Hamburg. Die starke Krimi-Anthologie „Hamburg Noir“ versammelt Autorinnen und Autoren wie Tina Uebel, Frank Göhre und Jasmin Ramadan.
Die Anthologie „Hamburg Noir“ ist eine Tour d’Horizon zu den dunklen Seiten der Hansestadt. Jenseits der prächtigen Villen an Alster und Elbe, jenseits aller touristischen Hotspots wie Hafen, Speicherstadt und Elbphilharmonie wandeln die 14 Autorinnen und Autoren auf Pfaden, die in kaum einem Reiseführer zu finden sind. Die wahrlich nicht immer kriminalistische Route führt von Altenwerder bis nach Winterhude, von Billwerder bis nach Blankenese, von Rothenburgsort bis nach Ottensen.
„Hamburg Noir“ zeigt die Schattenseiten der „schönsten Stadt der Welt“
Die Autorinnen und Autoren bedienen sich dabei ganz unterschiedlicher literarischer Stilmittel. Zoe Beck etwa inszeniert in „Querab Schwarztonnensand“ ein pointiertes schwarzhumoriges Dramolett, das wie beiläufig von der Macht des Geldes, von schnöseligen Siegern und ohnmächtigen Verlierern erzählt. Frank Göhre erweist sich in „Außenfassade“ einmal mehr als „Altmeister des deutschen Noir“. In knappen Sätzen und schnellen Schnitten erzählt er von alltäglichen Sorgen, von kleinbürgerlichen Träumen und einer sexuellen Sehnsucht, die zur tödlichen Obsession wird.
Tina Uebel („Last Exit Volksdorf“) hingegen entwirft in „Reeperbahn 29 Revisited“ eine eindringliche, autobiografisch gefärbte Milieustudie, in deren Zentrum die Kiezkneipe „Der Clochard“ steht. Dort und in den darüber gelegenen Wohnungen ist die Heimat von zwei Heimatlosen: Reinhard und Rommel, dort schlagen sie sich durch, meistens schlecht, kaum recht, dort sterben sie. Eine anrührende Geschichte.
Dem lässigen Stil seiner Adam-Danowski-Krimis bleibt Till Raether auch in „Ich bin schon fast wieder weg“ treu. Die Story illustriert das abrupte Ende eines Finanzjongleurs – Firma weg, Frau weg, Haus weg, Hund weg. In Altenwerder findet er sich wieder, da, wo man unter dem Radar lebt. Lakonisch erzählte Geschichte. Raether-Style.
Weit zurück in die Historie der Stadt entführt Robert Brack in „Die Enteignung“. Mit dezentem Hang zum literarisch Experimentellen blättert Brack eine Art Tagebuch der jungen Klara auf, man schreibt das Jahr 1922. Sie will in die Kommunistische Partei eintreten, das Leben ist hart in jener Zeit, eine Liebe endet tragisch. Punktgenaue Sozialstudie.
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Der schön editierte Band versammelt weitere Geschichten renommierter Autorinnen und Autoren, von Nora Luttmer, Matthias Wittekindt, Ingvar Ambjørnsen, Bela B Felsenheimer, Timo Blunck, Jasmin Ramadan, Katrin Seddig, Brigitte Helbling und Kai Hensel. Alle sind lesenswert, alle zeichnen sie das etwas andere Bild der Stadt.
„Hamburg Noir“: Literarisch eindrucksvolle Anthologie mit starken Stories
„Hamburg Noir“ aber ist beileibe kein Anti-Hamburg-Buch, sondern eine Liebeserklärung an all die Orte und Menschen, die unter der glänzenden Fassade der Stadt liegen und leben. Auch die vermeintlich „schönste Stadt der Welt“ hat halt ihre Schattenseiten. Diese Anthologie zeigt sie literarisch eindrucksvoll. Starke Storys, Hamburg von unten.
Jan Karsten (Hg.): „Hamburg Noir“ Culturbooks, 304 Seiten, 18 Euro