Wer sich noch ganz spontan Tickets für das Dockville-Festival kaufen wollte, musste zumindest an der Vorverkaufsstelle in der Schanzenstraße mit langen Wartezeiten rechnen: Bis auf die Straße reichte die Schlange der Kurzentschlossenen. Und die Schanzenstraße war nicht der einzige Ort, an dem Geduld eine Tugend war.
Hamburg. Zum Start am Festival-Freitag drängelten sich zahlreiche der 12 000 erwarteten Festivalbesucher vor den Shuttlebussen am S-Bahnhof Wilhelmsburg, bepackt mit Rucksäcken, Zelten, Decken und Bergen von Dosenbier.
Doch sobald der Bus mehrere Wenden in drei Zügen absolviert hatte, bekamen die jungen Fans das einmalige Ambiente des Dockville-Festivals zu sehen. Inmitten des industriellen Charmes der Radartürme, Speicher, Hebebrücken, Windräder und Schutthalden verstecken sich vier Bühnen, ein Campingplatz und mehr als 20 Kunst-Installationen.
Letztere dienen nicht nur der Zierde der Hafen-Elb-Kulisse, sondern laden ein zum Ausprobieren und Interagieren. Im sogenannten "Horn", einem von Hamburger und New Yorker Künstlern erbauten Holzschlauch mit angeschlossenem Amphitheater, kann auf zweckentfremdeten Alltagsgegenständen musiziert werden - eine schrottige Jam-Session.
Auch die an einen Bewegungssensor angeschlossene "Bum Tschak Wippe", die je nach Tempo verschiedene Sounds und Rhythmen wiedergibt, erfreut sich großer Beliebtheit. Entwickelt hat sie der Software-Tüftler Michael Schieben aus St. Pauli.
Aber im Mittelpunkt steht natürlich Rock 'n' Roll. Bis Sonntag werden knapp 90 nationale und internationale Bands und DJs erwartet, von schwer gehypten Stars wie MGMT aus New York über Hamburger Lieblingsbands wie Kettcar, Herrenmagazin und Pascal Finkenauer bis zu vielversprechenden Newcomern und Geheimtipps wie Hjaltalin. Das isländische Septett eröffnete die Kunst-Musik-Sause am Freitagnachmittag mit einfallsreichem Pop an Gitarre, Geige und Fagott - ausreichend beschwingt, um die ersten Mädchen vor der Hauptbühne zum Tanzen in der Sonne zu bewegen. Und spleenig genug, um als Soundtrack zu dienen für den vorherrschenden Hipster-Schick. Überdimensionale Sonnen- und Kassengestellbrillen, Stirnbänder, Hängerchen zur Leggings oder Opa-Strickjacke zur Röhrenjeans. Ein Mix aus Professoren-Kindern und Glam-Rockern. Ein Outfit, das auch zu härteren Klängen passt, etwa den Belgiern von Black Box Revelation, die den Weg ebneten für die Freitag-Headliner Turbonegro.
Etwas die Wiese hinunter untermalen Junopilot mit lässigem Funk das Treiben beim Western-Dorf, einer vom Hamburger Künstler Jakobus Siebels entworfenen Holzhütten-Zeile. Ein Pärchen schwingt beseelt auf der Riesenwippe von Jonathan Gröne, Festival-Besucher erobern Florian Mars' Holztierchen auf einer Anhöhe an der Elbe. Das Dockville - ein Kunst-Pop-Spielplatz. Wohl wahr.