Hamburg. Im Jungen Schauspielhaus wurden die Besten der vergangenen Saison ausgezeichnet – unter ihnen Ballett-Chef John Neumeier.
Er hat schon eine gewisse Tradition. Seit 16 Jahren wird der Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares (zuvor Rolf-Mares-Preis) vergeben. Ebenfalls Tradition ist, dass er alljährlich an einem Montagabend im Herbst in einem anderen Theater vergeben wird.
So jung wie bei der diesjährigen Verleihung kommen die Gäste und Ausgezeichneten wohl so schnell nicht wieder zusammen: Das Junge Schauspielhaus, erst vor gut einem Jahr am Wiesendamm an der Grenze von Winterhude zu Barmbek-Nord eröffnet, bot knapp 200 Menschen Platz und Gelegenheit dazu.
Klaus Schumacher, seit 2005 Leiter des Jungen Schauspielhauses (an zuvor wechselnden Standorten), freute sich sichtlich, in der beeindruckenden Kulisse der aktuellen „Romeo und Julia“-Inszenierung einen Teil der Hamburger Theater-Gemeinschaft begrüßen zu können. Mit Laura Brust (Theaterpädagogin am Jungen Schauspielhaus) führte Schumacher selbst auf der Drehbühne durch den fast zweistündigen Abend, ergänzt von musikalischen Darbietungen seines jungen Ensembles.
Theaterpreis Hamburg vergeben: Das sind die Preisträger
Und so eröffnete das Lied „Irgendwo auf der Welt“ des hauseigenen Ensembles die Preisverleihung noch vor den Grußworten von Isabella Vértes-Schütter und Tim Till, beide Vorstandsvorsitzende des Veranstalters Hamburger Theater e.V. Kultur-Staatsrätin Jana Schiedek sagte: „Der Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares kann dabei Würdigung, Unterstützung, sowie Sprungbrett für die ausgewählten Künstlerinnen, Künstler und Institutionen sein“, so die SPD-Politikerin.
„Gerade in diesen krisenhaften Zeiten ist der Preis aber auch ein Dank an die Preisträgerinnen und Preisträger, die mit ihren kreativen Ideen und mit Mut neue Wege aus der Krise denken und andere Arten des Zusammenlebens erfahrbar machen.“
Das wollte auch der älteste, zugleich prominenteste der zehn diesjährigen Preisträger: Hamburgs Ballett-Chef und Ehrenbürger John Neumeier war zwar an diesem Abend verhindert und ließ seine Dankesworte von Vértes-Schütter verlesen. Einen Preis in der neuen Kategorie Konzeption erhielt Neumeier dennoch.
John Neumeier für besonders Projekt geehrt
In seiner Collage „Die Unsichtbaren“ hatte er im Frühjahr an Tänzerinnen und Tänzer, die im Deutschland der 20er- und 30er-Jahre verfolgt und ermordet worden waren, auf beeindruckende Weise erinnert. Die Produktion mit dem Bundesjugendballett sowie Schauspielerinnen und Schauspielern auf der Bühne des Ernst Deutsch Theaters – nicht für die siebenköpfige Jury des Theaterpreises Hamburg ein „wichtiges, zutiefst bewegendes Zeit-Theater“.
Anstelle der erkrankten Jury-Vorsitzenden Inge Volk richtete das langjährige Jury-Mitglied Maike Schäfer einige Worte an die Anwesenden. Und weil die Jury seit fünf Jahren nicht mehr zwanghaft jede Kategorie besetzt, vergab sie in der für „Herausragende Darstellung“ gleich drei Preise mit zwei Überraschungen.
Theaterpreis Hamburg für Jascha Schütz in „Woyzeck“
Claudia Isbarn, 1985 Mitbegründerin, heute kaufmännische Leiterin, Regisseurin und Schauspielerin am kleinen Hoftheater in Horn überzeugte die Jury in „Die Maria und der Mohamed“. Als zunehmend pflegebedürftige Maria wehrt sie sich zunächst mit fremdenfeindlichen Bemerkungen gegen den eher zufällig anwesenden syrischen Geflüchteten Mohamed. Hinter der rauen Schale berührt Isbarn dann umso mehr mit ihrer Darstellung einer facettenreichen Frau.
