Hamburg. In Ottensen überwältigt das Werk des Impressionisten mit einer multimedialen Installation aus Farbe, Klang und Licht.

Die Zeiten, in denen man durch stille Galerien schlich und Gemälde aus der Ferne betrachtete, sind zwar nicht vorbei, aber im United Scene, einer neuen Veranstaltungshalle in der Gaußstraße, wird mit „Van Gogh Alive“ eine ganz neue Art des Kunstgenusses geboten: Nach einer kurzen Zeitleiste, die die wichtigsten Stationen des Künstlerlebens erzählt, und einem nachempfundenen Schlafzimmer van Goghs in Arles, in dem Selfies gemacht werden können, gelangt man in zwei abgedunkelte Räume.

Dort werden, höhenversetzt, auf meterhohen Videoleinwänden die Bilder des berühmten Niederländers Vincent van Gogh (1853–1890) projiziert und digital animiert: Mal bewegen sich die Wolken über dem Weizenfeld mit Zypressen, mal raucht es aus der Zigarette, die einem Totenschädel zwischen den Zähnen klemmt.

Ausstellung Hamburg: Atmosphäre hautnah erleben

Die pastösen Pinselstriche, die enorme Farbpalette, die sich allein im Gesicht eines porträtierten Postboten oder in den Selbstbildnissen des Malers offenbart, die magische Atmosphäre in seinen Landschaften und Stillleben – all das können Besucherinnen und Besucher hautnah erleben.

Untermalt und verstärkt werden die optischen Eindrücke von klassischer Musik. Sie sollen die emotionalen Turbulenzen dieses außergewöhnlichen Künstlerlebens spiegeln, das in Paris begann und sich über Arles bis Saint-Rémy spannte – van Goghs letzter und prägendster Schaffensphase während seines Aufenthalts in einer Nervenheilanstalt. So leitet Ian Hughes mit „Fromage Francais“ den Anfang von van Goghs Karriere in der Seine-Metropole ein. Rhythmisch abgestimmt wechseln die üppigen Blumen-Stillleben auf den Leinwänden zum „Pizzicato“ von Léo Delibes. Aus einer Ecke strömt Blumenduft herbei.

"Van Gogh Alive": Auf Sitzkissen verschiedene Perspektiven einnehmen

Die Besucher können auf Stühlen und Sitzkissen ihre Positionen in den Räumen wechseln und so verschiedene Perspektiven auf das Spektakel einnehmen. „Ich habe mein Herz und meine Seele in meine Arbeit gesteckt und dabei meinen Verstand verloren“ – Zitate des Künstlers werden in englischer Sprache an die Wände geworfen, sie geben Einblicke in eine zarte, verletzte Seele, die nie aufhörte, an die Schönheit und Kraft der Malerei zu glauben.

Die berühmten „Sonnenblumen“ dürfen natürlich nicht fehlen.
Die berühmten „Sonnenblumen“ dürfen natürlich nicht fehlen. © Grande-Exhibitions

Alle Sinne will diese, mit 25 Euro Eintrittsgeld exklusive „Experience“ ansprechen und damit den Impressionisten einer jüngeren Generation (ab drei Jahren!) bekannt machen. „Van Gogh bietet sich dafür an aufgrund seiner Prominenz, aber vor allem wegen seiner farbstarken Malweise“, sagt Heinrich Glasmeyer, der Hamburger Kommunikationsmanager, der hinter dieser Idee steckt und sich „privat einfach für Kunst interessiert“.

Seit 2011 tourt „Van Gogh Alive“ um die Welt, schon in 70 Städten gastierte die Installation, von Lugano bis Los Angeles. Die digitale Technik stammt aus Hongkong; zusammengearbeitet wird mit Veranstaltungsteams aus der jeweiligen Stadt.

Ausstellung: Man könnte stundenlang in dieser Traumwelt zubringen

Dass das Publikum größtenteils doch wie in einer Galerie oder im Museum leisetritt und – wenn überhaupt – spricht, liegt an der besonderen Atmosphäre, dieser Symphonie aus Farbe, Klang und Licht, die einen gefangen nimmt. Stundenlang könnte man in dieser Traumwelt zubringen und sich der Pracht dieses Genies hingeben, darin immer wieder neue Details entdecken, sich überwältigen lassen.

Spektakulär: Vincent van Goghs Gemälde „Sternennacht“ (1889) auf allen Wänden und am Boden aufgefächert.
Spektakulär: Vincent van Goghs Gemälde „Sternennacht“ (1889) auf allen Wänden und am Boden aufgefächert. © Grande Exhibitions

Etwa dann, wenn in „Sternenklare Nacht über der Rhône“ das Flusswasser auf einer Bodenprojektion wie lebendig plätschert, das Gemälde sich an allen Wänden auffächert und dazu Camille Saint-Saëns’ „Aquarium“ aus „Der Karneval der Tiere“ erklingt.

Ausstellung Hamburg endet in nüchterner Realität

Am Ende dieser übersinnlichen Erfahrung wird man in einen weißen, recht nüchternen Shop gespült. Und landet zwischen kunstbedruckten Mousepads, Kaffeebechern und Einkaufstaschen dann doch wieder in der gewohnten Ausstellungswelt.

„Van Gogh Alive“ bis 8.6., United Scene (Bus 2 Schützenstraße), Gaußstraße 190a, täglich 10.00–20.00, Eintritt 25,-, www.vangogh-alive.de