Hamburg. Die Stimmen waren etwas dünn, trotzdem war die „Figaro“-Premiere im Opernloft dank der raffinierten Besetzung ein voller Erfolg.
Dieses Stück ist so gut, dass es keine Regisseurin oder kein Regisseur der Welt in seinen Grundfesten je erschüttern könnte. Egal ob Mozarts Oper „Figaros Hochzeit“ im Sevilla des 18. Jahrhunderts, in einer comicartigen Fantasy-Welt wie in Stefan Herheims Neuinszenierung vor acht Jahren an der Hamburgischen Staatsoper oder in einem exklusiven Club für Reiche unserer Tage wie jetzt in Svenja Tiedts Opernloft-Premiere spielt – die Figuren und ihre Motivationen bleiben immer dieselben.
Die Premiere am Donnerstagabend war ein voller Erfolg im 20. Jubiläumsjahr des Opernlofts. Tiedt hatte die Oper von drei Stunden Spiellänge auf 90 Minuten zusammengestrichen und die Sängersolisten auf ein Quintett reduziert. Und sie besetzte die berühmte „Hosenrolle“ des Pagen Cherubino nicht mit einem Sopran, sondern mit einem Tenor, der sich zum Star des gesamten Abends entwickelte.
In roten Latzhosen über dem nackten Oberkörper und einem ausgefransten Strohhut gekleidet, sprang und tanzte der Südkoreaner Kyoungloul Kim über das rote Sofa, das wie ein Mund zum Küssen geformt war. Und um sein androgynes Wesen zu untermalen, ließ er seine Tenorstimme bei einer seiner Arien dann auch mal kurz ins Falsett rutschen.
„Figaros Hochzeit“ Mozarts Oper schwächelt im Club der Reichen und Schönen
Der von Stepan Karelin gesungene Figaro war bei Tiedt auch kein Friseur, sondern ein Handwerker, der ein wegen bewegungsintensiver Benutzung in diesem (Sex-)Club zu Bruch gegangenes Bett reparierte. Und der während seiner berühmten Eintrittsarien sogar ein Rad auf der Bühne schlug. Karelins Baritonstimme war für diese Partie aber deutlich zu schmal und in der Tiefe zu schwach, obwohl er ja nur gegen ein Klavier, eine Oboe und einen Kontrabass in Amy Brinkman-Davis’ gelungener Bearbeitung von Mozarts Partitur anzusingen hatte.
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Obwohl die Clubatmosphäre eigentlich eine gute Idee für die Begegnung der Mozartschen Figuren hätte sein können, gelang es der Regisseurin nicht, dieses Umfeld konsequent weiterzuentwickeln. Die dekorativ bleibende Örtlichkeit verlor sich rasch in der Aufmerksamkeit, und der Graf und die Gräfin Almaviva traten wie ein Herrscherpaar des 18. Jahrhunderts in Erscheinung, auch wenn Lukas Anton als triebgesteuerter Graf keinen Degen, sondern ein Pistolenholster wie ein FBI-Beamter unter dem Jackett trug.
Am Ende aber war der Graf im Drogenrausch das Opfer
Die dänische Sopranistin Freja Sandkamm überzeugte als Gräfin, obwohl sie bei der gefürchteten Arie „Porgi, amor“ dann doch an ihre Grenzen stieß und dynamisch nicht fein genug abstufte. Anna Galushenko verlieh der Susanna, ihrer Verbündeten und Konkurrentin im Kampf gegen den Grafen, etwas Aufreizendes und Intrigantes.
Am Ende aber war der Graf das Opfer, der im Rausch von Drogen alle Mitspieler in Ballettröckchen bei angedeuteten Kopulationen beobachten durfte und schließlich selbst gefesselt und entblößt bis auf die Unterhose allein auf dem roten Sofa zum Lohn für sein ungehemmtes Verhalten zurückgelassen wurde.
„Figaros Hochzeit“ wieder Mi 3.5., Mi 17.5., Sa 17.6., jew. 19.30, Opernloft (Bus 111), Van-der-Smissen-Str. 4, Karten ab 28,-; www.opernloft.de (print@home)