Hamburg. 360-Grad-Erlebnisausstellung verspricht eine „mexikanische Farbexplosion“. Kann so ein Spektakel dem Leben der Malerin gerecht werden?
Acht Tage hat es gedauert, bis „Monets Garten“ eingepackt war. Der Aufwand, den auch schon die Vorbereitung der Schau verlangt hatte, hatte sich gelohnt: Die Ausstellung musste um einige Wochen verlängert werden, 120.000 Besucherinnen und Besucher strömten ins United Scene in der Gaußstraße, um sich den größten Impressionisten immersiv reinzuziehen – und sich selbst Instagram tauglich zu inszenieren.
Kunst Hamburg: Was würde Frida Kahlo zu dieser Ausstellung sagen?
Auch bei der Folgeschau sind die Organisatoren anscheinend sehr siegessicher – der Aufsteller „Wir sind aktuell ausverkauft!“ steht schon am Eingang der von außen recht schmucklos erscheinenden Ausstellungshalle bereit, einen Tag, bevor das laut Veranstalter Alegria Exhibition nächste immersive „Erlebnis für jeden und alle, eine wahrhaft mexikanische Farbexplosion“ eröffnet.
Dieselbe Location, dieselbe Produktionsfirma, wieder Kunst. Dieses Mal sollen Leben und Werk der berühmtesten lateinamerikanischen Malerin Frida Kahlo durch High-Tech lebendig werden; das Publikum soll darin „eintauchen, sich eine Auszeit vom Alltag“ nehmen. Mit „Edutainment“ beschreibt Kreativdirektor Roman Beranek die 360-Grad-Familienausstellung „Viva Frida Kahlo“, die bereits München und Lausanne bereist hat.
Kahlo verarbeitete Busunfall in surrealistischem Gemälde
Zunächst wird etwas klassische Museumspädagogik in Form einer Zeitleiste serviert. Frida Kahlo, geboren am 13. Juli 1907 in Mexiko-Stadt, wuchs mit drei Schwestern in der Caza Azul auf und wurde von ihrem Vater, einem Fotografen, künstlerisch inspiriert. Der Innenhof dieses „blauen Hauses“ ist als Kulisse nachempfunden und präsentiert ein erstes ikonisches Selbstbildnis: „Ich und meine Papageien“ von 1941.
Mit 18 Jahren wurde Frida Kahlo bei einem Busunfall schwer am Becken verletzt und musste daraufhin lange Zeit im Krankenbett verbringen. In dieser Zeit begann sie zu malen, verwandelte ihren „Schmerz in Schönheit“, wie sie es selbst beschrieb. Dieses traumatische Erlebnis verarbeitete die Künstlerin 1929 im surrealistischen Gemälde „Der Bus“.
In einer 45-minütigen Show wird ihr Leben von einer Sprecherin mit mexikanischem Akzent weitererzählt, gespickt mit Zitaten der Künstlerin, derweil ihre im Original meist kleinformatigen Bilder von Hochleistungsprojektoren auf zehn mal fünf Meter große Wand- und Bodenflächen geworfen werden, untermalt von einem dafür komponierten Soundtrack. Was würde die Malerin zu dieser Ausstellung sagen?
Das Immersive nutzt sich mit der Zeit stark ab
Frida Kahlo war eng mit ihrer Heimat verbunden. Ihr Ehemann und Erbe, der Maler Diego Rivera, ließ verfügen, dass ihre Bilder Mexiko nicht verlassen dürfen. Nun gehen sie computeranimiert auf Wanderschaft, darunter zahlreiche Selbstporträts, inspiriert von mexikanischer Folklore und tropischer Natur. Diese Exklusivität, kombiniert mit der Tragik ihrer Vita, ergibt die gewünschte Dramaturgie.
Nach „Van Gogh Alive“ und „Monets Garten“ macht sich allerdings Ermüdung breit. Zu sehr ähnelt sich die Performance, von der sich die Zuschauer auf Hockern und Sitzkissen über den Raum verteilt berieseln lassen; das Immersive nutzt sich mit der Zeit stark ab. Ganz zu schweigen davon, dass für einen empfohlenen Aufenthalt von 60 bis 70 Minuten für Erwachsene 23 Euro aufgerufen werden.
Roman Beranek begründet dies mit aufwändiger Technik sowie dem Erwerb der Bildlizenzen, ist sich aber bewusst, dass man „in der Produktion innovativ bleiben muss“, um das Publikum auch künftig bei Laune zu halten.
Als Höhepunkt wurde daher eine Virtual-Reality-Tour entwickelt, bei der man sich mit VR-Brille und Kopfhörern vom Sessel aus in die symbolbeladene Gefühls- und Traumwelt der Künstlerin begibt.
In den USA ist Frida Kahlo längst eine feministische Ikone
Darin tauchen auch Fotos von jungen Frauen auf, die sich wie Frida Kahlo stylen – inklusive der signifikanten durchgezogenen Augenbrauen, Blumen im Haar und traditioneller Kleidung. Die emanzipierte und trotz vieler Schicksalsschläge kämpferische Frau, die schon mit 47 Jahren an einer Lungenembolie starb, ist in den USA längst zur Ikone der feministischen Bewegung geworden.
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Kahlo-Ausstellung erzählt starke Geschichte – bei allem Bilderflackern
„Sie hatte neben ihrer Ehe zur selben Zeit eine Affäre mit Leo Trotzki und Josephine Baker, war Mitglied der Kommunistischen Partei. In ihrem Nonkonformismus ist Frida Kahlo das ideale Role Model für die Selbstermächtigung der Frau“, begründet Co-Produzent Nick Hellenbroich die Wahl der Fokuskünstlerin. Bei allem Bilderflackern erzählt „Viva Frida Kahlo“ einfach und eindringlich eine starke Geschichte.
„Viva Frida Kahlo“ bis 9.7., United Scene (Bus 150 Fabrik), Gaußstraße 190a, Mo–Do 10.00–21.00, Fr–So 9.00–22.00, Eintritt ab 23 Euro (Ermäßigungen siehe Website), www.fridakahlo.de