Schlegl nun auf dem Harbour Front Festival zu Gast – am 25.9. in der Laeiszhalle.

Internationale Literatur mit Richard Ford, Stephen Kind und Zadie Smith

Richard Ford hat es wieder getan! Zum fünften und letzten Mal macht der große amerikanische Autor Frank Bascombe zum Helden einer Erzählung. Diesmal, nach zuletzt einem Vier-Novellen-Aufschlag („Let Me Be Frank with You“, dt. „Frank“, 2014/15), ist es mit „Valentinstag“ (erscheint Mitte August) erneut ein Roman.

Bascombe ist mittlerweile 74 und sein 47-jähriger Sohn Paul sehr krank. Sie gehen auf eine letzte gemeinsame Reise – klassisches Sujet. Man ergibt sich, versprochen, diesem unnachahmlichen Erzählstrom, den Ford zwischen die Buchdeckel gießt, wehrlos. Im vergangenen Jahr las Ford ein Kapitel des damals noch unveröffentlichten Werks in Hamburg. Am 30. Oktober ist er zurück – mit einem großen Abend im Schauspielhaus.

Im September erscheint Steven Kings „Holly“.
Im September erscheint Steven Kings „Holly“. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Patrick Semansky

Was internationale Autorinnen und Autoren angeht, liest sich das Herbstprogramm sowieso ganz und gar nicht schlecht. Angekündigt sind unter anderem neue Romane von Zadie Smith („Betrug“, November), Camille Laurens („So wie du mich willst“, November), Alex Schulman („Endstation Malma“, Oktober), Stephen King („Molly“, September); Annie Ernaux’ Debüt „Die leeren Schränke“ (September) erscheint überhaupt das erste Mal auf Deutsch – Nachschub also, mit ganz altem Stoff, von der Literaturnobelpreisträgerin.

Tschüs, Hoca – Wolf Haas hat den Verlag gewechselt

Deutschsprachige Herrlichkeiten: Gerhard Henschels Martin-Schlosser-Saga feiert mit „Schelmenroman“ (endlich – eigentlich der geeignete Titel für alle Bände) zehntes Jubiläum, allerdings erst Anfang Januar.

Henschels Ex-Verlagskollege Wolf Haas, der als Autor von Hoffmann und Campe am Harvestehuder Weg zuletzt mit „Müll“ noch seinen ersten Nummer-eins-Hit hatte, veröffentlicht sein erstes Buch bei Hanser in München. „Eigentum“ ist als eine Art Lebensroman seiner Mutter annonciert (September).

Dann wäre da noch Monika Maron. Die streitbare Schriftstellerin veröffentlicht – bei Hoca – ihren neuen Senioren-WG-Gesellschaftsroman „Das Haus“ (Anfang Oktober). Hoca hat übrigens auch einen debütierenden Krimi-Autor im Programm: Lars Haider schickt seinen Neu-Detektiv Lukas Hammerstein ins Rennen. „Einer muss den Job ja machen“ erscheint Anfang September und handelt auch von Udo Lindenberg – und natürlich von Hamburg.

Inger-Maria Mahlke kommt im November mit ihrem Lübeck-Roman ins Literaturhaus.
Inger-Maria Mahlke kommt im November mit ihrem Lübeck-Roman ins Literaturhaus. © Dagmar Morath

Und wie ist das Programm im Literaturhaus eigentlich insgesamt? Hochkarätig. Büchner-Preisträgerin Térezia Mora stellt am 12. September ihren Roman „Muna oder Die Hälfte des Lebens“ (erscheint Ende August) am Schwanenwik vor, Buchpreis-Gewinnerin Inger-Maria Mahlke ihre Lübeck-Saga „Unsereins“ an deren Erscheinungstag am 14. November.

Der kurzzeitige Rowohlt-Verleger Florian Illies kommt mit seinem Kunst-Buch „Zauber der Stille – Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten“ am 26. Oktober. Die Nordischen Literaturtage sind vom 20. bis 23. November.

Literaturhaus goes Kneipe: „Debüts & Drinks“ im Aalhaus

Die im Rowohlt Taschenbuch erscheinende neue Reihe „Wiederendeckte Schätze des 20. Jahrhunderts“ widmet sich ausschließlich Autorinnen. Die Herausgeberinnen Nicole Seifert und Magda Birkmann stellen die ersten drei literarischen Ausgrabungen, Mary Renault, Christa Anita Brück und Louise Meriwether, am 1. November im Literaturhaus vor.

Und die aushäusige, von Carolin Löher und Lena Dircks organisierte sehr tolle Kneipenreihe „Debüts & Drinks“ findet unter anderem am 20. September statt. Wieder im Aalhaus, diesmal am Lesetresen: Charlotte Gneuß („Gittersee“ erscheint Ende August) und Beliban zu Stolberg („Zweistromland“, gerade erschienen).

Sachbücher für das zweite Halbjahr sind (neben Illies’ Frühromantik-Studie) von Sophie Passmann („Pick me Girls“, ein Memoir, das ein Frauenleben mit internalisiertem männlichen Blick nachzeichnet, September), Herfried Münkler („Welt in Aufruhr: Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert“, Mitte Oktober) und Carsten Brosda („Mehr Zuversicht wagen: Wie wir von einer sozialen und demokratischen Zukunft erzählen können“, Buchvorstellung am 17. September auf dem Harbour Front Festival) angekündigt.

Eine zugegeben subjektive Auswahl, was für diese gesamte Vorschau gilt. Es erscheinen noch Hunderte, gar Tausende Titel mehr im zweiten Halbjahr, sowohl im Hinblick auf Romane als auch Sachbücher – wir wünschen schöne Entdeckungen und gutes Lesen.