Hamburg. Manfred Honeck durchschritt das Requiem als ritualstarke Bekenntnismusik und Matthias Brandt rezitierte in mitfühlendem Duktus.
Der Titel dieses reizvoll ambitionierten Konzeptkonzerts klang, ganz leicht nur natürlich, nach historischer Musikwissenschaft im Endstadium: „Ein Requiem – Mozart und der Tod in Musik und Wort“. Der Dirigent Manfred Honeck, als Wiengeprägter schon gemütsgenetisch mit dem Sensenmann eher per Du als der Rest der Welt, hatte sich für seine drei Termine mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester ein Programm kuratiert, das sich um Mozarts unvollendet gebliebene Totenmesse drehte.
Dankenswerterweise, um nicht allzu speziell und kleinteilig zu werden, verzichtete Honeck auf die spröde Detektivarbeit, wie und warum welche Teile von wem nach Mozarts Tod bearbeitet oder fertig gestellt wurden – nach den acht Takten des „Lacrimosa“-Satzes brach das Original ab.
Elbphilharmonie: Klassiker sollen bei Honeck noble Erhabenheit behalten
Als dramaturgisch interessante Vor-Einstimmung kombinierte Honeck aber zunächst die „La clemenza di Tito“-Ouvertüre und eine reife, altersweise Haydn-Sinfonie, die mit ihren Stil-Verweisen auch als Würdigung des älteren Idols für das jung verstorbene Genie ausgelegt werden kann. Schon hier wurde aber auch klar, dass Honeck im Feld der historisch engagierten Aufführungspraxis eher im gefällig unauffälligen Mittelfeld zu finden ist.
Drastisches Aufrauhen und Befragen des Materials ist seine Sache nicht; die Klassiker sollen, zumindest in den getrageneren Abschnitten, bei ihm ihre noble Erhabenheit schon noch behalten. Der Orchesterklang, dort wie nach der Pause im Hauptteil: vor allem kompakt, mit lichten Momenten in den Tanz-Abschnitten.
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Elbphilharmonie: Drei letzte Glockenschläge
Umso düsterer begann die eigentliche Seminar-Arbeit, mit drei Glockenschlägen in die Stille hinein, denen der erste von einigen gregorianischen Gesängen folgte, unsichtbar aus der Tiefe des Großen Saals von der Schola Cantorum Ansgarii ins Rund gesungen. Ein bisschen zu frontal musiktheatralisch vielleicht, um ins Thema zu gehen, doch seine eindringliche Wirkung verfehlte dieser Einfall nicht. Die „Maurerische“ Trauermusik“ und das „Laudate Dominum“ fanden einen angemessen anrührenden Tonfall, die Sopranistin Katharina Konradi deutete den Text mit ruhiger Innigkeit aus. Als zweite Verständnis-Ebene für das Oberthema rezitierte Matthias Brandt mit seinem intensiv mitfühlenden Duktus Biblisches aus der Offenbarung des Johannes und mal grübelnd, mal mahnend Literarisches von Nelly Sachs.
Das Requiem selbst, zweigeteilt und mit der „Ave verum corpus“-Motette stimmig zu einem liturgisch so nicht vorgesehenen Ende gebracht, durchschritt Honeck als ritualstarke Bekenntnismusik. Ein solide bis beeindruckendes Solistenquartett, das NDR Vokalenensemble plus Lettischer Rundfunkchor funktionierten. Der Kreis des erloschenen Lebens schloss sich nach den Worten „Sei uns Stärkung in des Todes Prüfung“ mit drei letzten Glockenschlägen, bevor der große Applaus für diese Idee würdigend begann.
Das Konzert wird am heutigen Freitag (20 Uhr) wiederholt und von NDR Kultur live übertragen. Weitere Wiederholung am 5.3. (18 Uhr). Evtl. Restkarten.