Hamburg. Die Entertainerin beglückte ihre Fans gleich doppelt. Ihr Programm? Es bleibt gleichzeitig grenz- und vollwertig.
- Ina Müller ist in der Elbphilharmonie aufgetreten
- Die Entertainerin unterhielt ihre Gäste dabei nicht nur mit ihren Songs sondern auch ihrer „Sabbelei“
- Geschichten aus dem Nähkästchen etwa über Johannes Oerding durften da nicht fehlen
Diese Frau ist eine Volksbeglückerin. Eine, die es versteht, mit universaler Ansprache und einer bestimmten Form von Selbstenthüllung die Leute für das eigene Tun einzufangen. Ja, Ina Müller ist ein bisschen wie die fabelhafte Helene, die gerade ihre Fischer-Festspiele in Hamburg abhält. Nur dass Helene ihren Freund leibhaftig zum akrobatisch-nudistischen Tête-à-Tête auf die Bühne der Barclays Arena holte.
Ina Müller, die engagierte Schellfischposten-Talkerin aus Hamburg, hatte ihren Freund beim Doppelkonzert in der Elbphilharmonie am Sonnabend im ersten schon mal nachweislich nicht persönlich dabei.
Aber sie redete – Müller selbst würde es „sabbeln“ nennen – durchaus des Öfteren von ihm, dem Musikerkollegen Johannes Oerding. Und wo Fischers ultraglattes musikalisches Angebot im Niedrigschwelligen die Massen lockt, sind es in etwas kleinerem Maßstab bei Müller eingängige Songs mit Themen, die besonders Frauen ihrer Generation abholen.
Ina Müller: Doppelshow in der Elbphilharmonie
Aber, na klar, eben besonders auch die Laber-Einlagen zwischen den Liedern. Letztere stammen auf der aktuellen Tour von ihrem Mittelalter-Album „55“ und wurden bereits Anfang 2022 in der Elbphilharmonie gespielt – auch da in einer Doppelshow.
Nun, wer damals bereits im Konzerthaus war, der dürfte manche der Gags der inzwischen 57-Jährigen wiedererkannt haben. Ihre patente Begleitband – zwei Backgroundsängerinnen, fünf männliche Instrumentenbetätiger – teilte sich in zwei Gruppen: Die Damen lachten bei Müllers Vortrag („Beim Lockdown habe ich dreimal gegessen, fünfmal geschlafen, immer noch derselbe Tag ... Ich habe angefangen zu saufen, dann ging’s“), die Herren blickten, ohne eine Miene zu verziehen. Tour-Stoizismus hier, auch beim x-ten Mal immer noch Amüsement da.
Ina Müllers Lieder sind vielschichtiger als Helene Fischers Schlager
Amüsiert war das Publikum durchgehend. Das liegt daran, dass es auf den derben Witz Müllers, auf die Offenherzigkeit und ihr Zielen auf geklopfte Schenkel geeicht ist. Sagen wir es frei heraus: Ina Müller („Trau nie den strahlenden Augen eines Mannes, es könnte die Sonne sein, die durch sein hohles Hirn scheint“) ist nicht selten so flach wie mancher sogenannte Kultkomiker. Aber halt Mario Barth in sympathisch.
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Wobei ihre Lieder („Fast hält länger als fest“ zum Beispiel) übrigens anders als die Schlichtheit vieler Schlager über Hintersinn verfügen. Wie in den Songs deklinierte die Sängerin, die gut bei Stimme war, auch in den üppig bemessenen Redeteilen die Themen „Älterwerden“, „Früher und heute“ und „Beziehungen“ durch.
Ina Müller und der übergroße Hang zur Zotigkeit
Das war in seiner Penetranz manchmal grenz-, aber in dieser Kombination eben auch vollwertig durch Zweifachbearbeitung: Man muss es aber eben grundsätzlich mögen, wenn jemand gleichzeitig Musikerin und Komikerin sein will.
Der übergroße Hang zur Zotigkeit („Bei Satin muss man aufpassen. Wenn da ein Nippel auf Drei steht und einer auf Zehn, nimmt dich ja keiner mehr ernst“, „One-Night-Stand, das Wort gab es damals noch gar nicht, das hieß ,Stichprobe‘“) überdeckte nicht die ernsten Themen. Und was wäre ernster als die Tatsache, dass man unversehens zu den Alten gehört, wo man doch eben noch jung war?
Elbphilharmonie: Das Publikum war ebenfalls nicht blutjung
Ihr jeweiliges Alter ist immer Müllers Thema gewesen. Ihr jetziges erlaubt es ihr, sich noch elanvoll auf einen dekorativ auf der Bühne herumstehenden Flügel zu schwingen. Da gab es Szenenapplaus vom ebenfalls nicht blutjungen Publikum. Und Nostalgiesongs wie „Rauchen“ klingen vermutlich nie so wahrhaftig wie dann, wenn man, schluck, auf die 60 zugeht.
Es war ein stimmungsvoller Auftritt zu Hause, ein Selbstläufer für die begnadete Entertainerin Ina Müller. Aber das war ja vorher klar.