Hamburg. Grafikdesigner und Musiker Timo Zett versteigert sein Bild der derzeit umstrittenen Sternbrücke für die Hamburger Clubstiftung.

Es gibt nicht viele ungemütlichere Orte als die Kreuzung von Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee: Mehrspuriger Verkehrswahnsinn unter den vier Gleisen der alles überspannenden Sternbrücke. Ewiges Gerumpel, Gequietsche, Gestotter. Beton, Stahl, Asphalt. Beulen und Biegungen, Rost und Spack. Aufkleber und Plakate, kunstvolle Grafittis und stümperhafte Schmierereien. Hier entblättert sich nicht die Schönheit einer Großstadt, hier blättert sie ab, nur noch zusammengehalten von einer neuen Schicht Aufkleber, Plakate oder Sprühfarbe.

Und doch hängen viele Hamburger Menschen mit ihrem ganzen Herzen an diesen 2009 auf dem Albumcover von Jan Delays „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ verewigten Ecken, auch der Musiker, Zeichner und Grafikdesigner Timo Zett. In den Bars und Discos dieses Clubdreiecks mit Waagenbau, Fundbureau, Astra Stube, Souledge und Bar 227 hat er oft gefeiert, als Gitarrist mit seiner Band Danube’s Banks gespielt, Konzerte besucht oder einfach nur ein gutes Gespräch gehabt.

„Diese vielen kleinen Clubs und Bars, die machen natürlich die Kulturhochburg Hamburg mit aus. Sie bieten perfekte Experimentierküchen für alles Mögliche. Es wäre schon sehr schade, wenn das jetzt alles wegfällt,“ spricht Zett aus, was viele fürchten. Denn nicht nur die Corona-Krise setzt dem Musik-Mikrokosmos hart zu, sondern auch die seit Jahren umstrittene Sanierung respektive der Neubau der Sternbrücke und die ganze sich wandelnde Struktur des Umfelds mit seinen Anwohnern, Geschäften, Firmen und Vermietern. Das Souledge kündigte bereits Anfang November an, nach Auslaufen des Mietvertrags nach der Pandemie – wenn überhaupt – an anderer Stelle wieder zu eröffnen.

Timo Zett zeichnet seit seiner Kindheit nahezu täglich

Seit Juni kam Timo Zett immer wieder zur Sternbrücke, um sie zu zeichnen. „Ohne klares Ziel. Irgendwie kam ich da lang und habe an die Clubs gedacht, die alle am Ende des ersten Lockdowns standen. Und jetzt im Herbst kam die konkrete Veränderung der so genannten Monsterbrücke zur Diskussion dazu. Da hab ich gedacht, jetzt aber schnell fertig werden mit der Zeichnung, bevor die Brücke weg ist.“ Wobei Zett alles anderer als ein langsamer Zeichner ist.

Der 1985 in Hamburg geborene und in Sprenge bei Bargteheide aufgewachsene Künstler zeichnet „durchgehend täglich, seit ich zehn Jahre alt war“. Es begann mit Comics und Porträts, dem Kunst-Leistungskurs am Kreisgymnasium Bargteheide, Lehramtsstudium im Lüneburg (Kunst, Mathe, Sport) und der Ausbildung an der Hamburger Technischen Kunstschule mit den Schwerpunkten Magazin-Gestaltung und Illustration. Letztere brach er nach der Zwischenprüfung mit Auszeichnung ab, um bis 2014 drei Jahre als Grafiker bei der „Geo Epoche“ zu arbeiten.

Der Zeichne Timo Zett vorder Sternbrücke.
Der Zeichne Timo Zett vorder Sternbrücke. © Unbekannt | Roland Magunia

Mittlerweile ist Zett selbstständiger Grafikdesigner mit einer langen Liste Referenzen für Buch- und Magazin-Illustrationen, Albumcover, Plakate, Flyer, Print- und Web-Layouts. Die größte Leidenschaft für den Chef-Grafiker des Poetry-Slam-Veranstalters „Kampf der Künste“ ist das „Urban Sketching“: Zwei Fineliner und einen A5-Skizzenblock hat der Eimsbütteler immer dabei, um mit schneller Hand, aber genauem Blick seine Umwelt aufzuzeichnen. So entstanden sein Buch „Sketching Hamburg“ (Junius Verlag, 19,90 Euro) und auch sein Bild der Sternbrücke, das jetzt für gute Zwecke versteigert werden soll.

Vom 7. bis 9. Dezember läuft die von Vova con Agua und Bela B unterstützte Auktion

„Die Sternbrücke ist schon ein gutes Stück Hamburg, wobei ich Veränderung auf keinen Fall kategorisch ausschließe. Aber in diesem Fall ist die Baumaßnahme definitiv noch ein paar Diskussionen wert. Und weil ich ganz gut durch die Corona-Krise gekommen bin, aber nicht nur durch meine Band Danube’s Banks weiß, wie schwer es die Kulturszene trifft, dachte ich, dass da bestimmt Geld gebraucht wird“, sagt Zett. „Ich empfinde die Hamburger Kulturszene wie einen riesigen Organismus, in dem sich alle gegenseitig unterstützen. Ich fühle mich sehr wohl in diesem Organismus und trage gern meinen Teil dazu bei, um ihn so wie er ist am Leben zu halten.“

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Vom 7. bis 9. Dezember läuft auf artcreateswater.org/produkt/sternbruecke die von Viva con Agua, Clubkombinat und Ärzte-Drittel Bela B unterstützte Auktion des Originals von Timo Zetts Sternbrücken-Zeichnung, hochwertig gerahmt vom Kunstbedarf Boesner. Zwei weitere Zeichnungen vom Hauptbahnhof und vom Elbstrand versteigert Zett zusätzlich am 7./8. Dezember auf seinem Instagram-Account (instagram.com/timo_zett). Der Erlös geht an die Clubstiftung von Clubkombinat Hamburg, die sich auch neben der Auktion über jede Spende für die Erhaltung der bedrohten Clubkultur freut.

Die Sternbrücke:

  • Seit 15 Jahren plant die Deutsche Bahn die Sanierung der 1925/26 erbauten, denkmalgeschützten Eisenbahnbrücke. Die dieses Jahr bekannt gewordenen Neubaupläne stoßen auf Kritik von Denkmalschützern, Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur, Anliegern und bislang mehr als 15.000 Bürgerinnen und Bürgern, die sich in einer Online-Petition gegen den „überdimensionierten“ Entwurf  wenden.