Hamburg. Das Sydney Symphony Orchestra gastierte mit Werken von Dean, Korngold und Mahler im Hamburger Konzerthaus.
Um die halbe Welt gereist, und dann doch fast ein Heimspiel, in einem Stück Weltklasse-Architektur, das direkt ans Wasser gebaut wurde. Kein Wunder, dass sich das Sydney Symphony Orchestra bei seinem Debüt im Großen Saal der Elbphilharmonie gut zu fühlen schien – hier war die Raumakustik von Yasuhisa Toyota maßgeschneidert worden; dort, down under, hatte er vor einigen Jahren an der dringend notwendigen Arbeitsplatz-Optimierung dieses Orchesters mitgewirkt, denn das Innere konnte mit Güte der formschönen Hülle in Sydney nicht mithalten.
Als nationalstolze Visitenkarte und kleinen Gruß an die ferne Heimat begannen die Australier und ihr zum Quirligen neigende Chefdirigent David Robertson das Konzert mit einem Stückchen von Brett Dean, dem umgesattelten Ex-Berliner-Philharmoniker-Bratscher aus Brisbane. Sein „Engelsflügel“, unerkennbar auf Brahms-Motivchen anspielend, war allerdings ein leicht anämisches Musterbeispiel für akademisch erwartbare Tonsetzung. Manierlich abgezirkelt, gut möbliert mit den Klangwirkungs-Installationen, die man in solchen wohlerzogenen Avantgarde-Essays erwarten darf.
Mischung aus Schwelgen, Schmachten und Herzschmerzgenuss
Das Orchester ist auf diesem Abschnitt des Globus bei weitem nicht so bekannt wie das Sydney Opera House, in dem es spielt, aber – das machte der größere Rest des Konzert klar – es gibt sich viel und rechtschaffen Mühe, das zu seinen Gunsten zu ändern. Plakativ spektakelnder Bestandteil des Tournee-Programms war das Korngold-Violinkonzert, eine extrem dankbare Startrampe für Virtuosen, die es zur Abwechslung neben den intellektuellen Anforderungen anderer Meisterwerke gern prallsüß und melodiesatt lieben. Insbesondere der letzte Satz, den das Ex-Wunderkind und der spätere Hollywood-Soundtrack-Lieferant Erich Wolfgang Korngold locker dahinzauberte, ist ein einziger Special Effect, eine klassische Technicolor-Filmmusik, die auch ganz ohne Film bestens funktioniert.
Renaud Capuçon ist für solche Spezial-Fälle ein ziemlich idealer Kandidat; die süffig ausgesungene Mischung aus Schwelgen, Schmachten und Herzschmerzgenuss lag ihm prächtig, bei ihm wirkte das für Jascha Heifetz gedrechselte Stück, mit Höchstschwierigkeiten gespickt, ungleich leichter, als es tatsächlich ist.
Inszenierung, die auf lautstarke Showwerte setzt
Auch Robertson hält disziplinierte Dezenz bei der Erkundung einer Partitur nicht unbedingt für ein oberstes Gebot. Mag sein, dass sich das Orchester vor lauter Freude über den Klang-Raum nicht bremsen und beherrschen konnte, mag auch sein, dass Robertson seine Perspektive auf Mahlers Fünfte mit Zweifeln und Gründeln nicht belasten und vernebeln wollte. Man kann dieses Stück so inszenieren, indem man vor allem auf die lautstarken Showwerte setzt. Doch dann ist es in den vielen langen Strecken dazwischen nun mal entsprechend unerschütternd, und bei aller handwerklichen Konzentration leicht unter Wert bewundert.
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