Hamburg. Während des 130 Minuten langen Konzertes präsentieren Tribalistas 28 Songs. Im Publikum bleibt niemand sitzen.
Es passiert häufig in Konzerten, dass US-amerikanische Künstler sich für ihren populistischen Präsidenten und seine furchtbare Politik entschuldigen. Vor ein paar Tagen ist in Brasilien mit Jair Bolsonaro ein rechter Politiker zum Präsidenten gewählt worden, der offen rassistisch, homophob und sexistisch auftritt. Beim Konzert der Tribalistas in der Elbphilharmonie ist Politik in den Moderationen jedoch kein Thema. Dabei hätten die drei Superstars Marisa Monte, Arnaldo Antunes und Carlinhos Brown sehr viele Landsleute erreichen können; als sie die Bühne betreten bricht ein Begeisterungssturm los, sehr viele Brasilianer sind im Publikum und wünschen sich lautstark und ungeduldig von Beginn an bestimmte Hits der drei Sänger.
Die meisten der Wünsche sind sicher erfüllt worden, denn während des 130 Minuten langen Konzertes singen und spielen die drei Vertreter der Música Popular Brasileira 28 Songs. Das Konzert endet als riesige Party. Das Publikum steht und tanzt und klatscht, fordert immer neue Zugaben und bekommt sie auch. Ein Stück brasilianischer Ausgelassenheit, wie man sie vom Karneval und von Fußball-Festen kennt, hat Einzug in den Konzertsaal an der Elbe gehalten – was sicher mit der Zusammensetzung des Publikums zu tun hat. Viele Mitglieder der südamerikanischen Community sind zu dem Spektakel gekommen.
Einige Songs schrammen an der Grenze zur Langeweile
Während des Auftritts ist nicht abzusehen, dass er mit so einer Begeisterung enden würde. Nach einem furiosen Beginn haben die drei Künstler eine Reihe von Balladen und ruhigen Popsongs im Programm, die an der Grenze zur Langeweile entlang schrammen. Trotz der reizvollen Kontrastes der drei Stimmlagen - Alt bei Monte, Tenor bei Brown, Bass bei Antunes – schlagen die lyrischen Stücke nicht gerade Funken.
Doch wenn Carlinhos Brown als Zeremonienmeister in Erscheinung tritt, nehmen Energie und Stimmung sogleich zu. Der Musiker mit den langen Rastazöpfen, die unter einem bunten Turban verborgen sind, nutzt die Rundbühne und fordert jeden im Saal auf mitzuklatschen, die Arme zu schwenken oder Heulgesänge anzustimmen. Von den Rängen schallen Trillerlaute zurück, typischer Ausdruck südamerikanischer Begeisterung. Es scheint, als hätten Teile des Publikums geradezu auf diese Animation gewartet. Dieses positive Lebensgefühl steckt auch die deutschen Zuhörer an, niemand bleibt sitzen, wenn die Samba-Rhythmen durch die Elbphilharmonie rollen. Der brasilianische Teil des Auditoriums kann zwei Stunden lang den Rechtsruck und das Elend in der Heimat vergessen. Der Pop der Tribalistas ist nicht politisch, die Unbeschwertheit ihres Konzertes wird gern angenommen. Alltag ist morgen.