Hamburg. Ausgerechnet der, den – fast – alle loben, ist bei der Verleihung des Rolf-Mares-Preis nicht anwesend und befeuert so Gerüchte.
Carsten Brosda ist nicht da. Eigentlich hätte der Kultursenator zur Verleihung des „Theaterpreises Hamburg – Rolf Mares“ ins Opernloft kommen sollen, aber der Sozialdemokrat musste kurzfristig nach Berlin, wo die kommende Bundesregierung Gestalt annimmt. Staatsrätin Jana Schiedek vertritt ihn mit einem Grußwort, und Opernloft-Betriebsleiterin Susann Oberacker unkt: „Kein Mensch weiß, weswegen Carsten Brosda nach Berlin gefahren ist, aber wahrscheinlich wird in Hamburg bald eine Stelle frei. Wäre schön, wenn Jana Schiedek die bekäme.“
Und als Moderator Michel Abdollahi ebenfalls über alte und neue Senatoren (beziehungsweise Senatorinnen) sinniert, muss Schiedek Position beziehen: „Ich bin der festen Überzeugung, dass Carsten Brosda in Berlin das Beste für die Hamburger Kultur verhandelt. Um dann fröhlich nach Hamburg zurückzukommen und Kultursenator zu bleiben.“ Allerdings fügt sie hintergründig hinzu, dass sie das einfach mal annimmt. Schon klar.
Theaterpreis Hamburg: Schiedek grüßt senatstauglich an Brosdas Stelle
Senatstauglich ist Schiedeks Grußwort schonmal. Klug spricht sie über den Unterschied zwischen Fake und Fiktion im Theater, um dann die utopische Kraft der Darstellenden Künste in der Pandemie zu beschwören: „Gerade in der Zeit, in der die Kulturorte geschlossen waren, wurde uns schmerzlich bewusst, was für eine Kraft in der künstlerischen Fiktion steckt, wie nah und profund sie uns an die Wahrheit heranführen kann.“
Weil die Kulturorte geschlossen waren, gab es vor einem Jahr keine Preisverleihung. Weswegen 2021 zwei Spielzeiten abgedeckt werden: Insgesamt 16 Preise in Höhe von 1000 Euro sowie je ein hochwertiger Füllfederhalter werden vergeben, und damit das nicht allzu spröde daherkommt, liefert das Opernloft-Ensemble zwischendurch Kostproben aus dem hauseigenen „Opernslam“-Format.
Dankesreden – inklusive Dämpfer für die Carsten-Brosda-Begeisterung
Was nicht davon ablenken soll, dass es hier um die Würdigung von Theaterleistung geht. Und weil die Geehrten Bühnenprofis sind, lockern einige Dankesreden den Abend dann auch wirklich auf. Zum Beispiel, wenn Sebastian Zimmler (Herausragender Darsteller 2020 für „Der Boxer“ am Thalia) eine Rede des Aldi-Gründers zitiert: „Ich wollt’ gar nicht, dass ihr alle kommt! Ich habe Hunger!“ Wenn Thomas Niehaus (Herausragender Darsteller 2021 für „Mittagsstunde“, ebenfalls am Thalia), daran erinnert, wie er schon einmal einen Preis gewonnen habe: vor 30 Jahren als kleiner Junge, beim Malwettbewerb „Der schönste Weihnachtsmarkt“ einer Lübecker Bausparkasse.
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Oder wenn Helge Schmidt, geehrt als Regisseur des regierungskritischen Stücks „Tax For Free“, sarkastisch der Hamburger Sozialdemokratie dankt und damit die Carsten-Brosda-Begeisterung des Abends konterkariert. „Tax For Free“ ist entstanden am Lichthof Theater, dem die Kulturpolitik längst ein größeres Haus versprochen hatte, dieses Versprechen aber jüngst wieder zurückgenommen hat. „Wenn jetzt angefangen wird, an der Kultur zu sparen, ist das das völlig falsche Vorgehen zur völlig falschen Zeit“, meint Schmidt. Doch nicht alles eitel Sonnenschein.
Hamburger Theaterpreis: Zwei Jahrgänge Rolf-Mares-Preis
Weitere Preisträger 2020 sind Clemens Mädge und Kathrin Mayr (für Dramaturgie und Regie von „Fabian“ am Monsun Theater), Zita Schnábel (für das Bühnenbild von „Das Schloss“ am Schauspielhaus), Ute Hannig (für die Darstellung der Ora in „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“ am Schauspielhaus), Freja Sandkamm (für die Darstellung der Violetta in „La Traviata“ am Opernloft), Maria Hartmann (für die Darstellung der Fran in „Dinge, die ich sicher weiß“ am Ernst Deutsch Theater), Stephan Benson und Christian Nickel (für ihre Darstellung in „Bruder Norman“ am Polittbüro) sowie Barbara Auer und Johann von Bülow (für ihre Darstellung in „Heilig Abend“ am St. Pauli Theater).
2021 werden Regisseur David Bösch, Ausstatter Patrick Bannwart sowie Zeichner Falko Herold ausgezeichnet (für das zwischen Film, Musiktheater und Animation angesiedelte Gesamtkunstwerk „Weiße Rose“ an der Hamburgischen Staatsoper), Eva Mattes (für die Darstellung der Kirke in „Lärm. Blindes Sehen, Blinde Sehen!“ am Schauspielhaus) und Ines Nieri (für gleich vier Rollen in „Tyll“ am Ernst Deutsch Theater).
Ein Sonderpreis für die Kulturbehörde – "Hamburg hat viel Geld in die Hand genommen"
Und der (nicht dotierte) Sonderpreis 2020 geht der an die gesamten Hamburger Theater, die während des Lockdowns ins Netz ausgewichen waren: „Theater wäre kein Theater, Künstler keine Künstler, wenn sie still geblieben wären“, so Juryvorsitzende Inge Volk. Und 2021 an die Behörde für Kultur und Medien. Deren Handeln in der Pandemie nämlich sei laut Jury vorbildlich gewesen: „Hamburg hat viel Geld in die Hand genommen, es wurde unbürokratisch gehandelt, dazu gab es Beratung in jeder Lage, zu jeder Zeit, und immer auch von Senator Carsten Brosda selbst. Die Theater in Hamburg fühlten sich verstanden und sehr gut aufgehoben.“
Wenn man sich an Helge Schmidts vergiftetete Danksagung erinnert, weiß man, dass das nicht für alle Theater zu 100 Prozent gelten mag, dennoch: Gerade beim Blick in andere Bundesländer muss man anerkennen, dass in der Hansestadt sehr umsichtig gehandelt wurde.
Und schließlich gibt es auch beim Opernslam eine Siegerin. Und zwar Rebecca Alina Frese, die insbesondere mit einer trunkenen Arie das Publikum für sich gewinnt. Dafür kann sie sich zwar nichts kaufen, glücklich wirkt sie dennoch. Wie so ziemlich alle an diesem Abend.