Hamburg. Hunderte verließen vorzeitig das Konzert von Pianist Vijay Iyer. Die Reaktionen der Abendblatt-Leser reichen von Scham bis Verständnis.

Beim Konzert von Jazz-Pianist Vijay Iyer und seinem Sextett waren am Mittwochabend Hunderte Besucher mittendrin gegangen. Veranstalter Karsten Jahnke zeigte sich im Gespräch mit dem Abendblatt über die Publikumsflucht „entsetzt“. Das seien keine Jazzfans gewesen, sondern wohl eher Saaltouristen. „Lieber hätte ich das Konzert nur zur Hälfte ausverkauft, als so etwas zu erleben“, erklärte Jahnke, der den Abend „niederschmetternd“ fand.

Kommentar: Mehr Respekt, bitte!

Inzwischen sind beim Abendblatt zahlreiche Leserreaktionen eingegangen, die sich nicht nur mit dem Besucherverhalten, sondern auch mit den akustischen Gegebenheiten im Großen Saal beschäftigten. Eine Auswahl:

Klaus Heinemann: „Ungeheuerlich. Ich frage mich, was in den Köpfen der Zuschauer vorging. Jazz ist oft sehr speziell. Jeder Konzertbesucher nimmt an der Veranstaltung teil, die seinen Interessen entspricht. Um den Saal ,mal zu sehen‘, bieten sich Führungen an.“

Bärbel Schöke: „Respektlos den Musikern gegenüber, denn jeder, der die Elbphilharmonie besuchen möchte, hat die Möglichkeit, eine Führung zu buchen oder ein Besucherticket zu lösen.“

Dietger Heitele: „Wenn bei einem Konzert Hunderte vorzeitig den Saal verlassen, anstatt auf eine Zugabe zu hoffen, sind dies Hunderte von Ohrfeigen für die Veranstaltung, wofür [...] der Ausdruck ,Saaltourismus‘ eine unangebrachte Publikumsbeschimpfung ist. Meine Vermutung für das berichtete Besucherverhalten ist eher die [...] Lautstärke bei Jazz- und Pop- Konzerten.“

Wolfgang Krause: „Festzuhalten ist, dass die Elbphilharmonie im wesentlichen einen Teil der Tourismusindustrie darstellt und nicht für vielfältige kulturelle Angebote geeignet ist. Wer eine Städtetour nach Hamburg bucht, schaut nicht auf das Konzertangebot, sondern will hauptsächlich das Gebäude bestaunen. [...] Wir sind übrigens auch gegangen. Als passionierte Jazzhörer war es allerdings der grauenhafte Sound, der uns vertrieben hat.

Hans Gernoth: „Wir waren am Mittwochabend ebenfalls in der Elbphilharmonie. Die traurige (und vom Veranstalter bzw. auch von Ihnen ausgeblendete) Realität ist jene, dass die Akustik bei dieser Veranstaltung furchtbar war. Es schepperte und dröhnte, die hohen Töne schrillten ungehemmt durch alle Gassen, begleitet von einer dumpfen Kakophonie an Mitteltönen. Die Bands konnten dafür rein gar nichts. Der Veranstalter meiner Meinung nach schon. Der Große Saal taugt einfach nicht für kleinere Klangkörper.“

Andrea Klinkhart: „Wie wäre es stattdessen mit Führungen inklusive einer kleinen musikalischen Darbietung um den Saal kennen zu lernen. Dann wäre es vielleicht nicht nötig, in ein Konzert zu gehen, das einem von vornherein nicht zusagt, nur um einmal im großen Saal Musik zu hören.“

Marion Pielage: „Da werden also massenhaft Eintrittskarten für irgendwelche Bustouren nach ganz Deutschland verhökert, wo die Leute nicht mal wissen, was sie da buchen, während Hamburger, die wirklich gerne genau dieses Konzert sehen würden, leer ausgehen, weil es keine Karten mehr gibt. Hab ich übrigens auch schon erlebt, dass bei einem wirklich guten Konzert nach der Halbzeit der halbe Saal leer war, man muss wohl dann noch zur Reeperbahn oder weiß der Touri wohin.“

Steffen Winter: „Die Elbphilharmonie wird angepriesen wie ein Musical-Event, und man bekommt das entsprechende Publikum.“

Jan Schittek: „Meiner Meinung nach bietet die Elbphilharmonie im Großen Saal solche Konzerte ausschließlich aus kommerziellen Zwecken an, um Umsatz (durch die Saaltouristen) zu generieren. Der Saal ist für verstärkte lautere Konzerte nicht geeignet.“

Reinhard Hollunder: „Das „Hinterher ist man schlauer“ von Herr Jahnke überzeugt nicht. Er ist ein erfahrener Veranstalter und weiß, dass man für das Kenner-Liebhaber-Konzert Bärtsch/Iyer keine 2.200 Karten an Fans verkaufen kann. Also wird mit Blick auf die Kasse eine erhebliche Anzahl von Karten an die Tourismusbranche gegeben [...] Wir haben das Konzert zu zweit besucht, die Störungen waren eine große Beeinträchtigung und gegenüber den Musikern, vor allem im zweiten Teil, eine Respektlosigkeit, wir haben uns für Hamburg geschämt!“