Hamburg. Die US-Sängerin gab ein furioses Konzert im Docks. Natürlich war auch ihr Superhit „I Try“ zu hören.

Konzertbesucher sind in der Regel ungeduldige Menschen. Macy Gray, US-Superstar des R&B, aber hat ihre eigene Dramaturgie: Es ist schon halb zehn, als ihre Band endlich die Bühne des rappelvollen Docks betritt.

In Sachen Optik hat sich das Warten auf jeden Fall gelohnt, denn die gut gekleideten Herren in Nadelstreifen oder gepunkteten Einteilern verbreiten pure Soul-Eleganz. Ebenso die beiden dezent wippenden Background-Sängerinnen mit den roten Kurzhaarperücken. Macy Gray selbst tastet sich mit ihrem charakteristischen wackeligen Gang ans Mikrofon, eingehüllt in eine fast königlich-schwere Robe, dazu viele glitzernd rote Details – und Lederhandschuhe. Was für eine Erscheinung! Für ihre Stilsicherheit ist die Sängerin mindestens ebenso berühmt wie für ihre Raspelstimme. Mit gewaltigem Wumms legt die Band los, und auch Macy Grays rauchiges Organ ist sogleich zur Stelle. Wie eigentlich jeder ihrer Songs klingt auch „Relating To A Psychopath“ vom Album „The ID“ (2001) wie ein ehrliches Bekenntnis.

Macy Gray biedert sich nicht an

„Wir sind den weiten Weg gekommen, nur um euch schreien zu hören“, richtet die 51-Jährige eine eindringliche Bitte an ihr Publikum. Das braucht ein wenig, um Feuer zu fangen. Denn Macy Gray biedert sich nicht an. Nicht mit Hits zum Mitsingen. Auch nicht mit einfachen Rhythmen.

Lieber spielt sie früh im Verlauf des Konzerts ein toll arrangiertes, dennoch sperriges Cover von Radioheads „Creep“. „Ich bin eine Verrückte“, singt sie da. „Ich gehöre nicht hierher.“ So inszeniert sie sich als ein wenig neben der Spur, aber zutiefst menschlich und dabei überaus selbstbewusst. Dazu hat sie auch allen Grund. Die Tochter eines Stahlarbeiters und einer Mathematiklehrerin aus Canton (Ohio) hat weltweit inzwischen mehr als 25 Millionen Alben verkauft. Aber Macy Gray ist keine, die sich nur in altem Glanz sonnt. Mit ihrem zehnten Album „Ruby“ hat sie unlängst ein feines, reifes Werk herausgebracht, das an diesem Abend mithilfe ihrer famosen Band zur Live-Blüte gelangt.

Songs voller Schmerz und Schmutz

Die Kunst der Macy Gray besteht darin, noch die härtesten Songs voller Schmerz und Schmutz mit Euphorie, Herz und Sex anzureichern. Mit viel Tradition und einer ganz eigenständigen Mischung aus Glamour und Grummeln. Soul mit Widerhaken.

Musikalisch hat sie sich einem satten Sound aus R&B, Jazz, Soul und auch ein paar saftigen Pop-Elementen verschrieben. Zu hören in „When It Ends“ oder dem euphorischen „But He Loves Me“. Ihre Band glänzt mit exaktem Zusammenspiel, starken Saxofon- und Trompeten-Melodien und ein paar etwas zu sehr ausufernden Schlagzeug- und Bass-Soli.

Die großen, funkelnden Soul-Diamanten regnen erst spät auf das Publikum nieder, dann aber richtig. Macy Gray ist in eine lange schwarzen Abendrobe gewechselt, die roten High Heels hat sie abgestreift. Natürlich erklingt auch ihr Hit „I Try“, der beinahe 20 Jahre alt ist, aber nichts von seiner Wirkung verloren hat. Ein Song über einen ungewollten Abschied. Über eine strauchelnde Liebende im Gefängnis ihrer Gefühle. Ihr Lächeln? Fassade. Niemand kann das so überzeugend rüberbringen wie Macy Gray, die Hände um das Mikrofon gekrallt, irgendwo zwischen Verzweiflung und Selbstbehauptung.

Nach zwei Stunden hochgekochter Soul-Hitze hat Macy Gray endgültig ihre Betriebstemperatur erreicht. Was für ein Fest!