Der Dokumentarfilm „It Might Get Loud“ porträtiert drei der bekanntesten Rock-Gitarristen: Jimmy Page, The Edge und Jack White.

Es ist eine Liebesbeziehung, ganz klar. Eine symbiotische sogar. Gitarristen sind Menschen, die mit ihrem Instrument zusammenwachsen. Die stundenlang dieselben Riffs vor sich hin gniedeln oder picken. Die mit merkwürdigem Gesichtsausdruck völlig in ihrer Musik versinken, selbst mitten im tobenden Rockkonzert, so als würde ein gläserner Ballon nur sie und ihre Gitarre umschließen und sonst niemanden.

Vielleicht gab es deshalb noch keinen Kinofilm über Gitarristen: Welche Geschichte sollte man über diese Autisten erzählen? Regisseur Davis Guggenheim („Eine unbequeme Wahrheit“) hat eine Form gefunden: „It Might Get Loud“ ist einer dieser kleinen, feinen Musikfilme, die akustische Entwicklungen hörbar machen. Mit Jimmy Page (geb. 1944) von „Led Zeppelin“, The Edge (geb. 1961) von U2 und Jack White (geb. 1975) von den „White Stripes“ und „The Raconteurs“ porträtiert Guggenheim drei Gitarrenkünstler aus drei Generationen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Jimmy Page, der wilde Lockenkopf von „Stairways To Heaven“, ist heute ein gut situierter älterer Herr mit Landhaus und erstklassigem Schneider, der von seinen Gibson-Gitarren sagt: „Man liebkost sie wie eine Frau.“ Dagegen entspricht The Edge, wie er da in Mütze und Winterpulli seinem kargen Dubliner Studio experimentiert, genau dem Bild vom Nerd des Amplifier-Universums, der fern von Frau und Kindern seine Effektmaschinen optimiert. Und Jack White, der immer mal gern gegen den Wahnsinn hin ausfranst, gefällt sich in der Negation: Statt seine Gibson oder Stratocaster vorzuzeigen, hämmert er auf seiner Farm in Tennessee aus einem Brett, einer Colaflasche und Saiten einen Klangkörper zusammen und lässt ihn über den Verstärker dröhnen. „Wer sagt, dass man eine Gitarre kaufen muss?“

Aber Guggenheim lässt sich von Künstler-Attitüden zum Glück nicht täuschen. Hinter jedem passionierten Musiker steckt – meistens – ein ehrgeiziger und begeisterter kleiner Junge. Derselbe Edge, der in seinem Gesicht den ewigen Gram der Working Class auszudrücken scheint, kann sich nämlich durchaus lachend an „Top Of The Pops“ erinnern („So wollten wir nie werden“) und an den Überraschungseffekt von The Clash. Der elegante Dandy Page spielt ein paar Takte „Ramble On“ vor, holt schwärmend einige seiner ältesten Lieblingsplatten aus dem Schrank – und beginnt plötzlich ein Luftgitarrensolo, ausgelassen grinsend wie ein Teenager.

Auch Jack White ist in Wahrheit nicht der obercoole Rock-Berserker, der die US-Musikpresse mit immer neuen Mythen über Schwestern, Ehefrauen und Kindheitstraumata verwirrt. Vielleicht lernt man das, wenn man als Jüngster von zehn Geschwistern aufwächst und sich die erste Gitarre im Kaufhaus zulegt. Statt dessen entspuppt sich White als erstaunlicher Traditionalist. Ihm mit der Kamera beim Komponieren zuzusehen, ist beeindruckend.

Und was passiert, wenn alle drei zusammentreffen? „Wahrscheinlich eine Schlägerei“, blödelt Jack White im Taxi noch vor sich hin. Aber Guggenheim geht es ruhig an: Er setzt sie in einem Hollywood-Set zusammen, einem hohen getäfelten Raum wie in einer Bibliothek, die Sitzecke nur von Stehlampen erleuchtet. Allmählich werden die drei miteinander warm. Zeigen sich gegenseitig ein paar Tricks. Page als Elder Statesman, Edge vorübergehend sozialarbeiterisch. Aber es klappt. Sie probieren mit satten Riffs „I will Follow“.

Ganz langsam zieht die Kamera zum Schluss auf, im Dunkel des Raum hat sich das Filmteam andächtig im Halbkreis versammelt und hört zu: Nicht nur ein Funke springt über, sondern drei, die sich vereinen zu einem Schein. Es endet in einer wundervollen Session, mit diesem Sound, den nur Gitarren im Bauch erzeugen..

Danach muss man aufatmen, ein Bier trinken und schwer über alte Zeiten reden.

It Might Get Loud, USA 2008, Regie: Davis Guggenheim, mit: Jimmy Page, The Edge, Jack White, Arsenal, 97 Minuten. Läuft im Abaton-Kino.