Hamburg. Maximal 40 Plätze: Der Barbara Kisseler Theaterpreis für 2021/22 geht überraschend an Hamburgs kleinste Bühne in Horn.
Wenn das Angelika Landwehr noch erlebt hätt, mag sich am Mittwoch mancher Privattheater-Insider gedacht haben. 1999 hatte die im persönlichen Umgang nicht immer einfache Schauspielerin und Regisseurin in Hamburg-Horn ihr Theater in der Washingtonallee eröffnet – in einem ehemaligen Ladenlokal.
Dort förderte sie auch den Nachwuchs und spielte oft selbst Ein-Personen-Stücke. Als die Stadt – wegen fehlender Kapazitätsauslastung von mindestens 50 Prozent – die Förderung reduzierte und einstellen wollte, gab die engagierte Theaterleiterin 2014 enttäuscht auf. 2020 starb Angelika Landwehr im Alter von nur 60 Jahren an Krebs.
Barbara Kisseler Theaterpreis geht an Theater das Zimmer
Ironie der Hamburger Theatergeschichte: Nun erhalten ihre Nachfolger Lars Ceglecki und Sandra Kiefer, die Hamburgs kleinste Bühne mit maximal 40 Plätzen, seit acht Jahren unter dem Namen Theater das Zimmer weitergeführt und belebt haben, den Barbara Kisseler Theaterpreis für die Spielzeit 2021/2022. Dank der Hermann Reemtsma Stiftung ist er wiederum mit 50.000 Euro dotiert.
Ganz im Sinne der im Oktober 2016 verstorbenen Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler werde damit ein Privattheater gewürdigt, das eine für alle Kultureinrichtungen schwierige Saison mit viel Engagement erfolgreich abschließen konnte und das Publikum mit seiner ganz eigenen Atmosphäre begeistert, hieß es aus der Kulturbehörde.
„Das Programm folgt keinem (Mode-)Trend"
Kisselers Nachfolger Carsten Brosda (SPD) sagte: „Gerade die kleinen Privattheater müssen sich oft im umfangreichen kulturellen Angebot behaupten. Das Wagnis, Theater in einem Zimmer, direkt und ohne Rang oder Parkett zu präsentieren, ist eine beherzte, mutige und von der Hingabe zum Theaterspiel geprägte Entscheidung. In der intimen Atmosphäre des Theater das Zimmer kann man hervorragend spüren, was den Zauber des Theaters ausmacht.“
In der Begründung des jährlich wechselnden, aber stets anonymen Jurors respektive der Jurorin heißt es: „Das Programm folgt keinem (Mode-)Trend, sondern setzt sich mit der Welt und der Literatur auseinander – buchstäblich auf kleinstem Raum, in Corona-Zeiten hart an der Einstelligkeit vorbei. Stets hochkonzentriert auf die Sache, den Gegenstand. Die große Welt auf kleinstem Raum. Man trifft fortwährend auf ein interessiertes, fachkundiges Publikum, das sich hier erkennbar zu Hause fühlt – der Klassiker in Privattheatern.“ An der Washingtonallee werde konkret, was Theater bedeutet, „wenn es heißt, es schaffe gesellschaftlichen Zusammenhalt durch sein Vorhandensein und durch seine Themen, die es einbringt“,urteilte die Ein-Personen-Jury.
Barbara Kisseler Preis wird im Opernloft verliehen
Ceglecki und Sandra Kiefer, beide ausgebildete Schauspieler, setzen auch 2022/ 23 auf eine Mischung aus Klassikern, Komödien und zeitgenössischem Schauspiel. Mitte September hatten sie die Saison mit „Wenn im Stundenglas der Sand mal klumpt“ eröffnet, einer originell-aktuellen Betrachtung über die Zeit. In diesem Oktober steht Heinrich von Kleists „Die Marquise von O.“ auf dem Spielplan.
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Die Verleihung des Barbara Kisseler Preises, der insbesondere die Privattheater und die Freien Gruppen in Hamburg würdigen soll, nimmt Senator Brosda am 6. November im Opernloft vor.