Für Davis Guggenheims Film “It Might Get Loud“ zeigen die Gitarristen Jimmy Page, The Edge und Jack White Einblicke in ihr Können. Ein Interview.

Hamburger Abendblatt: Haben Sie sich als Gegenstand Ihres Films Gitarristen ausgewählt, weil ihre Instrumente die sinnlichsten Klangkörper im Rock haben?

Davis Guggenheim: Das stimmt. Aber die Auswahl war schwer, denn es gibt so viele gute Gitarristen. Ich war auf der Suche nach etwas, das sie verbindet. Gefunden habe ich Vertreter drei Generationen mit unterschiedlichen Zugängen.

Haben Sie vorher gewusst, ob Jimmy Page, The Edge und Jack White sich verstehen werden?

Nein, davon hatte ich keine Ahnung. Beim Spielfilm gibt es ein Drehbuch, damit man weiß, wohin der Weg führt. Man lässt dort ja sogar die Schauspieler vorspielen. Das gab es hier natürlich nicht. Ein Drehbuch gibt es bei so einer Dokumentation erst, wenn man sie geschnitten hat. Das ist die furchtbare Wahrheit.

Dafür hat es aber ganz gut funktioniert. Wie haben Sie die Musiker zum Reden gebracht?

Dass sie sich alle drei geöffnet haben, macht mich unheimlich stolz. Das machen Rockstars eigentlich nicht, weil sie von ihrem Mythos und einer gewissen Distanz leben. Sie öffneten sich auf unterschiedliche Weise, aber was sie gemeinsam haben, fand ich sehr erhellend.

Rock-Dokus sind oft simple Jubelarien. Sie haben eine raffiniertere Form gewählt. Wie sind Sie darauf gekommen?

Vielleicht haben die drei so reagiert, weil sie wussten, dass mich nicht so sehr der Stoff der Boulevardblätter interessierte. Viele davon schreiben ja in erster Linie über Autounfälle, Drogenmissbrauch und Freundinnen, die die Bands auseinander bringen. Mich interessierte aber tatsächlich das Songschreiben. Und diese Geschichte ist bisher noch nicht erzählt worden. Sie nicht als Poster-Rockstars, sondern als kreative Wesen anzusehen, war mein Anliegen. So wie man einen Film über drei Romanautoren oder Maler gemacht hätte. Und sie bringen dabei sogar ein bisschen Action ein. The Edge zeigt uns einige Geheimnisse. Er spielt uns einen Song vor und sagt. „Das ist kein Song, das sind nur zwei Noten.“ Er zeigt, wie er das Pedal und die Effekte benutzt. Normalerweise wollen die Musiker ihre Tricks nicht verraten.

Mit ihrem Film haben sie jetzt drei Gitarristen glücklich gemacht – und den Rest neidisch.

Leider. Viele haben mich auch schon gefragt, warum nicht Keith Richards oder Eddie Van Halen? Der Film soll nicht erschöpfend sein. Ich könnte morgen anfangen und drei weitere Musiker nehmen.

Kann es denn ein Sequel zu einer Musikdoku geben?

Da müsste dieser Film schon erstaunlich gut laufen.

Das ist Ihnen zuletzt mit „Eine unbequeme Wahrheit“ passiert. Die Dokumentation über die Umweltaktivitäten Al Gores hat Ihnen sogar den Oscar eingebracht. Haben Sie damit gerechnet?

Der Erfolg von „Eine unbequeme Wahrheit“ war ein Wunder. Der Film hätte eigentlich gar nicht so erfolgreich sein können. Er enthält Grafiken, wissenschaftliche Hintergründe, überhaupt viele Sachen, die Zuschauer langweilig finden könnten. Er hat mir viele Türen geöffnet. Als nächstes mache ich einen Film über die Public Schools in den USA. Sie sind ein Desaster.

Sie haben mit „A Mother’s Promise“ auch einen Film über Barack Obama gedreht, der bei der Konvention der Demokraten vor der Wahl gezeigt wurde. Wie verlockend ist es für Sie Dokus über große Politik zu machen?

Sehr. Es gibt nichts besseres, wenn man seine Kunst und sein Handwerk für einen guten Zweck einsetzen kann, an den man auch selbst glaubt.

Aber ist das nicht auch schwierig, weil man als Filmemacher doch eine kritische Distanz zum Thema halten sollte?

Ja, das ist tricky. Aber ich neige dazu Filme über Menschen zu machen, die ich mag, die mich inspirieren. Das andere überlasse ich Michael Moore.

Ihr Film über Obama setzt eine Familientradition fort. Ihr Vater Charles Guggenheim hat auch eine Dokumentation über einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten gemacht. Für „Robert Kennedy Remembered“ hat auch er einen Oscar gewonnen.

Das war für die Konvention der Demokraten im Jahr 1968. Auf den Monat genau 40 Jahre vor meinem Obama-Film. Es ist sehr schade, dass mein Vater meinen Erfolg nicht mehr erlebt hat. Er ist im Jahr 2002 gestorben.

War es von Anfang an klar, dass Sie diese dokumentarische Familientradition fortsetzen würden?

Nein. Mein Vater hat seine Filme in Washington gedreht. Nachdem ich mein College beendet hatte, bin ich erst einmal 3000 Meilen weg gezogen, nach Los Angeles, um in Hollywood zu arbeiten. Ich wollte so weit wie möglich von ihm und seiner Arbeit weg. Nicht, weil er ein schlimmer Mann war, sondern weil ich mein eigenes Ding machen wollte. Er war so erfolgreich, dass ich es für unmöglich gehalten habe, ihm nachfolgen zu können.

Ihre größten Erfolge haben Sie bisher mit Dokumentarfilmen erzielt, aber Sie haben auch Spielfilme gedreht. Haben Sie sich jetzt für eine Seite entschieden?

Mit den Spielfilmen habe ich nicht viel Glück gehabt. Vielleicht kann ich das nicht so gut. Gerade habe ich aber den Pilotfilm für die Fortsetzung der TV-Soap „Melrose Place“ gedreht.

Weil Sie mal etwas ganz anderes machen wollten?

Und um meinen Kindern die Schule bezahlen zu können.

Auch mit dem Thema Frauenfußball haben Sie sich schon beschäftigt. „Gracie“ basiert auf den Erlebnissen Ihrer Frau, der Schauspielerin Elisabeth Shue. Fußballthemen haben es in den USA nicht leicht.

Wir haben viel Herzblut reingelegt. Hat aber nicht viel genützt. Es ist hier zurzeit enorm schwierig, ein Publikum für kleine Filme zu begeistern.