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Recht unerwartet, jedoch ebenso verdient die Auszeichnung an Jascha Schütz in Georg Büchners Dramenfragment „Woyzeck“ in der gleichnamigen Inszenierung Björn Kruses am Theater das Zimmer. Für Hamburgs kleinste Bühne, die ebenfalls in Horn in einem Ex-Ladenlokal steht, mit seinen maximal 40 Plätzen ist es die zweite Auszeichnung binnen kurzer Zeit: Erst Anfang November hatte das Theater das Zimmer für seine Arbeit der vergangnen Spielzeit den mit 50.000 Euro dotierten Barbara-Kisseler-Preis bekommen.
Nun darf sich Schauspieler Schütz – wie alle Preisträger – über 1000 Euro und einen hochwertigen Montblanc-Füllfederhalter freuen – im Solo-Stück „Woyzeck“ hatte er teilweise in schnellem Wechsel auch alle anderen Parts übernommen.
Daniel Hoevels am Deutschen Schauspielhaus „eine Idealbesetzung“
Daniel Hoevels reichte für den Preis die Rolle des Michail German in „Revolution“ am Deutschen Schauspielhaus. Als blasser und ehrgeiziger Architektur-Dozent, der sich in den 2010ern mit einem mafiösen Geheimbund einlässt, spielt er eines unpolitischen Mitläufer mit dem Willen zur Unterwerfung bei gleichzeitiger Verführbarkeit durch Macht. Der in Schweden geborene Hoevels, seit 2020 Ensemblemitglied am Schauspielhaus, war für die Jury „eine Idealbesetzung in der rasanten, ästhetisch-politisch bestechenden Inszenierung“ von Dušan David Pařízek. Das in Moskau spielende Stück basiert auf dem Roman des aus Belarus stammenden Autors Viktor Martinowitsch.
In der Kategorie Regie wurde Ayla Yeginer bei ihrem Hamburger Comeback für ihre Arbeit an Hans Falladas Welterfolg „Kleiner Mann – was nun?“ geehrt. Die Fassung auf Hoch- und Plattdeutsch hatte im März mit zwei Jahren Corona-Verspätung im Ohnsorg-Studio Premiere. Ayla Yeginer, inzwischen Co-Schauspieldirektorin am Theater Niedersachsen in Hildesheim, gelang eine zeitgenössische Adaption des 90 Jahre alten Romans mit klarer Handschrift. Bei aller Tragik gewährte sie den vier Mitwirkenden immer Raum für Situationskomik, erreichte so nicht nur die Herzen des Publikums , sondern offenbar auch jene der Jury-Mitglieder.
Vier Masken- und Kostümbildnerinnen ausgezeichnet
Galt gleichfalls bei Francoise Hüsges. Weil die Sanierung im Monsun Theater stockt und Hamburgs ältester Off-Bühne in Ottensen das Aus drohte, hatte die Intendantin (seit 2015) in nur zwei Monaten eine Ausweich-Spielstätte an der Gaußstraße aufgebaut, eine ehemalige Fahrradlagerhalle des Fundbüros. Seit Ende Februar nutzt sie die neuen Räume mit immer neuen überraschenden Theaterformen, digital und analog. Kooperiert mit anderen Theatern aus Hamburg, Berlin und sogar weltweit und veranstaltete das inklusive „Aussicht“-Festival. Dafür gab es den Sonderpreis.
Und damit der Blick auch fürs Publikum stimmt, vergaß die Jury auch die neue Kategorie Maske nicht: Mit Julia Wilms, Jutta Böge, Esther Chahbaznia und Jelena Miletić wurden gleich vier Masken- und Kostümbildnerinnen ausgezeichnet. Das Team hatte mit aufwendiger Handarbeit und Kunstfertigkeit bei Bastian Krafts „Tod in Venedig“ am Thalia Theater/Thalia Gaußstraße ganz Arbeit geleistet.