Norderstedt. Stadtschreiber Huug van’t Hoff sprach und las mit seinem Kollegen Tobias Sommer aus Bad Segeberg in der Bücherei.

„Ich lebe jetzt seit zwei Jahren im Ruhrgebiet und habe niemanden kennen gelernt“, lautet der erste Satz des Kapitels „Schiffeversenken“ aus dem Roman „Elbaufwärts fließt bei Ebbe die Ruhr in die Spree“ von Huug van’t Hoff, Norderstedts Stadtschreiber. Das widerfährt dem Autor in Norderstedt nicht. Alle, die an Literatur irgendwie interessiert sind, wollen den Ruhrpott-Mann aus Nordfriesland kennenlernen. Auch bei 31 Grad Wärme in der Glashütter Stadtbücherei.

In seiner Serie „Der Stadtschreiber lädt ein“ hatte Huug van’t Hoff mit der Stadtbücherei diesmal Tobias Sommer zu Gast, Autor aus Bad Segeberg. Auch er war einmal Stadtschreiber – in Willisau bei Luzern. Die beiden Autoren kennen sich seit 2010, als sich der Segeberger mit seiner Kurzgeschichte „Die Leuchtturmwärterin“ beim ersten Hamburger Kunstfestival „AstroArt“ auf der Sternwarte um Preis und Titel bewarb. Und sich nach Gunter Gerlach den zweiten Preis holte.

Norderstedt: Zwei Autoren bringen den Grusel nach Glashütte

„Wir von der Jury erkannten in ihm sofort einen neuen Stern am Literaturhimmel“, sagte Huug van’t Hoff. 2014 kam Tobias Sommer auf die Longlist zum Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt, was wiederum eine gute Eintrittskarte ist für weitere Preise und in die Programme der Verlage. Sein neustes Buch „Das gekaufte Leben“ verlegt die dtv-Verlagsgesellschaft (336 Seiten, 22 Euro, dtv).

Doch bevor Tobias Sommer seinen vierten Roman vorstellte, las Huug van’t Hoff das Kapitel „Schiffeversenken“ aus seinem Erstling, den er gleich nach Erscheinen im Stadtmuseum vorstellte. In Sommers „Das gekaufte Leben“ ersteigert sich Clemens Freitag bei ebay eine fremde Existenz samt Haus in einem brandenburgischen Kaff namens Zaun.

Warum Tobias Sommers Romanheld mit Nachnamen „Freitag“ heißt

Wie kommt man nun zu den Namen von Roman-Figuren, und warum heißt das 150-Menschen-Dorf Zaun? Aus Daniel Defoes Roman „Robinson Crusoe“ ist der Name Freitag nicht entlehnt, wie auch Huug van’t Hoff erst vermutete. „Clemens Freitag ist ein Pechvogel, es musste also ein Name sein, der zu ihm passt, und da kam ich auf Freitag, 13., der in vielen Ländern als Unglückstag gilt“, erklärte Tobias Sommer. Und der Name des Dorfes soll symbolisieren, wie sein Held langsam eingegrenzt wird.

Und wie kam er auf die doch recht absurde Geschichte? „Ich habe im Internet von einem Mann gelesen, der alles verkaufte, und als alles weg war, nutzte er die Chance, sich ein neues Leben aufzubauen“. Es ist das Leben eines Antihelden, denn Clemens ist faul und träge, und als er die ebay-Anzeige las, in der ein erfolgreicher Mann angeblich aus Beziehungsfrust sein Haus verkauft, seinen Job aufgibt und nur mit dem, was er tragen kann, von dannen zieht, habe er sein Erbe über 250.000 Euro hingeblättert.

„Der erste Traum im neuen Haus wird wahr“, heißt es bedrohlich in dem Text

Tobias Sommer las mehrere Kapitel seines Romans, und schon diese Auswahl zeigt auf, wie geschickt und geradezu suggestiv er seinen Protagonisten durch erste Zweifel, dann durch Freude über das bis auf zwei frisch verdreckte Gummistiefel im Flur absolut saubere, bestens ausgestattete Haus über neue merkwürdige Bekanntschaften in dem zwielichtigen Ost-Kaff, über dubiose Warnungen, einen garstigen Köter und geisterhafte Geräusche zum Grusel treibt.

Einsprengsel wie „Der erste Traum im neuen Haus wird wahr“, „Deine Geister schlafen nicht“ bis zu „Der See vergisst nicht“ locken diesen Grusel immer mehr aus dem Busch – im wahrsten Wortsinn, denn hinterm dem Haus ist ein Wald mit See.

Das Publikum hörte dem 44-jährigen Segeberger atemlos zu

Das Publikum in der Glashütter Bücherei hörte dem 44-jährigen Vater von zwei Töchtern, sechs und 13 Jahre alt, atemlos zu, zumal er den Plot allein mit seiner Vorlese-Art, seiner Betonung, seinen Zäsuren subtil zu steigern wusste. Wie viele Autorinnen und Autoren begann Tobias Sommer mit Lyrik, die er an Literatur-Zeitschriften schickte. Sein erster Gedichtband erschien im kleinen Verlag Septime in Österreich.

Im Gegensatz zu Huug van’t Hoff ist Tobias Sommer kein hauptberuflicher Schriftsteller. Sondern – Finanzinspektor beim Segeberger Finanzamt. „Ich sehe das Schreiben als kreativen Ausgleich zu meinem Beruf“, sagt der autodidaktische Autor mit Beamten-Status.

Norderstedt: Was Sommer über sein nächstes Romanprojekt verriet

Neue Projekte sind bereits in der Planung. Beispielsweise „etwas ganz anderes“. Tobias Sommer recherchiert zurzeit das letzte Lebensjahr von Joachim Ringelnatz, den das NS-Regime mit Berufsverbot belegte.

Das nächste Stadtschreiber-Treffen ist schon geplant. In zwei Wochen trifft sich Huug van’t Hoff mit dem Hamburger Autor und Musiker Cenk Bekdemir. Es wird eine Lesung mit Musik.

„Der Stadtschreiber lädt ein“, So, 30.07., 16.00, Stadtbücherei Garstedt, Europaallee 36. Eintritt frei, Anmeldung unter per E-Mail.