Hamburg. Die Mutter von Maxim Biller war selbst Autorin. Sie starb in Hamburg und wird auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Prag beigesetzt.
Manchmal, aber gewiss noch zu selten, schafft es Literatur, ein intensiv anmutendes Familienporträt zu zeichnen. Man nimmt dann oft an, dass der Autor oder die Autorin Anleihen in der eigenen Biografie genommen hat. Über die Familie zu schreiben heißt immer: über sich selbst zu schreiben, und umgekehrt. Die Familiengeschichte Rada Billers trägt das Gepräge ihrer Zeit. Sie ist grenzüberschreitend, mondän, bisweilen dramatisch.
„Melonenschale“ heißt Rada Billers eindrücklichstes Werk, in dem sie 2003 ihr Schicksal als Tochter eines Armeniers und einer jüdischen Russin literarisch darlegte, die über Moskau, Baschkirien, Stalingrad und Prag im Jahr 1970 nach Hamburg gelangte. Dort forschte Rada Biller an der Uni Hamburg am Institut für Außenhandel und Überseewirtschaft. Und sie zog zwei Kinder groß: die 1954 in Moskau geborene englische Autorin Elena Lappin („In welcher Sprache träume ich? Geschichte meiner Familie“) und den 1960 in Prag geborenen deutschen Autor Maxim Biller („Biografie“, „Sechs Koffer“).
Rada Biller war lange in der Jüdischen Gemeinde Hamburg aktiv
In verschiedenen Versionen legte diese im schönsten und auch streitbarsten Sinne europäisch-intellektuelle Familie – Rada Billers Ehemann Semjon arbeitete als Übersetzer und Dolmetscher – zuletzt Zeugnis ab über die eigene Sippe. Es ist kein Zufall, dass sie alle in je unterschiedlichen Sprachen schrieben. Rada Biller kehrte in ihren Büchern – nach „Melonenschale“ erschienen der Roman „Lina und die anderen“ und der Erzählungsband „Meine sieben Namen und ich“ – zu ihrer Muttersprache Russisch zurück. Und zu einem Jahrhundert voller Brüche, aus dem sie als Kosmopolitin hervorging.
Rada Biller war über Jahrzehnte in der Jüdischen Gemeinde Hamburg aktiv. Und sie hatte sicher, da muss man nicht nur einer ihr zugeschobenen Bemerkung („Ich mag Hamburg sehr gern, ich lebe dort inzwischen länger als früher in Prag“) in Maxim Billers Roman „Sechs Koffer“ folgen, von allen in ihrer Familie das innigste Verhältnis zu ihrer Wahlheimat.
Am Dienstag ist sie am frühen Abend im Alter von 88 Jahren in Hamburg gestorben. Beerdigt wird die Erzählerin Rada Biller, deren Leben manchmal selbst ein Roman war, in Prag. Neben ihrem Ehemann, auf dem Neuen Jüdischen Friedhof; dort, wo auch Franz Kafka begraben liegt.